11 % der Beschäftigten verdienten 2010 weniger als 8,50 Euro je Stunde

Mehr als jeder zehnte Beschäftigte in Deutschland verdient laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Naturgemäß gehen die Interpretationen dieses Befundes weit auseinander. Vor diesem Hintergrund präsentiert AGITANO, das Wirtschaftsforum für den Mittelstand, zunächst die reinen Fakten mit der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes sowie im Anschluss die Einschätzung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) sowie der IG Metall als Arbeitnehmervertreter.

Die Fakten des Statistischen Bundesamtes:

Rund 11 % aller Beschäftigten in Deutschland, die in Betrieben mit zehn und mehr Beschäftigten arbeiteten, verdienten im Jahr 2010 weniger als 8,50 Euro je Stunde. In Ostdeutschland lag mehr als ein Fünftel (22 %) aller Beschäftigten unter diesem Stundenverdienst, in Westdeutschland jede/-r Zehnte. Die meisten waren geringfügig entlohnte Beschäftigte (46 %), auch Minijobber oder 400-Euro-Jobber genannt. Ein Drittel (33 %) waren Vollzeitbeschäftigte, 21 % Teilzeitbeschäftigte. Dies sind erste Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes (Destatis) aus der aktuellen Verdienststrukturerhebung für das Jahr 2010 in Betrieben des Produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungsbereichs mit zehn und mehr Beschäftigten.

Die Beschäftigten mit einem Stundenverdienst unter 8,50 Euro waren überwiegend Frauen (60 % gegenüber 40 % Männer). Betrachtet man hingegen ausschließlich Vollzeitbeschäftigte, waren es mehr Männer als Frauen, die unter diesem Stundenverdienst lagen.

Die Beschäftigten mit einem Stundenverdienst unter 8,50 Euro setzten sich in Ost und West unterschiedlich zusammen: In Westdeutschland waren Minijobber die größte Gruppe. Das sind meist Frauen und Beschäftigte ohne Berufsausbildung. Die größte Gruppe in Ostdeutschland waren Vollzeitbeschäftigte. Das sind meist Männer und Beschäftigte mit Berufsausbildung.

Die meisten Beschäftigten mit einem Stundenverdienst unter 8,50 Euro arbeiteten im Verarbeitenden Gewerbe (14 %) und in der Zeitarbeit (10 %) – hier vor allem in Vollzeit. Weitere Bereiche waren die Gebäudereinigung/Gebäudebetreuung (12 %), der Einzelhandel (10 %) oder das Gastgewerbe (9 %) – hier arbeiteten diese Beschäftigten meist in Minijobs. Sie waren vor allem als Hilfsarbeitskräfte (35 %), als Verkäufer und in Dienstleistungsberufen (25 %) sowie als Bürokräfte (15 %) tätig.

Die Beschäftigten mit einem Stundenverdienst unter 8,50 Euro hatten meist einen privatwirtschaftlichen Arbeitgeber (93 %), selten einen öffentlichen (7 %). Die Mehrheit dieser Beschäftigten (68 %) war bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt, 32 % bei tarifgebundenen.

 

Die Perspektive des arbeitgebernahen IW Köln: "Zwei Seiten einer Medaille"

Nach einer neuen Statistik des Statistischen Bundesamtes verdient jeder zehnte Arbeitnehmer weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Der – etwas anders definierte – Niedriglohnanteil liegt sogar bei über 20 Prozent. Dies ist jedoch weniger ein Grund zur Sorge, als vielmehr Resultat eines arbeitsmarktpolitischen Erfolges.

Zwei Seiten einer Medaille: Im Zeitraum 1997 bis 2009 stieg nicht nur der Anteil der Bezieher von Niedriglöhnen an der Gesamtzahl der Beschäftigten von 17 auf 22 Prozent, sondern es nahm auch die Zahl der Beschäftigten deutlich zu. Selbst in Tätigkeiten mit geringen Anforderungen an die Qualifikation – oftmals die einzige Beschäftigungschance für Geringqualifizierte – gab es Zuwächse.

In der Folge ist der Anteil der Geringverdiener an der Bevölkerung im Erwerbsalter seit 1997 zwar von 9 auf 14 Prozent gewachsen. Dies ging aber nicht zu Lasten der Normalverdiener, deren Anteil ebenfalls stieg, nämlich von 45 auf 48 Prozent. Rückläufig war vielmehr der Anteil der (Früh-)Rentner, Nichterwerbstätigen und Arbeitslosen, der von 29 auf 21 Prozent sank.

Mithin ist es gelungen, gering produktive Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Diese zusätzliche Beschäftigung erfolgt häufig zu vergleichsweise geringen Löhnen, ist in den meisten Fällen aber die bessere Alternative zur Arbeitslosigkeit: Von den Arbeitslosen haben 60 Prozent ein Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze, während von den Geringverdienern lediglich 16 Prozent als armutsgefährdet eingestuft werden müssen.

 

Die Presseerklärung der IG Metall:

Erschreckende Zahlen veröffentlichte heute das Bundesamt für Statistik: Jeder Zehnte verdiente im Jahr 2010 weniger als 8,50 Euro die Stunde. 33 Prozent davon haben eine Vollzeitstelle und müssen von ihrem Niedriglohn leben. 8,50 Euro ist der von den Gewerkschaften geforderte Mindestlohn.

Rund elf Prozent aller Beschäftigten in Deutschland, die in Betrieben mit zehn und mehr Mitarbeitern arbeiteten, verdienten im Jahr 2010 weniger als 8,50 Euro je Stunde. In Ostdeutschland war es sogar jeder zweite Beschäftigte. Die meisten dieser Menschen waren geringfügig entlohnt, also Minijobber oder 400-Euro-Jobber. Rund ein Drittel derjenigen, die weniger als 8,50 Euro erhalten, also dem geforderten Mindestlohn des DGB, waren Vollzeitbeschäftigte. 21 Prozent waren Teilzeitbeschäftigte.

Frauen in Teilzeit häufiger betroffen

Überwiegend Frauen (60 Prozent gegenüber 40 Prozent Männer) arbeiten für wenige als 8,50 Euro die Stunde. Betrachtet man ausschließlich Vollzeitbeschäftigte, waren es allerdings mehr Männer als Frauen, die unter diesem Stundenlohn lagen.

Die Geringverdiener setzten sich in Ost und West unterschiedlich zusammen: In Westdeutschland waren Minijobber die größte Gruppe. Das sind meist Frauen und Beschäftigte ohne Berufsausbildung. Die größte Gruppe in Ostdeutschland waren Vollzeitbeschäftigte. Das sind meist Männer und Beschäftigte mit Berufsausbildung.

Leiharbeiter von Niedriglohn stark betroffen

Die meisten Beschäftigten mit einem Stundenverdienst unter 8,50 Euro arbeiteten im Verarbeitenden Gewerbe (14 Prozent). Jede oder jeder Zehnte vom Niedriglohn betroffene ist bei einer Leiharbeitsfirma beschäftigt. Diese Gruppe arbeitet überwiegend auf Vollzeitstellen.

Weitere Bereiche in denen die Anzahl der Niedriglöhner besonders hoch ist: Gebäudereinigung/Gebäudebetreuung (12 Prozent), der Einzelhandel (10 Prozent) sowie das Gastgewerbe (9 Prozent) – hier arbeiteten diese Beschäftigten meist in Minijobs.

Besser mit Tarif

Die Beschäftigten mit einem Stundenverdienst unter 8,50 Euro hatten meist einen privatwirtschaftlichen Arbeitgeber (93 Prozent), selten einen öffentlichen (7 Prozent). Die Mehrheit dieser Beschäftigten (68 Prozent) war bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt, 32 Prozent bei tarifgebundenen. Diese Zahlen zeigen wieder einmal, dass es in tarifgebundenen Unternehmen faire Löhne gibt.

Neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt überfällig

Stundenlöhne von denen kaum jemand leben kann sind ein weiterer Beleg dafür, dass eine Regulierung des Arbeitsmarktes überfällig ist. Mehr Regulierung bedeutet nicht weniger Wirtschaftswachstum, sondern mehr Sicherheit. Um die schlimmsten Auswüchse zu verhindern, fordert die IG Metall flächendeckende Mindestlöhne. Dann würden die Bezieher niedriger Einkommen mehr Geld erhalten und könnten von ihrem Einkommen leben. Das belebt zudem die Binnenkonjunktur und kostet den Steuerzahler keinen Cent.

Mindestlohn muss her

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes beweisen ein Mal mehr: Deutschland braucht einen Mindestlohn. Das Land hinkt dem europäischen Standard hinterher. Denn: 20 von 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union haben bereits Mindestlöhne. Die Erfahrungen in diesen Ländern zeigen:

  • Mindestlöhne verhindern Lohnarmut. Mindestlöhne stellen sicher, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können und keine weitere Unterstützung vom Staat benötigen.
  • Mindestlöhne sorgen vor. Niedriglöhne heute heißt Altersarmut morgen
  • Mindestlöhne schaffen würdigere Arbeitsbedingungen. Existenz sichernde Einkommen sind ein Zeichen des Respekts für getane Arbeit.
  • Mindestlöhne schaffen fairen Wettbewerb. Lohndumping ist ein unfairer Wettbewerbsvorteil zu Lasten der Arbeitnehmer.
  • Mindestlöhne sorgen für Gerechtigkeit. Mindestlöhne stoppen die Abwärtsspirale der Löhne, unter der immer häufiger auch Beschäftigte mit Berufsausbildung oder Studium leiden.
  • Mindestlöhne sorgen für Gleichberechtigung. Mindestlöhne befreien Frauen, die besonders von Niedriglöhnen betroffen sind, von Lohnarmut und Abhängigkeit.

 

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