Der Mindestlohn am Beispiel Dachdeckerhandwerk: Auswirkungen auf Beschäftigung, Arbeitnehmerschutz und Wettbewerb

Bodo Aretz, Melanie Arntz, Terry Gregory und Christian Rammer vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) haben die Wirkung des Mindestlohns am Beispiel des Dachdeckerhandwerks analysiert.


Das
Wichtigste in Kürze

In der Dachdeckerbranche wurde 1997 ein allgemeinverbindlicher Mindestlohn eingeführt, der seitdem mehrfach erneuert und angehoben wurde und im Jahr 2011 10,80€ betrug. Als erste Branche wies das Dachdeckerhandwerk zudem ab 2003 einen bundeseinheitlichen Mindestlohn auf. Diese besondere Situation führt zu einer in Ostdeutschland sehr hohen Betroffenheit vom Mindestlohn; etwa 50% der ostdeutschen gewerblichen Beschäftigten der Branche erzielen einen Verdienst zum Mindestlohnniveau. Die Höhe des Mindestlohns gemessen am Medianlohn der Branche ist damit so hoch wie in keiner anderen Branche in Deutschland.

Auf der Basis von Differenz-von-Differenzen-Schätzungen sowohl im Vergleich zu einer nicht voneinem Mindestlohn betroffenen Baunebenbranche als auch auf Basis eines Vergleichs von unterschiedlich stark durch den Mindestlohn betroffenen Beschäftigten des Dachdeckerhandwerks werden in diesem Beitrag die kausalen Wirkungen im Hinblick auf Beschäftigung, Arbeitnehmerschutz und Wettbewerb untersucht. Für diese Analysen steht mit den administrativen Arbeitnehmer-Arbeitgeberdaten der Bundesagentur für Arbeit, dem Mannheimer Unternehmenspanel des ZEW sowie der Vollerhebung der Beschäftigten des Dachdeckerhandwerks durch die Lohnausgleichskasse des Dachdeckerhandwerks eine sehr gute Datengrundlage zur Verfügung. Insbesondere kann die Betroffenheit vom Mindestlohn wesentlich genauer festgestellt und für kausale Wirkungsanalysen genutzt werden, als dies in Studien für andere Branchen möglich war.

Die Ergebnisse der Evaluation zeigen, dass es vor allem in Ostdeutschland mindestlohnbedingt zu deutlichen Stundenlohnzuwächsen für die unteren Dezile der Lohnverteilung kam. Diese Lohnzuwächse übersetzten sich nur teilweise in Einkommenszuwächse, da die Arbeitsstunden der vom Mindestlohn betroffenen Beschäftigten im gleichen Zeitraum tendenziell sanken. Zudem stehen den Einkommenszuwächsen der vom Mindestlohn betroffenen Beschäftigten Einkommensverluste seitens der oberen Lohndezile gegenüber. Dies trug möglicherweise dazu bei, dass sich zwar die Beschäftigungschancen der mindestlohnbedingt verteuerten Arbeitskräfte verschlechtert haben, die Gesamtbeschäftigung jedoch vermutlich unverändert blieb. Eindeutige Wettbewerbswirkungen ließen sich nicht nachweisen, wenngleich sich für Ostdeutschland eine gewisse Verschiebung der Unternehmensstruktur in Richtung Ein-Personen-Unternehmen zeigt. Zudem gibt es Hinweise dafür, dass die mindestlohnbedingten Kostensteigerungen zumindest teilweise über höhere Preise an die Kunden weitergegeben wurden.

Insgesamt können die Ergebnisse nicht als wahrscheinliche Wirkungen eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns interpretiert werden, sondern spiegeln die Besonderheiten der Branche und das aktuelle Marktumfeld wider. Mit veränderten Rahmenbedingungen können sich auch die hier gezeigten Wirkungen des Mindestlohns verändern.

-> Link zu der vollständigen Analyse des ZEW (43Seiten)

(ZEW 2012)

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