Baden-Württemberg soll führende Energie- und Klimaschutzregion werden

Landesregierung beschließt 7-Punkte-Positionspapier zum Energiepaket der Bundesregierung / Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Verbindliche und unumkehrbare Festlegung auf Atomausstieg wichtigstes Ziel / Kretschmann fordert Mitsprache der Länder: Bundespolitische Vorgaben setzen den Rahmen für Energiekonzepte in den Ländern

Die Landesregierung hat ein 7-Punkte-Positionspapier zu dem von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Energiepaket beschlossen. „Baden-Württemberg soll zur führenden Energie- und Klimaschutzregion werden. Es ist unser Ziel damit einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der energie- und klimapolitischen Ziele Deutschlands zu leisten.“ Dies erklärten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Umweltminister Franz Untersteller in Stuttgart im Anschluss an die Sitzung des Ministerrats. Die von der Bundesregierung tags zuvor in Berlin vorgestellten Überlegungen gingen zwar in die richtige Richtung, müssten allerdings in zahlreichen Punkten noch erheblich nachgebessert werden, betonte Kretschmann. „Nachdem sich die Bundesregierung erst im Sommer letzten Jahres dafür eingesetzt hat, die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern, wird nun der schon einmal vor neun Jahren unter einer rot-grünen Regierungskoalition beschlossene Atomausstieg wiederbelebt. Das ist grundsätzlich vernünftig und das Gebot der Stunde, weil es im Übrigen auch dem Bürgerwillen entspricht und von einer großen Mehrheit getragen wird. Oberste Priorität hat für mich dabei, dass der Atomausstieg verbindlich und unumkehrbar festgelegt wird“, unterstrich der Ministerpräsident. Nur ein Enddatum für den finalen Atomausstieg zu setzen, greife zu kurz. Kretschmann: „Man braucht für jedes Kernkraftwerk einen klaren Fahrplan.“

Auf ausdrückliche Zustimmung stoße die Entscheidung der Bundesregierung, die während des Moratoriums noch bis Mitte Juni vom Netz genommenen Kernkraftwerke, dauerhaft stilllegen zu wollen. Darunter befinden sich die beiden Reaktorblöcke Neckarwestheim I und Philippsburg 1. „Wir haben sehr dafür geworben, die alten Atommeiler nicht mehr ans Netz zu nehmen und finden es richtig, wenn die Bundesregierung dieses auch von der Ethikkommission vertretene Votum aufgreift“, sagte der Regierungschef. An zahlreichen Details des Energiepakets der Bundesregierung müsse allerdings nachgebessert werden. „Wenn man wie die Landesregierung nicht nur den Atomausstieg, sondern eine tatsächliche Energiewende will, dann müssen dafür auch die Bedingungen stimmen“, so Kretschmann. „Es muss deshalb sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Entscheidungen auf Bundesebene mit den energiepolitischen Zielen des Landes in Einklang stehen.“ Der Bund sei im Gegenzug darauf angewiesen, dass in den Ländern notwendige Entwicklungen angestoßen werden. Dazu zähle der Ausbau der erneuerbaren Energien ebenso wie die Modernisierung der Energie-infrastruktur mit dem Ausbau von Stromnetzen und der Entwicklung von Stromspeichern. „Die Bundesregierung setzt mit dem Energiepaket den Rahmen für energiepolitische Konzepte in den Ländern“, sagte der Ministerpräsident. Nach den derzeitigen Planungen wäre der Handlungsspielraum des Landes durch restriktive Vorgaben oder fehlende Anreize allerdings gering, um in Baden-Württemberg die Energiewende mit dem notwendigen Schwung voranzubringen. Deshalb sei es in den weiteren Beratungen nicht nur eine Stilfrage, die Länder angemessen einzubinden. „Der Bund braucht die Länder ebenso wie die Länder den Bund brauchen. Da wäre es eine vertane Chance, wenn die weiteren Details nicht gemeinsam mit den Ländern festgelegt würden.“ Das von der Landesregierung beschlossene 7-Punkte-Papier bilde eine gute Grundlage für die weiteren Gespräche mit der Bundesregierung.

 

In diesem Zusammenhang müssten auch die Voraussetzungen für eine weiterhin hohe Versorgungssicherheit geklärt werden, erläuterte Umweltminister Untersteller. Die Bundesregierung sei nun gefordert, unter den Prämissen des Atomausstiegs das Energiekonzept 2010 fortzuschreiben. „Dezentrale Energieversorgung, Energieeffizienz und erneuerbare Energien werden dabei einen höheren Stellenwert einnehmen müssen.“ Die Bundesregierung wird deshalb unter anderem aufgefordert, die für das Gebäudesanierungsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur Verfügung gestellten Gelder auf mindestens fünf Milliarden Euro jährlich aufzustocken und die Fördervolumen zu verstetigen. „Die energetische Modernisierung älterer Gebäude kommt bislang nur schleppend voran. Mit einer verbesserten Mittelausstattung der Förderprogramme kann es gelingen den Sanierungsstau aufzulösen und damit in großem Umfang insbesondere Wärmeenergie einzusparen.“

Investoren für den notwendigen Umbau der Energieversorgung könnten dann gewonnen werden, wenn es auch entsprechende Anreize gebe. „Daran fehlt es aber nach den jetzigen Planungen der Bundesregierung.“ Zwar unterstütze die Landesregierung die vorgesehene erhöhte Förderung von Windkraftanlagen auf See. Der vorgesehene Zuschlag bei offshore-Windkraft gehe allerdings zu Lasten anderer regenerativer Energiequellen, kritisierte Untersteller. „Die Deckelung der EEG-Umlage auf 3,5 Cent pro Kilowattstunde Strom ist nicht akzeptabel, weil damit der Ausbau kostengünstiger Windkraftanlagen an Land sowie kleinerer Biomasseanlagen und Ausbau der Photovoltaik gebremst würde.“ Leidtragende wären insbesondere die Südländer, die beispielsweise bei der Windkraft großen Nachholbedarf haben, so Untersteller. „Wir wollen bis 2020 den Anteil des Windstroms von heute knapp einem auf zehn Prozent steigern.“ Das Land sei bereit seine weit reichenden Erfahrungen aus der Praxis bei der geplanten Novellierung des EEG einzubringen. „Es muss dazu allerdings ausreichend Gelegenheit gegeben werden. Es ist deshalb nicht zielführend, die Gesetzesnovelle übers Knie brechen zu wollen.“

Die Planungen des Bundes, den Strombedarf neben erneuerbaren Energien über hocheffiziente und schadstoffarme Gaskraftwerke zu decken, werde von Baden-Württemberg mitgetragen, so Untersteller. „Der Bau von flexiblen Gaskraftwerken, die die wegfallenden AKW-Kapazitäten ersetzen und außerdem Schwankungen insbesondere bei Wind- und Solarstrom auffangen, entspricht unseren energiepolitischen Vorstellungen.“ Um für Investoren ausreichende Planungssicherheit zu schaffen und einen wirtschaftlichen Betrieb neuer Anlagen zu gewährleisten, seien jedoch finanzielle Anreize in Form von so genannten „Kapazitätsmärkten“ notwendig. Kernelement wäre eine Förderung für Kraftwerksinvestoren. Über den Umbau der Stromerzeugung hinaus müsse die Energieinfrastruktur angepasst und modernisiert werden, so Untersteller. „Allem voran müssen die Stromnetze ertüchtigt und Energiespeicher entwickelt werden.“ Dabei unterstütze die Landesregierung die Absicht des Bundes, für die Stromnetze einen Bundesbedarfsplan zu entwickeln. Sowohl Raumordnungsverfahren wie auch Planfeststellungsverfahren müssten allerdings in Länderhand bleiben. „Die Länder haben bereits die Kompetenzen aufgebaut und verfügen über notwendige Erfahrungen.“

Die Landesregierung werde, aufbauend auf den neuen Bundesvorgaben des Energiepakets, ein integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept auf den Weg bringen, kündigte Ministerpräsident Kretschmann an. „Wir haben sehr ambitionierte Vorstellungen. Die Detailarbeit können wir allerdings erst machen, wenn wir den Rahmen kennen.“

Quelle: Staatsministerium Baden-Württemberg

 

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