Der Hochgeher – Aufgepasst, sonst knallt’s!

… aus der wöchentlichen Kolumne „Ich bin total beliebt, es weiß nur keiner“ vom Speaker, Trainer, Impro-Comedian und Moderator Ralf Schmitt. Nachdem Sie im vergangenen Beitrag erfahren haben, warum Sie dem ewigen Entertainer auch einmal „Halt die Klappe!“ entgegenbrüllen dürfen, geht es heute um den Kollegen Hochgeher und wie Sie mit diesem auch ohne Ausbildung beim Minenräumkommando zurechtkommen.

Ein Gefecht, das Sie nur verlieren können

Liebe Leser, kennen Sie diese Situation: Sie betreten das Büro eines Kollegen und fühlen sich von dem Moment an, in dem Sie über die Schwelle gehen, als ob Sie mit Glasknochenkrankheit auf einem Minenfeld spazieren? Überlegen Sie sich auch bei einigen Mitarbeitern schon im Vorfeld, wie Sie bei Kritik in höchstem Maße sensibel, behutsam und taktisch klug vorgehen, weil jeder noch so kleine verbale Fehltritt zu einer Detonation führen könnte? Wenn Sie bei dieser Gattung die Sachebene verlassen, selbst aus der Haut fahren oder sich persönlich angegriffen fühlen, wird aus einem Gespräch ganz schnell einmal ein Gefecht, das Sie nur verlieren können.

Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, in Ihrer Firma hat man ein neues Produkt entwickelt, auf das die Entwickler ganz besonders stolz sind. Leider ist das Produkt nur in der Theorie famos. Die Handhabung erweist sich als völlig praxisfremd. Die Beschwerden darüber stapeln sich auf Ihrem Tisch und es bleibt Ihnen nichts weiter übrig, als genau dieses Thema beim Leiter der Ideenkünstler anzusprechen.

Wie ein trotziges Kind

Sie wagen sich also in die „Hölle“ des Löwen und bitten um einen Moment seiner wertvollen Zeit. Widerwillig räumt Ihr Gegenüber Ihnen das Gewünschte ein. Wie vorab geplant, weisen Sie, ganz handzahm, zunächst einmal auf die Vorzüge dieser „Weltneuheit“ hin. Dann erklären Sie, dass die Kunden leider das ein oder andere Problem in der Praxis angemeldet haben. Trotz Ihres strategisch äußerst klugen Vorgehens, passiert genau das, was Sie vermeiden wollten. Der Kollege, ich nenne ihn hier mal „Hochgeher“, explodiert und die Kleinteile seiner Bombe verteilen sich auf alle Mitarbeiter der Firma.

Ihre Unfähigkeit das Produkt richtig zu vermarkten wird ebenso erwähnt wie die Unzulänglichkeit des Vertriebs, den Kunden die korrekte Handhabung nahe zu bringen. Den Pfeifen aus der Chefetage fehlt der Glaube an das Produkt und das Controlling hat selbstverständlich den Etat für die Produktweiterentwicklung so weit gekürzt, dass eben auf angemeldete Verbesserungen verzichtet werden musste. Phrasen wie „dann stampfen wir das Produkt eben ein“ oder „Sie können dann dafür gerade stehen, dass die Firma in diesem Jahr in die roten Zahlen rutscht“, sind keine Seltenheit. Die Haltung des „Hochgehers“ erinnert an ein trotziges Kind, dem Sie gerade erklärt haben, dass der Lippenstift, der so schön nach Kirsche duftet, keine Alternative zum Gemüseteller vom Mittagstisch darstellt.

Eine Ausbildung beim Minenräumkommando

Wenn Sie an dieser Stelle jetzt ganz im Gedanken aus einem Malus einen Bonus zu machen noch eine konkrete Produktverbesserung vorschlagen, dann gnade Ihnen Gott. Schließlich fällt das nicht in Ihren Fachbereich, Sie haben davon ja keine Ahnung. Wenn Sie Ihren Job richtig machen würden, dann müsste diese zeitraubende Unterhaltung noch nicht einmal geführt werden. …

Um dem Hochgeher adäquat gegenüber zu treten, empfehle ich eine Ausbildung beim Minenräumkommando. Sollten es trotz Ihrer minutiöser Vorbereitung auf das Zusammentreffen, fehlerfreiem Vorgehen gepaart mit einer gesunden Portion Selbstaufgabe und -verleugnung zur Explosion auf dem Minenfeld kommen, empfehle ich: Einmal tief durchatmen und darauf achten, dass Ihr Atmen nicht als eine Geste der Missbilligung verstanden wird. Wenn Sie dann noch geduldig warten, bis sich der Rauch verzogen hat und im „Beschreiben nicht Bewerten-Modus“ bleiben und sich auf der Sachebene bewegen, wird sich der Hochgeher entweder wutschnaubend zurückziehen oder Sie können sich von nun an vernünftig mit ihm unterhalten.

Der Hochgeher – hart in der Form, weich in der Sache

Bleiben Sie dabei hart in der Sache, aber weich in der Form. Sie bleiben sich also inhaltlich treu, tun dies aber in wertschätzender, respektvoller Art und Weise. Denn von ihm können Sie nur das Umgekehrte erwarten. Um sein Gesicht nicht zu verlieren, legt er Ihnen wahrscheinlich in den nächsten Tagen eine Produktvariation auf den Tisch, die Sie sich gewünscht haben. Er ist also weich in der Sache, gibt ihrem Wunsch nach Veränderung nach. Da die Idee dann jedoch von ihm kam und nicht von Ihnen, bleibt er hart in der Form.

Sollten Sie selbst ein „Hochgeher“ sein, rate ich zur 24-Stunden-Lösung. Nehmen Sie sich 24 Stunden Zeit und überlegen Sie sich, wie das Problem nach dieser Zeit aussehen mag. Wenn Sie es schaffen, den Blick in die Zukunft zu wagen, geht Ihnen schnell auf, dass nur selten so heiß gegessen, wie gekocht wird. Mit ein wenig zeitlicher und emotionaler Distanz, löst sich so manche Drucksituation in Luft auf.

Ralf Schmitt, Kollegen
Experte für Spontaneität, Improvisation und Interaktivität. (Foto: © Ralf Schmitt)

Über Ralf Schmitt:

Ralf Schmitt arbeitet seit mehr als 15 Jahren erfolgreich als Speaker, Trainer, Impro-Comedian und Moderator. Er gilt als Experte für Spontaneität und Interaktivität, hat die Methode der Navituition® entwickelt und ist Mitglied der German Speakers Association. Schmitt ist branchenübergreifend tätig und kennt die deutsche Wirtschaftslandschaft aus dem Effeff. Seine inhaltliche Mitarbeit im Vorfeld und seine Auftritte bei unzähligen Tagungen und Kongressen geben ihm eine externe Sichtweise auf innerbetriebliches Geschehen und Veränderungsprozesse in Unternehmen verschiedener Größenordnungen. Darüber hinaus ist er Autor der Bücher „Ich bin total spontan, wenn man mir rechtzeitig Bescheid gibt“ und „Ich bin total beliebt, es weiß nur keiner“.

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