Claus-Peter Schaffhauser: L’État c’est moi

Meistens lese ich die Süddeutsche dann am Nachmittag. Zuerst lese ich den Wirtschaftsteil, ist fast noch ein bisschen arbeiten. Dann die Seite eins und hier insbesondere das Streiflicht. Manchmal lese ich auch ältere und alte Ausgaben, da die Süddeutsche eigentlich immer aktuell ist. In einer uralten Ausgabe las ich mit Interesse, dass das Verfahren gegen Josef Ackermann von der Deutschen Bank, gegen eine freiwillige Zahlung von 3,2 Millionen Euro eingestellt wurde. Herr Ackermann hatte freiwillig, zu Lasten der Aktionäre von Mannesmann, 57 Millionen Euro Erfolgsprämie verteilt. Das Geld ging nicht an irgendeinen armen Schlucker, nein, an einen bereits sehr wohlhabenden Esser. Zum Ende des Gerichtsverfahrens machte er den Churchill und formte das Zeichen für Victory mit dem Zeigefinger und Mittelfinger. – (Mittelfinger alleine wäre unpassend gewesen.) Selbstherrlich und staatstragend. Gesetze und Regeln gelten nur für das Fußvolk. Die Elite kauft sich frei.

Das wollte ich auch. L’État c’est moi – Der Staat bin ich.

Wir haben nun auch den Paragrafen 153 a der Strafprozessordnung eingeführt. Bei Verwendung von ausgesuchten und exakt definierten Schimpfwörtern müssen die lieben Kleinen freiwillig 20 Cent in die Schimpfkasse zahlen – die Eltern zahlen vorbildlich 50 Cent. Dank sehr guter Erziehung zahlt meine Frau so gut wie gar nichts ein, ich ab und zu.

Die Kronzeugenregelung haben wir sofort wieder abgeschafft, weil sich die Kinder permanent gegenseitig angeschwärzt hatten und danach gegenseitig der Lüge bezichtigten. Hier zu richten, wäre für Eltern tödlich gewesen. In diesen Tagen ging es jedenfalls sehr laut bei uns zu.  Petzer und Täter zahlten dann jeweils zu gleichen Teilen 10 Cent in die Kasse. Ergebnis: Es wird wesentlich weniger geschimpft. Die Stimmung ist schlecht. Der eingezahlte Betrag wird dann nochmals von mir nach 12 Monaten verdoppelt. So machen das Wohltäter immer. – Am Ende des Jahres werden wir wahrscheinlich in der Lage sein 3,2 Millionen Euro für wohltätige Zwecke zu spenden. Freiwillig natürlich.

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Über den Autor:

Claus-Peter Schaffhauser, L'État c'est moiClaus-Peter Schaffhauser war in mehreren Unternehmen verschiedener Branchen (Elektronik – Siemens, Informationstechnologie – HP, Befestigungstechnik – HILTI) in unterschiedlichen Führungspositionen tätig (u.a. EDV, Logistik, Vertrieb, Revision). Er berät seit 17 Jahren Kunden verschiedener Branchen in der Optimierung von Logistikprozessen (Lieferantenanbindung, Aufbau- und Ablauforganisation, Reklamationsmanagement) und in der Baustellenlogistik (Optimierung letzte Meile). In seiner Freizeit schreibt er Kolumnen und arbeitet als Künstler.

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