Eigenverbrauch – die Lösung, die in die Irre führt

Peak demand parity – wenn mehr erneuerbarer Strom erzeugt als verbraucht wird. Im letzten Beitrag "Der Eigenverbrauch – alles Schlechte kommt aus Amerika" haben wir uns mit der bevorstehenden Netzparität für den Solarstrom auseinandergesetzt. Nun wenden wir uns der Eigenverbrauchsregelung im aktuellen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu, die ja ein Versuch ist, die Einspeisetarife auf die Netzparität für die Photovoltaik vorzubereiten. Genauso wie bei der Windkraft (an Land), wo in den ersten Jahren rund neun Cent pro Kilowattstunde und danach rund fünf Cent gezahlt wird, können nach der Netzparität für die Photovoltaik nur die Einspeisetarife dafür sorgen, dass nicht zu viel gezahlt wird. Ein Bericht von Craig Morris – Teil 3/4

 

Es klingt logisch: Wenn man schon ein Solardach hat, dann könnte man doch den eigenen Bedarf damit decken. Das ist ja auch die Idee hinter "net-metering" in den USA. Deutschland hat aber Einspeisetarife, und da spielt der eigene Stromverbrauch gar keine Rolle. In den USA versucht man also, die Solaranlage so zu dimensionieren, das nicht zu viel Überschuss erzeugt wird, denn der wird ja meistens nicht voll oder gar nicht vergütet; die Solaranlage fällt entsprechende kleiner aus. In Deutschland haut man dagegen das Dach voll mit Modulen – bisher.

 

Die Eigenverbrauchsregelung ist jedoch nicht mit net-metering gleichzusetzen. Sie ist vielmehr eine Art net-metering mit Lastmanagement, denn man soll nicht nur grob übers Jahr gerechnet die gleiche Anzahl von Kilowattstunden erzeugen und verbrauchen, sondern man solle den erzeugten Solarstrom gleich verbrauchen oder in Batterien speichern und für später aufheben. Eigentlich müsste ich von diesem Vorstoß begeistert sein, schließlich rufe ich seit Jahren nach mehr Lastmanagement (Das virtuelle Kraftwerk).

 

Schade nur, dass man vielleicht gar nicht zuhause ist, wenn werktags die Sonne scheint. Man müsste also den Sonnenstrom in Batterien speichern für den Abend. Oder im Sommer für den Winter. Das kostet zwar auch mehr Geld, aber schließlich wird unter der Eigenverbrauchsregelung auch mehr gezahlt als beim Einspeisetarif. Während also die Kosten für die Photovoltaik steigen und der Einspeisetarif zunehmend als zu kostspielig angesehen wird, schlägt die Bundesregierung einen noch kostspieligeren Ersatz vor. Und der sieht so aus (und falls es Ihnen beim Lesen langweilig wird, überspringen Sie den folgenden Abschnitt ruhig…).

 

Die neuen Regelungen von 2009

 

Die erste Eigenverbrauchsregelung trat 2009 in Kraft. Damals erklärte mir Heiko Stubner, wissenschaftlicher Assistent im Bundestag, dass die Regelung "als Übergangsmechanismus in Vorbereitung auf die Netzparität" gedacht war. Ein Ziel sei es, die notwendigen Technologien zu entwickeln, erklärte sein Kollege Tobias Dünow vom Bundesumweltministerium und fügte hinzu, dass neben Speichertechnologien auch neue Zählern notwendige seien – schließlich muss man nicht nur den Verbrauch und die Erzeugung messen, sondern auch noch wie viel davon gleichzeitig passiert. Mittlerweile überschlagen sich die Firmen mit Zählern für die Eigenverbrauchsregelung, und es wird selbstverständlich immer mehr in Batteriespeichern geforscht.

 

2009 betrug der Einspeisetarif für kleine Dachanlagen rund 43 Cent pro Kilowattstunde. Unter der Eigenverbrauchsregelung bekam man lediglich 25 Cent, 18 Cent weniger als der Einspeisetarif, doch man ersetzte dadurch gleichzeitig den eigenen Stromverbrauch. Zahlte man also mehr als 18 Cent für den Strom aus der Steckdose, fuhr man besser mit der Eigenverbrauchsregelung – so die Theorie.

 

Doch 2009 war die Situation noch sehr konfus. So dauerte es bis April, bevor die Steuern geregelt wurden. Man ist als Betreiber einer Solaranlage Unternehmer und führt Umsatzsteuer für den verkauften Strom ab, doch die Steuer auf den selbst verbrauchten Strom kann man als Privatmensch nicht abziehen. Geht es dann eine Steuer auf die fiktiven 18 Cent für den Strom aus der Steckdose, den man nicht verbraucht hat?

 

"Klar gibt es die!" entschied das Gericht, und so bekam man unter der Eigenverbrauchsregelung nicht die vollen 25 Cent, sondern 25 Cent abzüglich 3,4 Cent (die Umsatzsteuer auf die fiktiven 18 Cent für den Strom, den man ersetzt und nicht verbraucht hat), also 21,6 Cent.

 

Bitte ab hier weiterlesen: die Eigenverbrauchsregelung von 2010

 

Ich hoffe, es fiel Ihnen schwer, meinen Erläuterungen zu folgen. Mir fällt es selbst schwer, das alles richtig hin zu schreiben, obwohl ich diese Regelung schon mehrfach erklärt habe. Um es mit den Worten von Thomas Seltmann in Ausgabe 05/2010 von "Sonne, Wind & Wärme" zu sagen, die Eigenverbrauchsregelung hat "alle Klarheiten beseitigt."

 

Bis vor ich sie ganz verliere, schauen wir uns kurz an, was in der Regelung von 2010, die auch 2011 gilt, geändert wurde. Erstens gibt es nun zwei "Zuschläge": Verbraucht man bis zu 30 Prozent seines Solarstroms selbst, bekommt man "nur" 16,38 Cent weniger als der Einspeisetarif pro Kilowattstunde, d.h. der Umstieg vom Einspeisetarife auf die Eigenverbrauchsregelung lohnt sich ab einem Strompreis von netto 16,38 Cent; für jede Kilowattstunde darüber muss der Strompreise lediglich zwölf Cent kosten, damit sich die Eigenverbrauchsregelung lohnt. Wie ein Experte von der Deutschen Gesellschaft für Solarenergie (DGS) auf Intersolar sagte: "Je höher der Strompreis in Zukunft steigt, umso wirtschaftlicher ist die Anlage."

 

Die Unterscheidung zwischen <30 % und >30% hielt man für notwendig, um Mitnahmeeffekte zu verändern; es wird davon ausgegangen, dass der normale deutsche Haushalt bereits ohne weitere Investitionen 30 Prozent Eigenverbrauch hinbekommt. Die extra 4,38 Cent sind also ein Anreiz, in Speichertechnologien (Batterien) und intelligente Systeme (Lastmanagement) zu investieren. Verschiedene Experten haben grob errechnet, dass man in etwa gleich gut fährt mit den Einspeisetarifen von 2010 und mit der Eigenverbrauchsregelung. Mit der Zeit dürfte sich das aber ändern, und man fährt als Solardachbesitzer immer besser mit dem Eigenverbrauch – bliebe es dagegen beim sinkenden Einspeisetarif, würde die Gesellschaft immer weniger für den Solarstrom ausgeben.

 

Die zweite Neuerung betrifft die Deckelung auf der Systemgröße, die von 30 Kilowatt auf 500 Kilowatt gestiegen ist. Damit ist der Eigenverbrauch nicht mehr nur für Häuslebauer und Kleinbetriebe interessant, sondern auch für mehr oder weniger alle Industriegebäude. Und weil ein Unternehmen durchaus viel Strom tagsüber verbraucht, ergibt sich eine interessante Verschiebung: Firmen können ihre Solaranlage so dimensionieren, dass sie genauso viel Leistung hat, wie die Firma am frühen Nachmittag, wenn am meisten Solarstrom produziert wird, verbraucht. Dann hat die Firma gute Chancen, fast 100% ihres Solarstroms selbst zu verbrauchen und bekäme deswegen auf 70 Prozent des Stroms die höchste Vergütung – weit mehr als der Einspeisetarif.

 

Das wäre insofern neu in Deutschland, weil man bisher versucht hat, so viele Module wie möglich aufs Dach zu stellen. Nun würde man versuchen, die Anlage bloß nicht größer als der Spitzenverbrauch am frühen Nachmittag zu bauen, denn für die weiteren Module bekommt man rund 4,4 Cent weniger pro Kilowattstunde.

 

Smart Grids

 

Zwei Sachen stoßen mir dabei übel auf. Auf der einen Seite ist der Eigenverbrauch ein Versuch, die Photovoltaik besser ins Netz zu integrieren, an sich lobenswert. Im Prinzip macht man die Photovoltaik mit der Eigenverbrauchsregelung zunehmend unsichtbar im Netz. Anstatt dass immer mehr Solarstrom ins Netz gespeist wird, sieht es so aus, als würden die Verbraucher mit immer weniger Strom klar kommen. Hier sind wir wieder bei der Idee vom amerikanischen net-metering.

 

Ich zitiere noch einmal den US-Solaraktivisten Adam Browning:

 

"Uns ist es gelungen, skeptische (und oft feindlich gesinnte) Regulierungsausschüsse zu überzeugen, dass net-metering den gleichen Effekt bei den Versorgern wie Energieeinsparungen und Energieeffizienz hat." Adam Browning

 

Die Photovoltaik soll also verschwinden, sich gar nicht mehr im Netz bemerkbar machen. Die Idee ist nicht schlecht, hat aber einige Unzulänglichkeiten. Zum einen stellt sich die Frage, ob man auf diesem Wege zu einem echten Smart Grid kommen kann. Ein intelligentes Stromnetz würde Signale an Verbraucher schicken, ihren Verbrauch zu drosseln. Diese Signale würden meistens zu Zeiten von Lastspitzen kommen, und diese sind werktags am frühen Nachmittag und abends. Die Eigenverbrauchsregelung könnte jedoch indirekt dazu führen, dass am frühen Nachmittag, wenn am meisten Solarstrom verfügbar ist, sogar mehr verbraucht wird.

 

Ein richtiges intelligentes Netz würde außerdem auch die Windkraft und die Biomasse mit einbeziehen. Und letztlich müsste die Verschiebung für den Solarstrom saisonal erfolgen, d.h. wir müssten mehr im Sommer und weniger im Winter verbrauchen. Bei fast allen häuslichen Anwendungen – Kochen, Waschen, usw. – wird das schwierig.

 

Ein Paradoxon: Durch die Eigenverbrauchreglung wird de facto mehr, nicht weniger, für den Solarstrom als mit dem Einspeisetarif bezahlt – Tendenz steigend. Würde man die Eigenverbrauchsregelung bei der Photovoltaik 1:1 auf die Windkraft (z.B. für kleine Generatoren von < 10 Megawatt), direkt übertragen, stiege die Vergütung um rund 150%. Dabei sinken die Einspeisetarife (ohne die Eigenverbrauchsregelung) für die Photovoltaik voraussichtlich um gut 10% pro Jahr. Bald hat man die vielgepriesene Netzparität nicht nur erreicht, sondern weit unterschritten, und dann stellt sich die Frage, wann wir durch die Eigenverbrauchsregelung vielmehr für die Photovoltaik als mit den Einspeisetarifen ausgeben würden. Schauen wir uns mal den Trend an.

 

Hier (Grafik 01) sieht man (rote Linie), wie sich der Einspeisetarif (FIT = "feed-in tariff") für kleine Dachanlagen in Deutschland seit 2008 entwickelt hat. 2010 gab es nicht nur zu Jahresbeginn, sondern auch noch während des Jahres zwei weitere Absenkungen, die mit "2010~" angegeben sind. Die Haushaltstrompreise (blaue Linie) basieren auf der Annahme, dass die Preise jährlich um fünf Prozent steigen. Die Änderungen für 2011 sind nicht eingerechnet, weil sie ja noch nicht klar sind – sicher ist nur, dass der Einspeisetarif weiter sinken wird, d.h. der Tarif in der Graphik oben ist bis 2012 bereits um rund 20% zu hoch.

 

Man sieht deutlich, dass bereits 2015 der Netzstrompreis 50% über dem Einspeisetarif liegen könnte. Zurzeit steht der Einspeisetarif für die Photovoltaik in der Kritik, weil er angeblich zu üppig sei. Wir werden den Einspeisetarif aber auch nach Erreichen der Netzparität brauchen, um die Ausgaben für die Photovoltaik im Rahmen zu behalten. Die heutige Eigenverbrauchsregelung läuft Ende 2011 ab. Wird sie auf einer ähnlichen Basis verlängert, wird sie bald dazu führen, dass viel mehr als notwendig für die Photovoltaik ausgegeben wird. Genauso wie bei der Windkraft (an Land), wo in den ersten Jahren rund neun Cent pro Kilowattstunde und danach rund fünf Cent gezahlt wird, können nach der Netzparität für die Photovoltaik nur die Einspeisetarife dafür sorgen, dass nicht zu viel gezahlt wird.

 

Anders ausgedrückt: Stellen Sie sich vor, jeder kann ab 2015 einen garantierten Gewinn von mehr als 50% auf einen Teil einer Investition bekommen. Wer wird nicht in die Photovoltaik investieren? Und wenn auf jedem Gebäude eine Photovoltaikanlage installiert ist, werden wir bald mehr installierte Photovoltaikleistung haben, als wir mittags im Sommer Strom verbrauchen (siehe Rettet die deutsche Energiepolitik!). Wir werden also die "peak demand parity" überschreiten.

 

Netzparität wo?

 

Schauen wir genauer hin, stellen wir fest, dass die sogenannte Netzparität in der Grafik oben irreführend ist, wie am Beispiel dieser Grafik (Grafik 02) aus Wikipedia zur Zusammensetzung des Strompreises in Deutschland deutlich wird.

 

Verschiedene Komponenten in der Preisbildung gelten immer noch für den Solarstrom, solange man überhaupt einen Netzanschluss hat. Man bedenke, dass es bei der Eigenverbrauchsregelung nicht etwa darum geht, wie unabhängig man vom Netz wird, sondern wie viel man vom eigenen Solarstrom verbraucht.

 

Im letzten Beitrag "Der Eigenverbrauch – alles Schlechte kommt aus Amerika" haben wir gesehen, dass es unter der heutigen Regelung für eine große Firma leicht wäre, bis zu hundert Prozent seines selbsterzeugten Solarstroms intern zu verbrauchen, doch ein Industriebetrieb würde möglicherweise nur einen kleinen Prozentsatz seines Strombedarfs dadurch decken und bliebe somit auf den Netzanschluss angewiesen. Gleiches gilt auch für Haushalte – selbst wenn sie es schaffen, 50% ihres Solarstroms selbst zu verbrauchen (was sehr viel wäre), würden sie das Netz benötigen, um die anderen 50% zu kaufen.

 

Die Konzessionsabgabe beispielsweise deckt die Kosten, die anfallen, wenn eine Gemeinde Bürgersteige und Ähnliches aufreißen muss, um Stromleitungen zulegen. Aber auch der Posten "Netznutzung" verschwindet nicht, nur weil man einen Teil seines Stroms intern erzeugt und verbraucht. Ob die Steuern bestehen bleiben, ist eine frei verhandelbare politische Entscheidung. Im Grunde genommen ersetzt man tatsächlich nur den Posten für die Stromerzeugung. Rechnet man aber nur die Netznutzung und die Konzessionsabgabe heraus, verschwinden sofort 40% des Netzpreises, und dann drückt die Netzparität um einige Jahre nach hinten und entzieht vor allem der derzeitigen Eigenverbrauchsregelung die Grundlage. Geht man davon aus, dass wirklich nur die Kosten für die Stromerzeugung vermieden werden, dann erreicht die Photovoltaik die Netzparität viel später.

 

Die Eigenverbrauchsregelung kommt außerdem einem Wortbruch gleich. Im letzten Jahrzehnt haben die Befürworter der Einspeisetarife für die Photovoltaik (wozu ich mich auch zähle) argumentierte, die Photovoltaik brauche Zeit, um wettbewerbsfähig zu werden. Im alten Einspeisegesetz von 1991 wurde der Tarif für Wind und Solar als Prozentsatz vom Netzpreis berechnet (z.B. 80-90% des Netzpreises). Im EEG dagegen wird technologiespezifisch vergütet – immer das, was die jeweilige Technologie kostet, wobei vor allem die Photovoltaik mehr als der Netzstrom gekostet hat. Nun nähert sich die Photovoltaik diesem (wie auch immer definierten) Punkt, und da soll plötzlich viel mehr als der Einspeisetarif bezahlt werden, der immerhin auch nach der Netzparität eine Rendite von 5-7 Prozent garantieren soll?

 

Im nächsten und letzten Teil schauen wir uns an, wie es mit der deutschen Energiepolitik generell weitergehen soll.

 

Teil 1/4: Rettet die deutsche Energiepolitik!

 

Teil 2/4: Der Eigenverbrauch – alles Schlechte kommt aus Amerika

 

Quelle: © Franz Alt 2011

 

 

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