Claus-Peter Schaffhauser: L’État c’est moi

Claus-Peter Schaffhauser, L'État c'est moi
Quelle: Claus-Peter Schaffhauser

… aus der Kolumne von Claus-Peter Schaffhauser: Nach dem letzten Beitrag „Windach, Paradies auf Erden?” folgt heute: „L’État c’est moi”

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Sonntags habe ich immer frei und kann ausschlafen. Kann mich bar jeglicher Pflichten gehen lassen, oder auch nicht.

Ich kann ausschlafen – außer die innere Uhr, die immer auf 5:45 Uhr gestellt ist, klingelt leise in meinem Ohr. Oder die Hühner wollen rausgelassen werden. Oder eine der beiden Katzen möchte ein Leckerli. Oder meine Frau muss mir dringend etwas wichtiges sagen. Oder unsere kleine Tochter kommt mit Eisbeinen ins Bett und will kuscheln.

Während der Woche lässt sie sich kaum wecken, weil sie so müde ist, aber am Wochenende steht sie gerne freiwillig auf. Sie nimmt immer meine Bettseite zum Einstieg, weil die erstens näher liegt und meine Frau selbst häufig unter Eisbeinen leidet und für selbige an anderen Menschen, selbst wenn sie ihr eigen Fleisch und Blut sind, keine Sympathie entwickeln kann. Töchter stehen Vätern ja auch grundsätzlich näher.

Aber theoretisch kann ich sonntags immer ausschlafen.

Außer meine Frau hätte gern frische Semmeln und die Kinder Brezenzopf. Dann stehe ich eben auf, mache mich für den Tag fertig, schnappe mein Fahrrad und mache mich auf zu unserem Bäcker, um mich dort in die lange Schlange anderer wartender Ehemänner und Väter von kleinen Kindern einzureihen. – Wehe ich bringe Brezenstangen statt Brezenzopf. Ist zwar der gleiche Teig, gibt aber zu Hause Ärger.

Also, normalerweise habe ich also am Sonntag nichts zu tun. Außer ich decke freiwillig den Frühstückstisch (sollen eigentlich am Wochenende die Kinder machen, aber meistens habe ich keine Lust mein kaltes Frühstücksei um Mitternacht aufzuschlagen). Mit Schimpfen den Sonntag zu beginnen ist auch blöd. Konsequente Erziehung sieht anders aus, aber der Urchrist in mir schaltet eben immer auf Vergebung und Nachsicht. Wenn ich ein paar mehr Freunde auf Facebook hätte (mehr als 20), hätte ich gute Chance auf den Friedensnobelpreis.

Wenn ich fertig bin mit dem richten des Frühstückstisches, räume ich die Geschirrspülmaschine aus. Sollen eigentlich auch die Kinder machen – die Große den oberen Teil, die Kleine den unteren Teil, das gefährliche Besteck ich. Denn die Kinder hassen Besteck ausräumen. Eigentlich hassen sie auch Spülmaschine ausräumen. Eigentlich helfen sie überhaupt nicht gern im Haushalt. Dann räume ich eben die ganze Spülmaschine aus, insbesondere, wenn meine Honigsemmel noch die Sonne sehen soll.

Aber normalerweise muss ich am Sonntag wirklich nichts machen.

Wenn ich nichts mache, lese ich am liebsten die Süddeutsche Zeitung. Am Frühstückstisch darf ich nicht, damit ich den Kindern als gutes Beispiel dienen kann. Wir unterhalten uns lieber gepflegt. Frage an die kleine Tochter: „Wie war’s in der Schule? Hast Du noch Hausaufgaben zu machen?“ – „Papa, das geht Dich nichts an. Das ist meine Sache!“. Frage an die große Tochter: „Wann bist Du gestern nach Hause gekommen?“ Antwort: Augenrollen und ein lang gezogenes, vorwurfsvolles „Papaaaa“ und ein Tritt gegen mein Schienbein von meiner Frau.

Manchmal lese ich schon vor dem Frühstück die Zeitung, direkt nachdem ich beim Bäcker war. Dann höre ich prompt aus der Wohnküche eine meiner Töchter, die ihre Mutter befragt: “Warum hilft der Papa eigentlich nie beim Tisch decken?“ oder, wenn ich nach dem Frühstück Zeitung lese: „Warum hilft der Papa eigentlich nie beim Tisch abräumen, sondern liest immer nur Zeitung?“

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