DIW bescheinigt EU-Finanztransaktionssteuer ein gutes Zeugnis

Anfang Februar 2012 hatten neun EU-Staaten in einem offen Brief von der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft Dänemark eine rasche Einführung der viel diskutierten Finanztransaktionssteuer gefordert. Die EU-Kommission hatte einen entsprechenden Vorschlag im September 2011 vorgelegt. Die neun Staaten Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, Spanien, Finnland, Griechenland und Portugal forderten darin, dass wenn Großbritannien mit seinem weltweit zweitgrößten Finanzplatz London (etwa 10% des britischen BIP entfallen auf den Finanzsektor, soviel wie in keinem anderen Industrieland) eine EU-weite Einführung weiterhin blockiere, die Steuer dann zumindest auf der Euro-Ebene eingeführt werden soll. Von der Finanztransaktionssteuer erwarten sich die Unterzeichner einerseits eine regulative Funktion, in dem die schädliche Spekulation zugunsten längerfristiger Investitionen in die Realwirtschaft beschränkt wird, sowie andererseits zusätzliche Einnahmen. So soll der Finanzmarkt, der anders als die Wirtschaft keiner Umsatz-(Mehrwert-)steuer unterliegt und dessen Gewinne zudem deutlich geringer besteuert sind als Löhne und Gehälter, über diese Abgabe an der Bewältigung der von ihm seit 2008 ausgehenden Krise beteiligt werden.

Nun hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) den Vorschlag der EU-Kommission für die Finanztransaktionssteuer einer umfassenden Prüfung unterzogen. Das Ergebnis des DIW: Die Steuer dürfte das riesige Handelsvolumen an den Finanzmärkten verringern, hochspekulative Geschäfte eindämmen und die Finanzmärkte wieder stärker an die Realwirtschaft koppeln. Die Finanztransaktionssteuer schneidet dabei laut der DIW-Finanzexpertin Dorothea Schäfer auch besser ab als die britische Börsensteuer. „Das Modell der EU-Kommission ist breiter angelegt und belastet genau die Finanzprodukte, die besonders oft mit Spekulationsgeschäften in Verbindung gebracht werden.“ Die Steuer sei auch gegen den „unerwünschten Hochfrequenzhandel“ wirksam.

Der Vorschlag der EU-Kommission: Käufe und Verkäufe bei Börsengeschäften werden mit 0,02% bis 0,2% des gehandelten Papierwerts besteuert. Belastet wird also in erster Linie nur der, der auch viel handelt, respektive spekuliert, also vor allem der Hochfrequenzhandel. Transaktionen durch Privatpersonen und solche mit der Europäischen Zentralbank sollen weitgehend befreit werden, so dass die Finanzierung der Realwirtschaft nicht beeinträchtigt wird, sondern vornehmlich nur der Handel der großen Finanzinstitute gelenkt wird. Besteuert wird dabei nach dem sogenannten Sitzlandprinzip jede Transaktion, bei der entweder Käufer oder Verkäufer aus der EU kommen. Kommen beide aus EU-Ländern, müssen auch beide die Steuer entrichten. Um zu verhindern, dass international tätige Finanzinstitute ihre Transaktionen über Tochtergesellschaften außerhalb der EU abwickeln, könnte die Steuerpflicht laut dem DIW an das Sitzland der Muttergesellschaft angebunden werden. Empfänger der Abgaben sind die Heimatländer der Vertragspartner. Neben dem nicht zu unterschätzenden und seit langem geforderten regulatorischen Effekt werden Einnahmen von bis zu 200 Milliarden Euro erwartet.

Die DIW-Experten lehnen dagegen die britische Börsenumsatzsteuer ab: Lediglich 20% des Handels an der Londoner Börse würden davon erfasst, es gebe viele Schlupflöcher und die Spekulation würde dadurch kaum eingedämmt.

Hintergrundinformationen zum Hochfrequenzhandel: Rund 70% der Börsengeschäfte in den USA und bis zu 40% der Geschäfte in Europa werden nur noch von Computern gesteuert, die darauf programmiert sind, unter Anwendung spezieller Algorithmen in Sekundenbruchteilen geringste Kursschwankungen auf den Weltmärkten auszunutzen. Im Unterschied zu langfristigen Investitionen in die Realwirtschaft basiert dieses Geschäftsmodell allein auf der äußerst kurzfristigen Ausnutzung von winzigen Kursunterschieden von Wertpapieren, Derivaten und Rohstoffen an verschiedenen Börsenplätzen (daher auch der Begriff Hochfrequenzhandel). Neben dem unerwünschten reinen Spekulationsansatz kommt es dabei jedoch auch regelmäßig zu unerwünschten, kaskadenartigen Kettenreaktionen. Bestes Beispiel ist der dramatische Kurssturz an der Wall Street vom 6. Mai 2010, der so bezeichnete „Flash Crash“. Innerhalb weniger Minuten hatte der Dow Jones damals rund 9% seines Wertes eingebüßt, der größte Kursrutsch der Geschichte innerhalb eines so kurzen Zeitabschnitts. Ursache war eine falsche Order, bei der aus Versehen statt Millionen durch ein einfaches Verrutschen des Kommas Milliarden wurden. In einer Kettenreaktion zogen daraufhin aufgrund der verwendeten Algorithmen zig Tausende „Computer-Händler“, also Computerprogramme, wie die Lemminge mit und verstärkten dadurch den Trend noch weiter, so dass sich immer mehr Computerhändler der Fehlentwicklung anschlossen. Durch diesen Herdeneffekt wurde und wird die gefährliche Volatilität an den Märkten weiter deutlich gesteigert.
(mb)

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