Deutschland und Türkei unterzeichnen Abkommen für mehr Polizeigewalt

… aus der wöchentlichen Kolumne von ElSchnuppero.

Stop! Stop! Stop! Bevor Sie nun wie wild in den Keller stürmen und dort Ihre alte „Paintball-Ausrüstung“ hervorkramen, um sich dem bewaffneten Widerstand anzuschließen, lassen Sie mich kurz richtig stellen: Es existiert natürlich kein solches offizielles Abkommen. Aber nichtsdestotrotz ist es doch erstaunlich, wie sich an einem Wochenende die Bilder aus zwei fortschrittlichen Rechtsstaaten, eines mit einer christlich-konservativen und das andere mit einer islamisch-konservativen Regierung, so sehr ähneln.

Nur leider sind die Bilder aus Frankfurt in den Fluten der mitteldeutschen Gewässer und der polizeilichen Gewalt der türkischen Cops untergegangen. Doch was war eigentlich in der Bankenzentrale am Main passiert?  In Frankfurt am Main wurde am vergangenen Wochenende mal wieder für „Ordnung“ gesorgt. In der Stadt verteidigten prügelnde, pfeffersprayende Polizisten das Bankenviertel gegen Demonstranten, die meinten, es sei an der Zeit, die Gesellschaft gegen die herrschende Unordnung der Kapitalmärkte und gegen deren Folgen zu verteidigen. Die Frankfurter Rundschau wusste auch um die Begründung: Unbeeindruckt von Gerichtsurteilen zu Gunsten der Demonstrationsfreiheit entschieden sich die Verantwortlichen in Stadt und Land, den Finanzkapitalismus in der Bankenstadt gegen jede auch nur symbolische Störung zu verteidigen – wie immer mit der falschen Rechtfertigung, auf die paar Irren, die mit Farbbeuteln oder Pyrotechnik hantierten, habe man nicht anders reagieren können. Doch Prügel und Pfefferspray reichte dem deutschen Ordnungssinn nicht zur Genüge. Die Polizei entschied sich dafür, einfach einen Teil der Demonstration das Demonstrationsrecht abzusprechen. Kaum hatte sich nämlich der Zug mit etwa 20.000 Menschen auf den Weg gemacht, stießen Beamte in einen Block von Demonstranten vor und kesselten gut 900 von ihnen ein. Danach stand der ganze Zug über Stunden auf der Stelle. Aus dem Kessel wurden die letzten Teilnehmer erst nach neun Stunden entlassen. Neun Stunden in einem Kessel – ohne Verpflegung, Ruhemöglichkeiten oder Zugang zu einer Toilette. Da kann sich jeder ein eigenes Bild malen.

Als Begründung gab die Polizei an, die Aktivisten, die ihrer Auffassung nach größtenteils der linksradikalen Szene angehören, hätten sich mit Regenschirmen und Sonnenbrillen vermummt und auch sonst gegen Auflagen verstoßen. In der Regel ist es ja so, dass nach einer eskalierten Demonstration verschiedene Mechanismen greifen. Die Demonstranten schreien Polizeigewalt, während die Polizei ebenso schnell in die Opferrolle schlüpft. Früher glaubte die Republik der Polizei. Doch das änderte sich spätestens mit Stuttgart 21 und den Bildern von blutenden Rentnern. Seither hat sich ein neues Bewusstsein gebildet und die blau-weiße (früher grün-weiße) Staatsmacht wird kritisch beäugt und – noch wichtiger – man glaubt ihr nicht mehr jede Propagandafloskel. Selbst die FAZ,  jene Zeitung, die Blockupy 2012 in manchen Berichten als „kriminell“ und seine Aktivisten als „Chaoten“ bezeichnete, schreibt nun über eine Demo, die „von der Polizei gewaltsam aufgelöst“ wurde – während das Verhalten der Protestierer bis zum Einschreiten der Polizei von Gewalttätigkeiten „weit entfernt“ gewesen sei.

Doch auch nach Beendigung dieser gewalttätigen Staatsposse war das Schauspiel noch nicht vorbei. Am Montag rechtfertigten nämlich Hessens Innenminister Boris Rhein und Polizei-Einsatzleiter Harald Schneider auf einer Pressekonferenz die Strategie der Polizei – und mussten sich auch von den Journalisten schwere Vorwürfe gefallen lassen. Doch zu dieser PK lassen wir einfach ein paar Tweets anwesender Journalisten sprechen:

Das alles erscheint dem Beobachter schon reichlich unrechtsstaatlich und makaber. Aber Regierungssprecher Steffen Seibert schoß mit einem Tweet, in dem die Türkei zur Wahrung der Demonstrations- und Meinungsfreiheit aufgefordert wurde, den Vogel ab.

Mal wieder hat sich die deutsche Polizei von ihrer besten Seite gezeigt und immer noch weigert sich die CDU, die Polizei unter Aufsicht zu stellen, geschweige denn so etwas simples wie eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten einzuführen. Vielmehr können die Berufsprügler straffrei völlig willkürlich das Grundgesetz mit Füßen treten. Ich frage mich, woher wir die Legitimation nehmen, anderen Staaten den moralischen Zeigefinger vorzuhalten.

In diesem Sinne

 

Gez.: ElSchnuppero

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