Das Kolumnending: Deutschland und die lästigen „Zigeuner“

… aus der wöchentlichen Kolumne von ElSchnuppero.

Der Ausdruck „Zigeuner“ diskriminiert. Und das nicht erst seit gestern, sondern seit vielen Jahren, in denen die verschiedenen Volksgruppen die darunter subsumiert werden, wie die Sinti, Roma, Jenischen, Lalleri oder Manusch, etlichen Restriktionen ausgesetzt sind.

Glücklicherweise leben wir aber in fortschrittlichen Zeiten, in denen die Diskriminierung von Minderheiten der Vergangenheit angehört. Schließlich hatte Angela Merkel höchstpersönlich Ende Oktober ein Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma eingeweiht und in einer Rede Wut und Scham über die Abscheulichkeit des Nationalsozialismus ausgedrückt. Zudem verwies sie mit von Gram gebeugter Stimme darauf, dass man in Deutschland alles für den Schutz dieser Volksgruppen tun werde. Blöd nur, dass es diese Message nicht mal bis zum eigenen Regierungskabinett geschafft hat.

Denn da gibt es einen Mann, dem die Roma und Sinti so gar nicht ins Konzept passen: Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Dieser monierte nämlich fröhlich von den vielen Wirtschaftsflüchtlingen, die aus Serbien und Mazedonien nach Deutschland strömen, um sich hier einen fetten Lenz zu machen. Klingt nach BILD-Rhetorik, oder?  Der Innenminister übersetzte diese Aussage für die Welt so: „Wer aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, soll künftig eine abgesenkte Barleistung erhalten“ Will heißen: Wenn in Deinem Land nicht Hitler oder Stalin regieren, hast Du hier keine Chance auf einen Neuanfang. Zudem bedauert der CSU-Politiker, dass es „wohl nicht möglich“ sei, ein Schnellverfahren für Asylanträge durchzusetzen, dass es möglich mache, die Sache in 48 Stunden zu regeln.

Wie immer in Flüchtlingsfragen ist die Politik schnell mit Ressentiments am Start, um das unliebsame Klientel fern der deutschen Heimat zu halten. Ähnlich wie zu Beginn der 1990er Jahre ist die Rede von Wirtschaftsflüchtlingen und von Asylmissbrauch. Man suggeriert der Bevölkerung, dass diese Menschen nach Deutschland kommen, um den guten deutschen Werksarbeiter das hart erwirtschaftete Bier wegzudrinken. Dies mag auf einen geringen Teil sogar zu treffen, gilt aber dem hingegen auch für viele Deutsche in den Aufsichtsräten dieser Republik. Zudem wird die Lage in den Ursprungsländern völlig eindimensional bewertet. Für die Union gilt dabei: Herrscht Frieden oder Krieg? Dass die spezielle Situation der Sinti und Roma in Serbien und Mazedonien von täglicher Repression und Diskriminierung geprägt ist, interessiert hier kaum jemanden. Diese Menschen werden dort täglich aufgrund ihrer Herkunft angefeindet und ausgegrenzt. Sie haben nur spärlichen Zugang zu Arbeit, Bildung oder ärztlicher Versorgung. Und sei das nicht genug, kommt dazu auch noch der Druck der Straße und des wütenden Pöbels, der Sündenböcke zum verkloppen sucht. Da mag es wie Hohn klingen, wenn Friedrich diesen Flüchtlingen jegliches Schutzbedürfnis abspricht und sie so stigmatisiert und pauschal abfertigt.

Ein Silberstreif mag die Aufnahme des Schutzes der Sinti und Roma in die Landesverfassung von Schleswig-Holstein sein. Der Beschluss wird in der nächsten Woche aller Wahrscheinlichkeit nach mit überwältigender Mehrheit gefasst. Nach den Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und SSW sowie FDP und Piraten hat auch die CDU-Fraktion Zustimmung angekündigt. Dennoch täuscht es nicht darüber hinweg, dass die öffentliche Diskussion dieselben Grundzüge aufweist, wie sie es kurz nach der Wiedervereinigung getan hat. Dabei fanden erst kürzlich die Gedenkveranstaltungen für die abscheulichen Angriffe gegen die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter in Rostock Lichtenhagen statt.

Und dennoch hat man den Eindruck, dass die deutsche Öffentlichkeit wieder nichts dazu gelernt hat.

Erst kürzlich hat der NDR eine Reportage über den Umgang der Stadt Wolgast und seinen Anwohner gegenüber 24 Asylanten gesendet. Die Reportage findet sich hier.

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