Der NSU-Prozess: Eine Nation beruhigt sich selbst

… aus der wöchentlichen Kolumne von ElSchnuppero.

Nachdem das Oberlandesgericht München in den vergangenen Wochen aufgrund des Akkreditierungsprozesses für Journalisten heftig kritisiert wurde, hat das Gericht nun eingelenkt und den Beginn des Verfahrens gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe auf den 6.Mai verschoben. Doch was wird nun im Prozess passieren?

Sicher, die Staatsanwaltschaft wird versuchen zu beweisen, dass Zschäpe an den Morden ihrer zwei Nazikollegen beteiligt war, während die Angeklagte wahrscheinlich die meiste Zeit stumm herumsitzen wird. Am Ende wird es einen Schuldspruch geben und Zschäpe verschwindet für eine lange Zeit hinter schwedischen Gardinen – nun, wenigstens handelt es sich nach Zschäpes Willen um arische Gardinen.

Doch was wird der gesamte Prozess für die deutsche Nation bedeuten? Wird es ähnlich ablaufen wie in Norwegen, wo die Justiz mit einem Plus an Transparenz dafür sorgte, dass das gesamte Land am Verfahren gegen den Geistesbruder Zschäpes, Anders Breivik, teilhaben konnte. Ganz Norwegen hatte nach dem Massenmord auf Utoya auf Wiedergutmachung gehofft. Natürlich kann ein Gerichtsprozess die Wunden nicht schließen, die ein waffenstarrender Nazi verursacht hat, aber es hat die Schmerzen gelindert und die norwegische Nation ist in diesem Zusammenhang enger zusammengerückt.

In Deutschland hingegen baut sich erst einmal die Bürokratie auf, um zu verhindern, dass ein solch delikater Fall („Wie in den Vorjahren waren auch 2009 in Deutschland keine rechtsterroristischen Strukturen feststellbar. In der rechtsextremistischen Szene liegen weiterhin keine Hinweise darauf vor,dass eine ernsthafte Diskussion über die Anwendung terroristischer Gewalt geführt wird.“ Verfassungsschutz-Bericht 2009) die etablierten Strukturen auch nur antasten kann. Die Posse am OLG München, wo das bayerische Selbstverständnis von Bürokratie, Moral und Ethik für Kopfschütteln im Dauerakkord sorgte, ist nur ein kleiner Teil des gesamten Bildes.

Vielmehr passiert in den Organen nicht, die dafür gebildet worden sind, die Fehler im Umgang mit dem NSU aufzuarbeiten. Ganze Generationen leiden hier an Gedächtnisverlust, dem schwarzen Peter ist mittlerweile rund um die Uhr schwindelig, weil er ständig den Besitzer wechselt und Polizei und Verfassungsschutz generieren sich als Opfer der erbosten Öffentlichkeit. Willkommen in Deutschland.

Es scheint viel wichtiger geworden zu sein, die Verantwortung für das Geschehene zu determinieren, als dafür zu sorgen, dass die Opfer dieser braunen K*ckbande endlich einen Abschluss finden können. Oder sich damit zu beschäftigen, dass eben eine solche Tragödie nicht noch einmal passieren kann. Aber noch vor dem Beginn des NSU-Prozesses verfällt die deutsche Landschaft wieder in alte, geliebte und plattgelegene Verhaltensmuster: Verneinen, leugnen und wegschauen.

Wenn irgendwo ein Nazi den Arm hebt, dann ist er ein betrunkener Einzelfall, der nur Dampf ablassen will. Das hat keinen politischen Hintergrund. Wenn irgendwo eine Nazibande Menschen zusammenklopft, weil sie nicht in deren Weltbild passt, dann ist das eine Rivalität unter Jugendlichen. Das hat keinen politischen Hintergrund. Wenn irgendwo Nazis eine Demonstration veranstalten, dann ist das nur ein kurzes Ärgernis für die entsprechende Stadt, denn die Nazis sind ja friedlich und verschwinden bald wieder. Das hat keinen dauerhaften politischen Hintergrund.

Der NSU-Prozess wird das gesamtdeutsche Gewissen wieder einmal beruhigen. Wir sind immer noch die Guten. Wir können die Augen wieder bis zur nächsten Weltmeisterschaft schließen.

Kein Grund zur Sorge, Deutschland, denn Weltmeister werden wir sowieso. Unabhängig davon wieviele Nazis wir füttern.

In diesem Sinne

Gez.: ElSchnuppero

Kennen Sie schon die Leinwände von Inspiring Art?