Ein Hoch auf uns … Oder das Hohelied vom Schein und Sein

(mit Video) … aus der wöchentlichen Kolumne „QUERGEDACHT & QUERGEWORTET  – Das Wort zum Freitag“ von Ulrich B Wagner. Nachdem Sie vergangenen Beitrag mehr über „besoffene Schiedsrichter und runde Bälle“ erfahren haben, geht es heute um den Unterschied zwischen Schein und Sein.

Ein Hoch auf das, was uns vereint
Auf diese Zeit
Ein Hoch auf uns
Auf dieses Leben
Auf den Moment
Der immer bleibt
Ein Hoch auf uns
Auf jetzt und ewig
Auf einen Tag
Unendlichkeit

Andreas Bourani, auf uns

So regen wir die Ruder, stemmen uns gegen den Strom –
 und treiben doch stetig zurück, dem Vergangenen zu
Ich war drinnen und draußen, zugleich verzaubert und abgestoßen von der unerschöpflichen Vielfalt des Lebens.“

Francis Scott Fitzgerald, Der große Gatsby

Ohne Rücksicht auf Verluste

The Great Gatsby, Der große Gatsby
„ … fünf Jahre zu alt, um mich selbst zu belügen … “. Tobey Maguire als Nick Carraway in der jüngsten Verfilmung von „Der große Gatsby“ (Quelle: TheHollywoodBird / YouTube)

Es ist die Gnade der Jugend, dass man glaubt den Augenblick, diesen einzigartigen Moment des Lebens, sehnsuchtsvoll, aufgeladen von Träumen, eines Tages greifen zu können, um ihn dann für immer und ewig an sich binden zu können.

Wir singen das Hohelied der Liebe, schön, anspruchsvoll und verschwenderisch. „Romantische Egoisten“, die wir sind stürzen wir ohne Rücksicht auf Verluste aufeinander los, stellen uns auf die Füße des Anderen, um in den feuchten Augen des Anderen am Ende des Tages doch wieder nur dem eigenen Spiegelbild aus Selbstliebe und Selbsttäuschung entgegenzublicken.

Erwartungsvoll rasen wir durch das Leben, um uns schließlich am Tag nach der ausgelassenen Feier, verloren und verzweifelt, Gestrandete, die wir nunmehr sind, zitternd und bebend den leeren Medizinschrank umarmen. Der unsägliche Seelenkater lässt uns zynisch, mit einem Grinsen zwischen Fatalismus und Wahnsinn zurück.

Wartet ihr auch immer auf den längsten Tag des Jahres … “, sagt die schöne Daisy in Der große Gatsby, „ … und verpasst ihn dann doch?

Wann kippt das Leben?

Wann platzt der Cocktail aus Sehnsucht, Hoffnungen und Träumen und schwappt über in Alkohol, Zynismus und Fatalismus. Wann wird die Zeit zum schleichenden Feind an unserer Seite? Fragen, die Fitzgerald durch sein Werk treibt. Wann ist das Alter erreicht. Nick Carraway der Erzähler im Gatsby formulierte es so: „Ich bin dreißig. Ich bin fünf Jahre zu alt, um mich selbst zu belügen und es Ehre zu nennen.“

Oder andersherum gefragt: Macht es Sinn am Ende des Tages für das zu sterben, woran man schon seit geraumer Zeit nicht mehr glaubt?

Einverstanden klingt ein wenig nach Midlife Crisis oder vielleicht doch nicht in Zeiten von Facebook & Co., wie es das sensationelle 2-minütige Video des norwegischen Filmemachers Shaun Higton, das es derzeitig auf YouTube zu bewundern gibt, uns so eindrücklich vor Augen führt.

Video: What’s on your mind?

(Quelle: HigtonBros / YouTube)

Sex, Drugs & Football … unser Hohelied vom Schein und Sein

Facebook sei Dank, haben wir nun immerhin noch eine perfekte Plattform für unsere feuchten Selbstinszenierungen gefunden, die unsere Lebenslügen und Träume, wenn auch nur für Sekunden und auch nur virtuell zu geglaubten Realitäten auferstehen lässt.

Sex, Drugs & Football … wenigstens für einen Abend, dank WM und deutscher Fussballkunst, sterben wir, Midlife Crisis hin oder her, nochmals für den einen großen Sommernachtstraum und summen mit glasigen Augen den pubertären Bourani Hit.

Und falls doch nicht, trösten uns ja immer noch die französischen Zeilen: „partir, c’est toujours mourir un peu“, wie unsere Nachbarn liebevoll den Orgasmus umschreiben.

Über Ulrich B Wagner

Ulrich B Wagner
(Foto: © Ulrich B. Wagner)

Ulrich B Wagner (Jahrgang 1967) ist Diplom-Soziologe, Psychologe, Schriftsteller und Kolumnist. Sein Studium der Soziologie, Psychologie & Rechtswissenschaften absolvierte er an der Johann Wolfgang von Goethe Universität, Frankfurt am Main. Zusammen mit Professor Karl-Otto Hondrich arbeitete er am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an einer Reihe von Forschungsprojekten zum Thema  „Sozialer und kultureller Wandel“.

Ulrich B Wagner ist Dozent an der european school of design in Frankfurt am Main mit dem Schwerpunkt  Kommunikationstheorie, Werbe- und Konsumentenpsychologie, sowie Soziologie und kultureller Wandel und arbeitet als Berater sowie systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikation und Konzeptentwicklung, Begleitung von
Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Mail ulrich@ulrichbwagner.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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