Das i-Dilemma! Über Ratlosigkeit, Verzweiflung und Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs

… aus der wöchentlichen Business-Kolumne von Ulrich B Wagner mit dem Titel „Me, myself and I – eine Reise in sich hinein und über sich hinaus„.

Heute:    Das i-Dilemma! … Über Ratlosigkeit, Verzweiflung und Männer
am Rande des Nervenzusammenbruchs

Das ist das wahre Wunder der Technik, dass sie das, wofür sie entschädigt, auch ehrlich kaputt macht.
Karl Kraus (1874-1936), österr. Kritiker, Satiriker, Essayist u. Dramatiker

Dass die Menschheit in diesem höchst instabilen und gefährlichen Zustand lebt und abhängig ist von einer Technik, die sie kaum noch durchschaut, ist keine zwangsläufige Folge der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung – es ist eine Folge des moralischen und politischen Entwicklungsstandes der Gesellschaft.
Joseph Weizenbaum (*1923), Mathematiker u. Informatiker am Massachusetts Institute of Technology

Das Gefährlichste an der Technik ist, dass sie ablenkt von dem, was den Menschen wirklich ausmacht, von dem, was er wirklich braucht.
Elias Canetti (1905-94), Schriftsteller span.-jüd. Herk., 1972 Georg-Büchner-Preis, 1981 Nobelpreis f. Lit.

„…? L D#ks_w~&)•û%$x ….. so ein Sch…..“

Ersparen Sie mir bitte eine genauere Übersetzung meiner einführenden Gedanken und Ausführungen. Denken Sie sich einfach Ihren Teil.

Eigentlich, ja, eigentlich wollte ich heute im Laufe dieses schönen Augusttages meine Kolumne in aller Ruhe und Gelassenheit schreiben und Sie mit einem leichten Sommerthema beglücken. Aber: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Nur noch schnell das neue iPhone mit dem MacBook verbinden und synchronisieren und im Anschluss dann rasch und frohen Mutes heran an das Thema dieser Woche. Soweit zu den guten Vorsätzen.

USB-Kabel eingesteckt… Nichts. Nichts als das große Schweigen. Na dann, ihr zwei Brüder im Geiste, dann halt über Bluetooth. Stört ja nicht weiter. Und, siehe da, Technik die begeistert. Die zwei kleinen iJungs erkennen und verbinden sich.

Unter iTunes dagegen das große Schweigen. Kein iPhone zu sehen. Nichts. Okay, vielleicht bin doch einfach zu doof. Für was gibt es denn  Google. Frage eingetippt: „iPhone verbindet sich nicht mit iTunes“, und los geht’s. Ich erspare Ihnen die Details von iTunes (Neustart, Deinstallation…). Und zum Schluss das vermaledeite falsche Zurücksetzen des mühevoll eingerichteten Telefons. Telefon????

Meine Nachbarn vermuteten aller Wahrscheinlichkeit nach eher ein unbekanntes Flugobjekt, das sich nunmehr in perfekter Fluglinie aus dem Fenster gen Garten entfernte. Mittlerweile war nämlich nicht nur das iPhone wieder jungfräulicher als eine Kartäusernonne, sondern auch meine gesamte Musiksammlung auf iTunes wie vom Erdboden verschwunden.

Die Sonne neigte sich dem Untergang und folgte leise und sanft meinem Gemüt.

Sie kennen wahrscheinlich alle so Ihre ganz eigene Geschichte zu den Tücken der Technik, und ich frage mich wirklich von Zeit zu Zeit, was uns früher wohl so auf die Palme zu bringen im Stande war wie heutzutage etwa blinkende Cockpits im Auto, gegen die die Bedienungselemente im guten alten Raumschiff Enterprise wie Kinderspielzeug anmuten, sprechende Waschmaschinen oder abstürzende Computer und Mobiltelefone, nach denen man sich neue Freunde und Bekannte suchen kann, da man mal wieder vergessen hat, die Kontakte irgendwo zu sichern. Verzweiflung pur, weil das Navigationssystem gerade kein GPS-Signal empfängt, oder auf der 4-spurigen A3 ohne Zittern in der Stimme bei 180kmh plötzlich „Wenn möglich, bitte Wenden“ meldet.

Irgendwie immer wieder erschreckend, dass man früher, in Zeiten des Drehscheibentelefons, ohne Adressspeicher und Anrufbeantworter überhaupt Freunde, Kontakte und Kommunikation hatte, vom Internet, den E-Mails, Facebook und sonstigem Schnickschnack ganz zu Schweigen.

Was haben wir eigentlich mit der ganzen Zeit angestellt, die uns die Technik ursprünglich einsparen sollte, um uns dann doch nur stundenlang zu beschäftigen und an den Rand der Verzweiflung zu bringen?

Auf Ihrem 78ten Geburtstag meinte meine Mutter doch neulich tatsächlich, wie ruhig und entspannt ich doch mittlerweile geworden wäre. Das Alter mag das eine oder andere bewirken, doch kennt man die Tücken des Computerzeitalters, erscheinen die ehemaligen Aufregungen analoger Kommunikation, und sei es auch mit der lieben Verwandtschaft, eher wie befreiende Frühjahrsspaziergänge….

Bestimmt möchte auch ich nicht die Uhren zurückdrehen. Auch ich schätze all die fantastischen Erleichterungen und Abkürzungen, die uns die neuen Technologien und insbesondere das Internet bieten. Alles zu seiner Zeit, und alles im richtigen Kontext. Das gilt für den Umgang mit den modernen Technologien, aber insbesondere auch die Form der Kommunikation, die wir schließlich wählen.

Ich schließe daher mit dem allseits bekannten Gelassenheitsgebet des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr: “God, grant me the serenity to accept the things I cannot change,/Courage to change the things I can,/And wisdom to know the difference.” und schau mal, wen ich so im Kaffeehaus treffe, bis ich meine Kontakte wiedergefunden habe und das Telefon wieder funktioniert.

In diesem Sinne wünsche ich uns Allen eine entspannte Woche und mehr „echte“ Kontakte.

Herzlichst Ihr Ulrich B Wagner

Zum Autor:

Ulrich B. Wagner, Jahrgang 1967, studierte Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main.

Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Kommunikation, Coaching und Managementberatung (ikcm) mit Sitz in Bad Homburg und Frankfurt am Main und gleichzeitig Dozent an der european school of design für Kommunikationstheorie sowie Werbe- und Konsumentenpsychologie.

Ulrich Wagner arbeitet als Managementberater und systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikations- und Rhetoriktrainings, Personalentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Website www.ikcm.de, via Mail uwagner@ikcm.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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