Arbeitszeiten in Deutschland & EU: immer mehr, immer länger

Die Menschen in Deutschland und Europa arbeiten immer mehr – und immer länger. Das zeigen aktuelle Untersuchungsergebnisse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und des europäischen Statistikamtes Eurostat. Was sind die Gründe und welche Konsequenzen sind mit einer solchen Entwicklung verbunden?

Kürzere Arbeitszeiten gefordert, längere wurden die Realität

„Arbeite nur – die Freude kommt von selbst.“ Der Urheber des Zitates lässt sich nicht zu 100-prozentiger Sicherheit ermitteln. Die einen schreiben ihn dem chinesischen Philosophen Konfuzius zu. Andere sind davon überzeugt, Johann Wolfgang von Goethe habe ihn erfunden. Passen würde er zu beiden. Schließlich zeichneten sie sich durch einen hohen Arbeitseifer aus. Das gilt auch für die Nationen, aus denen sie stammen. Für gut ein Drittel der Beschäftigten in Unternehmen in China betrugen die durchschnittlichen Arbeitsstunden pro Tag im Jahr 2012 mindestens zehn Stunden. Dass diese im Lauf der Jahre zurückgingen, das bezweifeln Ökonomen. Aber auch hierzulande kam es nicht zur, vor einigen Jahren noch von rund 200 Politikern und Wissenschaftler geforderten, Arbeitszeitverkürzung. Von der 30-Stunden-Woche war damals die Rede. Das Gegenteil trat in Deutschland und Europa ein, wie folgende Infografiken zeigen.

Infografik Nr. 1: Arbeitsvolumen auf dem höchsten Stand seit 1992

Infografik zu den aktuellen Entwicklungen der Arbeitszeiten in Deutschland
Oben eingefügte Infografik zeigt die Entwicklung der Gesamtarbeitszeit deutscher Erwerbstätiger. (Quelle: de.statista.com / CC BY-ND 3.0)

Die Zahlen zur oben eingefügten Infografik entstammen dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus Nürnberg. Diesen zufolge schufteten Erwerbstätige 2015 hierzulande 59 Milliarden Stunden. Das entspricht einem Plus von 1,1 Prozent im Vergleich zu 2014. Das Arbeitsvolumen liegt demzufolge auf dem höchsten Stand seit 1992. Und das, obwohl die Erwerbstätigkeit im Land mit 43 Millionen Personen ebenfalls einen neuen Höchststand erreicht hatte. Für einen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer bedeuteten das 2015 durchschnittlich 1.657 Stunden Arbeit pro Jahr, Teilzeitbeschäftigte arbeiteten 692 Stunden. zumindest die Zahl der unbezahlten sank leicht um 0,2 Prozent auf 25,7 Stunden pro Jahr.

Infografik Nr. 2: Dauer eines europäischen Arbeitslebens

Infografik zu den Arbeitszeiten im EU-Raum
Oben eingefügte Infografik bildet die voraussichtliche Lebensarbeitszeit in Jahren ab. (Quelle: de.statista.com / CC BY-ND 3.0)

Um mehr als zwei Jahre ist die Lebensarbeitszeit in Deutschland seit 2005 gestiegen, so das europäische Statistikamt Eurostat. Damit dauert ein europäisches Arbeitsleben im Schnitt 35,4 Jahre. Weiterhin arbeiten Männer in der Regel länger als Frauen. Allerdings steigt die Belastung für Arbeitnehmerinnen schneller. Während Männer im EU-Schnitt 2015 rund 1,2 Jahre länger werktätig sind als noch 2005, sind es bei Frauen 2,6 Jahre.

Inflation, stagnierende Löhne, Altersvorsorge … . Darum arbeiten die Deutschen länger

Die Gründe, warum man sich einem längeren Arbeitsleben aussetzt, sind zahlreich und teilweise höchst individuell. Einige sehen es durchaus mit dem eingangs zitierten Konfuzius beziehungsweise Goethe. Bei anderen sind diese weitaus banaler. So steigen, laut Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis), die Verbraucherpreise hierzulande zwar nur leicht, dafür kontinuierlich an. Dem gegenüber stehen die hiesige Steigerungen der Arbeitnehmerentgelte, welche, Ökonomen der Hans-Böckler-Stiftung zufolge, allenfalls als geringfügig zu bewerten sind. Auf die Deutschen kommt, aktuellen Prognosen zufolge, steigende Lebenserhaltungskosten bei gleichzeitig stagnierenden Löhnen zu. Um diesen erfolgreich zu begegnen, arbeiten immer mehr Angestellte länger.

Ebenfalls dürften die Reaktionen der Politik auf den medial viel zitierten demografischen Wandel eine Rolle spielen. Denn der Umstand, dass immer mehr Menschen sich einer immer längeren Lebenszeit erfreuen (was ja im Prinzip eine erfreulich ist!), jedoch gleichzeitig immer weniger Kinder kriegen, verschärft das Problem hinsichtlich der Finanzierung der Rentenkassen zusätzlich. „Auf die Deutschen wartet die Rente mit 71 – mindestens“, warnt beispielsweise welt.de. Um Altersarmut zu vermeiden, wird vielen Arbeitnehmern angeraten, länger zu arbeiten. Allerdings, ob die Verlängerung der (Lebens-) Arbeitszeiten das wirklich einzig wirksame Mittel gegen die oben beschriebenen Entwicklungen darstellt, darf durchaus in Frage gestellt werden.

Stress, Überforderung, Burnout … . Das Leben ist nicht nur zum Arbeiten gedacht

Hinzu kommt, dass durch längere Arbeitszeiten die Intensität psychischer Belastungen am Arbeitsplatz in den vergangenen Jahren enorm gestiegen ist. So haben laut Techniker Krankenkasse (TK) in den letzten 15 Jahren die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angst- und Belastungsstörungen um fast 90 Prozent zugenommen. Für immer mehr Führungskräfte und Entscheider gestaltet sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer schwieriger. Eine Umfrage der FOM Hochschule für Ökonomie & Management zeigt: Für 20 Prozent aller Selbstständigen, Manager und Fachangestellten stellen Arbeitszeitregelungen starke oder sogar sehr starke Belstungen für ihre sozialen, familiären beziehungsweise partnerschaftlichen Beziehungen dar. Um diesen präventiv entgegenzuwirken sollten sie auf eine ausgewogene Work-Life-Balance achten. Denn das Leben ist nicht nur zum Arbeiten da.

Mit Text-und Informationsmaterial von de.statista.com (s. Links in der Bildunterschrift).

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