Claus-Peter Schaffhauser: Nur eine tote Maus ist eine gute Maus

… aus der Kolumne von Claus-Peter Schaffhauser: Nach dem letzten Beitrag „Allerorten drohnt Ungemach“ folgt heute: „Nur eine tote Maus ist eine gute Maus!“

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Das Leben auf dem Land kann herrlich sein. Klare Nächte. Reine Luft. Stille.

Plötzlich um zwei Uhr morgens dann das typische Beute-Miauen unserer kleinen Katze Stupsi, leider der beste Mäusefänger westlich des Rio Grande.

Dieses Geräusch lässt mich sofort im Bett hochfahren. Mit einem Schlag bin ich hellwach. Die Frage die sich nämlich sofort stellt, ist, lebt sie, oder lebt sie nicht. Die Beute.

Vorsichtig wird die Schlafzimmertür geöffnet, um meine Frau nicht auch noch zu wecken. Ein Blick auf den Flur: die Maus liegt auf der Seite, mausetot. Glück gehabt. Beruhigt schließe ich die Tür und will grade wieder einschlafen, als ich die schmatzenden, genießerischen Laute knackender Mäuseknochen höre. Unsere Katze meint, wir sollten auch etwas davon haben, wenn wir schon nicht mitessen, dann sollen wir es wenigstens hören, wie gut es schmeckt. Fehlt eigentlich nur noch, daß unsere Katze am Ende der Mahlzeit laut rülpst. Tut sie aber nicht. Ich möchte wieder einschlafen. Tu ich aber nicht. Das Adrenalin muss erst langsam wieder abgebaut werden.

Übrigens die Innereien lässt „man“ gerne blutverschmiert zurück. Innereien mag ich auch nicht. Da sind wir uns ja einig. *)

Wenn wir Stupsi tagsüber zu sehr verwöhnt hatten, oder ab der zweiten Maus, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Geschenke lebend überbracht werden und wir dann mit der Maus tun und lassen können, was uns gefällt. Stupsi ist da sehr großzügig und sehr ignorant. Verzweifelte Hilferufe werden mit einem hochgestellten Schwanz und einer kalten Schulter quittiert. Kurz hört man noch die Katzenklappe, dann bin ich mit der Maus allein

Jetzt heißt es schnell sein und die Zeit nutzen, in der die Maus noch gelähmt vor Schreck ist bzw. ihr Glück nicht fassen kann, nochmals mit dem Leben davon gekommen zu sein. Bewaffnet mit Stock und Plastikeimer und einem großen Blatt Papier, versuche ich die Maus in die Ecke zu treiben. Eimer drauf. Blatt drunter. Fenster auf. Maus raus. Geschafft.

Ich kann mich wieder hinlegen und die nächste Stunde darüber nachdenken, wie süß lebendige Mäuse sind und wie lange Adrenalin braucht, um völlig abgebaut zu werden. – ich hätte sicherlich auch die Fähigkeiten eines Elitesoldaten, obwohl ich eher nicht der eiskalte Killer bin. Leben und leben lassen – so verfahren wir auch bei den kleinen Mäusen, die ja wirklich sehr putzig aussehen, wenn sie Männchen machen.

Wenn die Hatz etwas länger dauert, merken die Gehetzten allerdings, dass sie es nicht mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun haben. Weder bin ich so schlank wie Stupsi, noch so gelenkig. Dann kann es schon mal länger dauern und auch etwas lauter werden. Meistens wacht dann auch meine Frau auf, vor allen Dingen, wenn der Platz neben ihr schon erkaltet ist. Man (hier: Frau) möchte dann schon gerne wissen, was nachts um drei im Badezimmer los ist. Zu zweit geht es dann auch viel besser – meine Frau und ich verstehen uns an der Stelle blind, wenn ich mit Stuhl und Peitsche versuche die Maus zu bändigen und meine Frau mit dem Plastikeimer jongliert.

Unsere Töchter sind uns an der Stelle leider keine große Hilfe. Nach einem längeren Kriegsrat hatten wir beschlossen, die Katzenklappe nachts zuzumachen. Raus: Ja. Rein: Nein. Stupsi fühlte sich dann genötigt via Pergola im ersten Stock am Schlafzimmerfenster unserer großen Tochter so lange Radau zu machen, bis die endlich aufgestanden war, um das Fenster zu öffnen. Leider war der Verstand der Tochter noch auf Stand-by geschaltet: die Katze wurde rein- und durch die Kinderzimmertür gleich wieder rausgelassen.

Stupsi hatte was sie wollte und ich wieder den Ärger.

Am nächsten morgen gab es dann noch einen empörten Anpfiff: Wenn wir die Katzenklappe nicht wieder öffnen würden, würde sie zu ihrem Freund ziehen. Das Kind ist noch nicht mal 16 Jahre alt!!! Die Katzenklappe wurde wieder aufgemacht, nicht ohne unsere Tochter daran zu erinnern, dass es eigentlich ihre Katze sei.

Aber was soll’s. Meine Tochter hatte eindeutig die besseren Argumente.

Tagsüber hatte ich einmal (und nie wieder) unsere jüngere Tochter gebeten, mir bei der Mäusejagd zu helfen. Es war Sonntag und sie hatte doch nichts Besseres zu tun. Die Antwort ließ mich wie versteinert zurück: „Papa, Du musst lernen auch mal Sachen alleine fertig zu bringen!“ Sprach’s und ging aus der Küche. Das Kind ist 12 und wird wahrscheinlich ihren 13ten Geburtstag nicht mehr erleben. – Aber zuerst musste dieser Hanta-Virus-Träger aus dem Haus geschafft werden. – Irgendwie habe ich es dann doch geschafft. Allein. – Da hatte also meine Tochter recht gehabt. Ich war stolz auf mich und schenkte der Maus und meiner Tochter das Leben.

Manchmal sehne ich mich nach dem Dreck der Großstadt zurück – aber nur manchmal.

P.S.

*) Für „Iiieeehh!!“ bin natürlich auch ich zuständig. Als ausgebildeter Einzelkämpfer (ehemaliger Single aus München), kann ich Blut sehen und entfernen, Kadaver komplett und in Einzelteilen entsorgen und bin auch für Spinnen aller Größen zuständig.

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Über den Autor:

Claus-Peter Schaffhauser war Claus-Peter Schaffhauserin mehreren Unternehmen verschiedener Branchen (Elektronik – Siemens, Informationstechnologie – HP, Befestigungstechnik – HILTI) in unterschiedlichen Führungspositionen tätig (u.a. EDV, Logistik, Vertrieb, Revision). Er berät seit 17 Jahren Kunden verschiedener Branchen in der Optimierung von Logistikprozessen (Lieferantenanbindung, Aufbau- und Ablauforganisation, Reklamationsmanagement) und in der Baustellenlogistik (Optimierung letzte Meile). In seiner Freizeit schreibt er Kolumnen und arbeitet als Künstler.

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