Deutschland fördert Energiewende in Marokko

Die KfW Entwicklungsbank, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das Bundesumweltministerium (BMU) unterstützen mit einem Darlehen über 115 Mio. Euro (100 Mio. BMZ/KfW, 15 Mio. BMU) die Errichtung eines ersten großen solarthermischen Kraftwerks in Marokko. Der Standort ist die Stadt Ouarzazate, am nördlichen Ausläufer der Sahara. Mit etwa 2.600 kWh/m² liegt die jährliche Sonneneinstrahlung hier ca. 30 Prozent höher als an den besten europäischen Standorten. Weitere Partner des Projekts sind die Europäische Kommission, die Europäische Investitionsbank (EIB), die französische Entwicklungsbank Agence Française de Développement (AFD) sowie die Weltbank und die Afrikanische Entwicklungsbank. Das Kraftwerk wird Strom für rund 530.000 Menschen erzeugen und gegenüber der konventionellen Stromerzeugung jährlich rund 310.000 Tonnen CO2 vermieden.

Bild: Moroccan Investment Development Agency

Das Kraftwerk mit Parabolrinnenkollektoren soll zunächst über eine Leistung von 160 MW verfügen. Die Investitionskosten für diese erste Phase belaufen sich auf rund 750 Mio. Euro. In einer zweiten Ausbauphase soll am am Standort Ouarzazate insgesamt eine Gesamtkapazität von 500 Megawatt installiert werden. Durch die in das Kraftwerksdesign integrierten Speicherkapazitäten (Speicherung der Wärme in flüssigem Salz) kann der Betrieb auch noch bis zu drei Stunden nach Sonnenuntergang fortgesetzt werden, so das konstanter Grundlaststrom produziert werden kann, als bei der Photovoltaiktechnologie. Durch die bessere Verfügbarkeit des Stroms kann der Nachteil der derzeit noch teureren Betriebskosten ausgeglichen werden. Solarthermische Kraftwerke sind damit die einzigen Sonnenkraftwerke, die grundlastfähigen regenerativen Strom erzeugen können. Der somit erzeugte Strom ist für die Netzbetreiber deutlich wertvoller: In Marokko zahlt der Energieversorger für PV-Strom umgerechnet acht Eurocent pro Kilowattstunde, für den regelbaren Strom aus Solarthermischen Kraftwerken sind es zwölf Cent.

Energiepolitik

Derzeit ist Marokko im Energiesektor – anders als seine nordafrikanischen Nachbarn Algerien und Lybien – noch nahezu vollständig von Einfuhren abhängig. Die erneuerbaren Energien decken gegenwärtig nur rund 5% der Stromerzeugung. Bislang war das Ausbauziel 20% bis 2020. Mittlerweile wurde die Zielmarke bereits auf 42% angehoben. Das Potential für Windenergie entlang der langen Küsten am Atlantischen Ozean und dem Mittelmeer sowie für Solarstrom (Solarthermie und PV) aus der Wüste im Landesinneren sind enorm. Mit den ambitionierten Plänen zur regenerativen Selbstversorgung gilt Marokko als Pionier für Erneuerbare Energien in Nordafrika. Marokko verfügt derzeit auch über die einzige existierende Stromleitungsverbindung vom Maghreb nach Europa, wodurch sich das Land auch für den Start der ambitionierten Desertec-Projekte empfiehlt. Mit Deutschland wurde kürzlich eine Energiepartnerschaft geschlossen (die gemeinsame Absichtserklärung der bilateralen Energiepartnerschaft steht zum Download auf der Website des Bundeswirtschaftsministeriums bereit).

Hintergrundinformationen zu Marokko

Marokko ist eine konstitutionelle Monarchie, allerdings mit starken Vorrechten des Königs Mohammed VI, der seit 1999 das Land regiert. Dieser sieht sich als direkten Nachkommen des Propheten Mohammed und ist als „Anführer der Gläubigen“ nicht nur weltlicher, sondern auch geistiger Führer seines Landes. Das Land mit 32 Millionen Einwohnern ist aufgrund des seit Jahrzehnten schwelenden Westsahara-Konflikts als einziges afrikanisches Land nicht Mitglied der Afrikanischen Union (AU). Die Region Westsahara wurde nach dem Abzug der Kolonialmacht Spanien von Marokko besetzt und annektiert (1976/79). Aufgrund des Rohstoffreichtums des Gebietes brach daraufhin ein bis heute ungelöster Konflikt aus. Hier liegt eines der größten Phosphat-Vorkommen der Welt. Phosphat ist für Kunstdünger unerlässlich und aufgrund der begrenzten Weltvorräte und der steigenden Weltbevölkerung mittlerweile von strategischer Bedeutung ist.
Marokko und das von ihm besetzte Westsahara halten zusammen 32% der Weltvorräte, nur China besitzt mit 37% mehr. Zusammen mit Südafrika und Jordanien halten die vier Länder rund 80% der nutzbaren Phosphatvorräte weltweit. Aufgrund der steigenden Nachfrage könnten die weltweit bekannten Reserven in Höhe von 17 Millionen Tonnen laut dem Stockholm Environment Institute bereits in 50 Jahren aufgebraucht sein, die University of Technology in Sidney geht sogar von nur 20 Jahren aus. Johan Ebenhöch, Produktionsleiter für Mineraldünger bei BASF rechnet hingegen inklusive bislang unrentabler Lagerstätten mit 300 bis 400 Jahren. Europa selbst ist zu 90% auf Phosphat-Importe angewiesen.

Marokko wird zusammen mit Südafrika, dem westafrikanischen Ghana, Ägypten und Tunesien als einer der fünf afrikanischen Löwen bezeichnet – in Anlehnung an die vier asiatischen Tigerstaaten, den aufstrebenden Schwellenländern Südkorea, Taiwan, Singapur und der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong, die in den 1980er und 1990er Jahren rasant zu den westlichen Industrienationen aufschließen konnten. Die fünf afrikanischen Löwen belegen im afrikanischen Vergleich in den Teilbereichen Wirtschaft, Politik/Rechtssicherheit, Lebensbedingungen und Bevölkerungspotenzial die vordersten Plätze.

Das BIP pro Kopf betrug in Marokko 2.276 Euro in 2011, die Arbeitslosigkeit rund 10%. Übergeordnetes wirtschaftspolitisches Ziel ist die Modernisierung des Landes von einem landwirtschaftlich geprägten Entwicklungsland zu einem Schwellenland mit dem Fokus auf einen regionalen Dienstleistungssektor für das frankophone Nord- und Westafrika. Als Grundlage hierfür soll der Aufbau einer modernen Verkehrsinfrastruktur erfolgen, entsprechende Großprojekte sind beispielsweise die geplante TGV-Verbindung zwischen Tanger und Casablanca sowie ein Ausbau der Hafeninfrastruktur. Vor den Eindrücken der demokratischen Umwälzungen in den nordafrikanischen Nachbarländern im vergangenen Jahr (Tunesien, Ägypten, Libyen) kam es zu zögerlichen demokratischen Reformen, am 1. Juli 2011 wurde dann per Referendum eine neue Verfassung angenommen, in der der König aber weiterhin deutliche Vorrechte genießt. Dabei steht der König als Unternehmer allein für eine Wirtschaftskraft von rund 6% der marokkanischen Wirtschaft. Hinzu kommen noch seine Vertrauten, Verwandten und Günstlinge, unter denen es ebenfalls einige Milliardäre gibt. Bereits sein Vater Hassan II. wurde noch zu dessen Lebzeiten auf rund 42 Milliarden Dollar geschätzt, er besaß zehn Paläste und 20% des landwirtschaftlich nutzbaren Landes.

(mb)

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