Die Welt dreht sich um die Axt: Katastrophen wohin man blickt

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Die Katastrophe scheint wie ein Menetekel über unserem Alltag zu schweben. (Bild: © Jörg Simon)

Katastrophen, wohin man blickt. Der eigene Alltag: voller Katastrophen, quasi von morgens bis abends. Schaltet man Fernseher, Radio oder Internet an, wird es nicht besser: auch das Weltgeschehen ist voller Katastrophen – humanitär, finanziell, moralisch. Vor allem für die Alltagskatastrophen gilt: Konstruieren wir uns die nicht selbst? Und wie können wir den ganzen Katastrophen zumindest eine Zeit lang entfliehen?

Ulrich B Wagner weiß die Antwort: Kaufen Sie sich ein lustiges Buch, seien Sie medienabstinent und lachen Sie mal wieder so richtig!

Katastrophen: Unterwegs zum finalen Untergang

In der antiken Tragödie bezeichnete bekanntlich die Katastrophe die abschließende Wende zum finalen Untergang. Wir stolpern von einer zur nächsten, keine „Kataströphchen“: keine artifiziell aufgeblasenen Seelenwehwehchen frustrierter, gelangweilter und desillusionierter Mitteleuropäer in der Midlife-Crisis, die aus eigener Seelenleere irgendwelche Hirngespinste, Horrorszenarien oder  selbstgemalte Katastrophen an den Himmel pinseln.

Wenn man sich wirklich die Zeit nimmt und sich einmal den Informationsmüll, dem wir täglich ausgesetzt sind, aus den ermüdeten Augen reibt, erkennt man, das wir in einem katastrophalen Chaos leben, oder einer nicht enden wollender Abfolge chaotischer Katastrophen. Oder doch nur einer Ansammlung „selbstkonstruierter“ Katastrophen, die ungerufen aus dem Gutgemeinten entfleuchen, wie des Zauberlehrlings Besen und uns gar nicht mehr brauchen, um sie auch noch warnend an den herbstlichen Abendhimmel zu projizieren?

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Die düsteren Wolken der Katastrophe verdunkeln unseren Alltag. (Bild: © Jörg Simon)

Schon wieder Katastrophe…!

Es nervt, wenn einem angeblich einfach nix anderes mehr einfällt angesichts seiner wöchentlichen Kolumne als Katastrophen.

Katastrophen, nichts als Katastrophen, hier noch eine, da dann auch noch eine, eine kleine, eine große, eine bunte, eine dicke, eine dünne, eine runde, eine dreieckige. Willkommen im Panoptikum des neuzeitlichen Katastrophenausverkaufs. Mittlerweile kriegt man sie an jeder Ecke, in jedem Zustand, alt oder neu, getragen oder ungetragen. Wir sind einfach katastrophenmüde, voll bis oben. Schalte ich die Medien an, erregt sich in meiner Bauchgegend mittlerweile das Gefühl, als hätte ich vier Wochen, 24 Stunden Testessen bei McDonald’s hinter mir und kein Klo in Sicht.

Mit Verlaub, unsere Geistesgeschichte ist voll davon, Untergangsszenarieren, Höllenqualen, Verwerfungen und Auslöschungen. Manchmal lässt sich halt grandios philosophieren angesichts der nahenden Götterdämmerung. Manchmal hängt es einem jedoch nicht nur zum Halse raus, sondern man hat wirklich Angst.

Doch Rettung naht.

Falls es Ihnen ähnlich geht, schalten Sie doch einfach mal heute pünktlich zum Feierabend den ganzen medialen Quatsch aus und kaufen sich im nächsten Buchladen, falls es soetwas in ihrer Gegend noch geben sollte, mal wieder ein Buch und legen sich das ganze Wochenende fern des weltlichen Tosens auf die heimelige Couch und lachen.

Lachen ist ja bekanntermaßen immer gut. Wenn man dann auch noch über sich selbst schmunzeln kann – was will man mehr?

Lachen ist die beste Medizin.

Lachen tut gut, Lachen entspannt und macht den Blick frei.

Doch der Reihe nach. Vor kurzem haben die beiden Spiegelredakteurinnen Lena Greiner und Carola Padtberg-Kruse ein Buch herausgebracht: Nenne drei Nadelbäume: Tanne, Fichte, Oberkiefer – Die witzigsten Schülerantworten, (erschienen bei Ullstein Taschenbuch für 9,99 €)

Vorausgegangen war den beiden Damen eine grandiose Erkenntnis.

Denn vielleicht ist es bei Schülern nicht anders als in der Politik oder auch andersherum? Sei es drum. Einverstanden – vielleicht nicht so offensichtlich wie im Moment, aber Parallelen gab es schon zu meiner Schulzeit, doch in diesem grandiosen Ausmaß?

Nehmen wir nur das Fach Erdkunde, das den meisten Schülern heutzutage (war es nicht immer schon so?) höchstens Grundkenntnisse in Geografie vermitteln kann, denn es lehrt andere erkenntnisreiche Lektionen: etwa wie viel Energie man aufwenden muss, um es gerade noch durch die Klausur zu schaffen. Wie man es schafft, sich die Namen von Flüssen, Gebirgen, Städten und Ländern einzuhämmern, obwohl es einen nicht die Bohne interessiert (ein Problem, das auch noch ausgewachsene Politiker hier und da treffen kann).

Ihre Wissenslücken bügeln Schüler durch Einfallsreichtum locker wieder aus. Wie die Großen machen es halt auch  die Kleinen. Ich habe zwar keine Ahnung – labern kann ich aber dafür umso besser und das dann auch noch im Duktus des Hochgebets, unumschränkter Gewissheiten und Weltwahrheiten. Die skurrilsten Antworten und Stilblüten von Schülern, die sie von Lehrern zugesandt bekamen, präsentieren die beiden Autorinnen nun in Buchform.

Ich mach mir die Welt…

Die Welt entsteht in unserem Kopf. Die neurobiologische Forschung spricht von uns Menschen, in Begrifflichkeiten von geschlossenen, operativen Systemen, die sich aufgrund von Vorannahmen die Realität zimmern, konstruieren oder entwerfen. Vorannahmen sind so etwas wie das Geländer des Geistes, an denen man sich vorwärts hangelt, wenn man im Grunde gar keinen Plan hat. Manchmal passt es, manchmal halt nicht.

Hier einige Kostproben aus der Sammlung der absurdesten Antworten (Quelle: spiegel.de)

  • das Herz ist ein riesiger Schließmuskel
  • die Moslems beten nach Neckar
  • Meine Konfession – 75B
  • Jesus lag mit einer Grippe im Stall
  • und: die Erde dreht sich um die Axt

Einfach grandios. Mein Wochenende ist auf jeden Fall gerettet.

… wie sie mir gefälllt!

Und ganz nebenbei bekommt man beim Bauchhalten vor Lachen auch noch tiefe philosophische und dekonstruktivistische Einsichten in die innere Logik menschlicher Erkenntnis mitgeliefert. Also vielleicht dreht sich die Welt ja wirklich um die eigene Axt, wir konnten es nur bisher einfach nicht erkennen, wir Einfaltspinsel. Vielleicht sind es ja auch ganz viele, abertausende Äxte, die sich im Reigen um sich selbst drehen, um sich dann in ihren ganz persönlichen Drehmomenten zu einem großen Drehen, dem so genannten Megadreh der Weltaxt vereinen oder gar verschmelzen, so heiß wie es dabei zu geht. Wer soll das am Ende des Tages schon wissen?

Was wissen wir eigentlich noch? Kausalitäten sind sowieso schon am Allerwertesten (spätestens seit Luhman und seiner Systemtheorie), von der Gewissheit an sich ganz zu schweigen.

Die Welt in unserem Kopf entsteht aber ja nunmal aus Vorannahmen, Hypothesen, Grundannahmen, die wir blind voraussetzen, dennoch von uns in Stein gemeißelter Welterklärungen, die dann zum Alleinherrscher über unser Leben, unser Glück und schließlich zu einer Frage unserer Zukunftsfähigkeit werden können.

Wo fang ich dann an? Und wo höre ich dann eigentlich auf?

Die Axt – Symbol des Egozentrismus?

Die Welt dreht sich um ihre Axt. Was, wenn all die Äxte von Menschenhand gemacht sind? Drehmomente unserer Eitelkeit?

Die Vermutung besteht schon seit längerem. Der Bertelsmanngründer Reinhard Mohn nannte das, einmal sehr milde , das „auffällig häufige menschliche Versagen aufgrund eines starken Drehens um die eigene Person, also einfach so aus  der übertriebenen Eitelkeit entsprungen“.

Beruht nicht unser ganzes Tun sowohl darauf als auch auf der monokulturellen Gehirnwäsche der alles überstrotzenden Ökonomie und der ihr angeblich so inhärenten Zwänge, die uns zu autistischen Akteuren im globalen Spiele der Eigeninteressen machen?

Ist es nicht endlich überfällig die Standardökonomie, „mit ihrem vom rationalen Egoismus autistischer Kalkulationsautomaten getriebenen Maschinenmodell einer sozialen Welt“ grundsätzlich in Frage zu stellen?

Vielleicht verschwindet ja dann auch die Axt, um die wir uns alle zu drehen scheinen.

In diesem Sinne, wünsche ich uns allen mehr Mut zur Zivilcourage und zum Widerstand!

Ihr

Ulrich B Wagner

Über Ulrich B Wagner

Ulrich Wagner
QUERGEDACHT & QUERGEWORTET – Das Wort zum Freitag (Foto: © Ulrich B. Wagner)

Ulrich B Wagner (Jahrgang 1967) ist Diplom-Soziologe, Psychologe, Schriftsteller und Kolumnist. Sein Studium der Soziologie, Psychologie & Rechtswissenschaften absolvierte er an der Johann Wolfgang von Goethe Universität, Frankfurt am Main. Zusammen mit Professor Karl-Otto Hondrich arbeitete er am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an einer Reihe von Forschungsprojekten zum Thema „Sozialer und kultureller Wandel“.

Ulrich B Wagner ist Dozent an der european school of design in Frankfurt am Main mit dem Schwerpunkt  Kommunikationstheorie, Werbe- und Konsumentenpsychologie, sowie Soziologie und kultureller Wandel und arbeitet als Berater sowie systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikation und Konzeptentwicklung, Begleitung von
Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Mail ulrich@ulrichbwagner.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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