Auch Metropolregionen spüren Fachkräftemangel – Interview mit Martin Gaedt (Teil 2)

Der aktuelle Nachwuchs- und Fachkräftemangel in Deutschland nimmt gerade in wirtschaftlich guten Zeiten einen sehr hohen Stellenwert ein. Die Deutsche Wirtschaft leidet hierunter teilweise massiv, was auch auf uns als Land und Gesellschaft enorme Auswirkungen hat.

Um dieses Thema näher zu betrachten, haben wir uns mit Martin Gaedt, Gründer und Geschäftsführer der Younect GmbH, zu einer 3teiligen Interviewreihe zusammengesetzt. Im 1. Teil des Gesprächs haben wir uns mit der Abwanderung von Jung- und Nachwuchskräften aus strukturschwachen Regionen auseinandergesetzt. Im heutigen 2. Teil sprechen wir über Metropolregionen, die ebenfalls den Fachkräftemangel spüren und wie hier Lösungen aussehen können.

 

1. Herr Gaedt, in unserem 1. Interview haben wir uns über die Abwanderung von Jung- und Fachkräften aus ländlichen Gegenden und Ihren Talentpool unterhalten. Aktuell spüren auch Metropolregionen den besagten Fachkräftemangel, gerade bei Spitzenkräften. Ist dies ein konjunkturelles oder eher ein strukturelles Problem?

Beides! In konjunkturzyklischen Hochzeiten ist die Nachfrage nach Fachkräften natürlich stärker. Der strukturelle Aspekt rührt von der demografischen Entwicklung. Mehr Fachkräfte werden es nicht.

Metropolregionen wachsen in Europa jedoch gegen den Trend. Der Clou ist aber, die besten Mitarbeiter sind zu allen Zeiten hart umkämpft. Spitzenkräfte sind immer ein Mangel. Metropolregionen hält dieser Mangel aber nicht davon ab, verschwenderisch mit den Top-Kandidaten umzugehen. Auch hier sollten wir uns wieder fragen, warum bei sportlichen Wettbewerben die guten Leistungen der Zweit- und Drittplatzierten mit wertvollen Medaillen belohnt werden, im Bewerbungsverfahren die potentiellen Silber- und Bronzemedaillen-Gewinner aber nur Absagen bekommen. Sollten diese guten Bewerber nicht in der eigenen Metropolregion bleiben und diese stärken?

An diesem Punkt zeigt sich ein sehr signifikantes mentales Problem. Häufig kommt bei meinen Präsentationen in den Metropolregionen der Kommentar: “Aber dann geht der Bewerber ja zur Konkurrenz.” Dazu ein klares JA, stimmt. Wenn Sie den Bewerber nicht einstellen, dann geht er zur Konkurrenz. Und zwar immer. Alternativlos. Die Frage ist, welche Konkurrenz Sie lieber stärken wollen:
A) Die Konkurrenz in Ihrer eigenen Metropolregion?
B) Die Konkurrenz in einer anderen Metropolregion in Deutschland? oder
C) Die Konkurrenz im Ausland?

2. Was müssen die Metropolregionen und ihre Wirtschaft tun, um attraktiv für Fachkräfte zu sein und zu bleiben?

Städte, Cluster und Wirtschaftsförderungen tun schon sehr viel. Aber sie lassen leistungsfähige Bewerber leichtfertig gehen. Es gibt in Deutschland keine einzige Statistik zu Absagen. Kennt jemand eine solche, möge er sich bitte bei mir melden!

Wenn die Unternehmen einer Metropolregion Alternative A) bevorzugen, und die eigene Metropolregion stärken wollen, dann können sie mit einfachen Mitteln GUTE Bewerber in ihrer Region mit anderen Unternehmen TEILEN… gerade WEIL diese Bewerber sich bereits für ihre Metropolregion entschieden und dort beworben haben. „Um eine Region voranzubringen, ist Teamgeist gefragt“, betont der Gothaer Landrat Konrad Gießmann. Die Metropolregion kann viel bewirken, wenn sie den bestehenden Netzwerken einen Bewerberaustausch ermöglicht.

Eine zweite Verschwendung: Aus vielen Universitätsstädten wandern die besten Wissensträger einfach ab. Die Absolventen gehen weg, ohne sich auch nur ein einziges Mal dort zu bewerben, wo sie studiert haben. Das ist ein strukturelles Problem. Universitäten sind häufig Mitglieder in regionalen Netzwerken. Die besten Absolventen könnten zuerst den Unternehmen der eigenen Metropolregion präsentiert werden.

3. Ihr Talentpool scheint auch hier eine Antwort geben zu können. Wie sieht diese aus?

Es hilft nur eins: Den Spitzen-Absolventen und Spitzen-Bewerbern Angebote machen, BEVOR sie weggehen. Schneller sein als andere Metropolregionen. Die Region, die am schnellsten das attraktivste Job-Angebot bietet, ist im Vorteil. Der Talentpool von YOUNECT stellt diese Schnelligkeit her, indem sich Unternehmen untereinander GUTE Bewerber weiterempfehlen. Mit einer Bewerbung erreicht der Kandidat also mehrere und nur für ihn relevante Firmen. Zusätzlich können Universitäten, Berufsschulen und andere Bildungsträger die besten Fachkräfte empfehlen. Die Empfehlung läuft datenschutzrechtlich korrekt. Gleichzeitig ist das Verfahren einfach und wirkungsvoll. Ich nenne dieses System „Bewerber auf Empfehlung“.

Es geht also um ein Umdenken: Mit wem will ich teilen? A), B) oder C)?

Haben sich die Unternehmen für ihre Metropolregion entschieden? Dann erst wird aus dem mentalen Problem eine strukturelle Aufgabe. Und dazu bieten die Talentpools von YOUNECT eine webbasierte Lösung, GUTE Bewerber weiter zu empfehlen und mit Teamgeist und Schnelligkeit am Abwandern zu hindern.

4. Reicht es dabei aus, nur die Wirtschaft mit der Lehre und den anderen Institutionen zu vernetzen?

Unentdeckte Ressourcen einer Metropolregion sind oft größer als erwartet. Die Gesundheitswirtschaft Rhein-Main stellte im April 2011 eine Studie vor: Bis 2030 könnten etwa 20.000 Fachkräfte fehlen. Wenn die 170 Mitglieder dieser Gesundheitswirtschaft Rhein-Main sich untereinander nur drei Bewerber pro Jahr empfehlen, ergibt das über 500 Fachkräfte pro Jahr und über 10.000 Fachkräfte bis 2030. Drei Empfehlungen pro Unternehmen sind nicht viel. Beteiligen sich überdies Berufsschulen und Universitäten der Region, können Sie sich vorstellen, welche Wirkung „Bewerber auf Empfehlung“ entfalten kann. Ein Talentpool alleine reicht natürlich nicht aus. Die Metropolregion muss attraktiv bleiben. Die Löhne spielen natürlich eine wichtige Rolle. Die größte Rolle spielt aber das Betriebsklima und wie sich die Spitzenkräfte entfalten können.

Vielen Dank Herr Gaedt für das interessante Gespräch. Wir hören uns dann kommende Woche wieder am Donnerstag zum 3. Interview zum Thema "Bewerber auf Empfehlung".

 

Das Interview führte Oliver Foitzik (Herausgeber AGITANO & Geschäftsführer der FOMACO GmbH).

 

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