Eine Reise in sich hinein um über sich hinaus zu wachsen

Die wöchentliche Business-Kolumne von Ulrich B Wagner

 

Heute: Wo Kreativität gedeiht: eine systemische Sicht der Ideenfindung

 

„Brillante Ideen sind organisierbar!“

Oppenheimer

 

Was ist Kreativität?

Wo findet sich Kreativität?

 

Eine Antwort hierauf scheint schnell gegeben: Kreativität ist eine geistige Aktivität, die in den Köpfen außergewöhnlicher Menschen stattfindet, die meistens auch noch irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn verortet sind.

 

Es ist eine gängige Ansicht, Kreativität allein in der Persönlichkeitsstruktur eines Menschen zu suchen. Kreativ ist man halt oder auch nicht. Neu hingegen ist jedoch ein systemischer Ansatz in der Kreativitätsforschung, der insbesondere von Mihaly Csikzentmihalyi (sprich Tschick Sent Mihaji), seines Zeichens emeritierter Psychologieprofessor an der Stanford University, vorangetrieben wurde. Diesen systemischen Ansatz möchte ich Ihnen in der heutigen Kolumne kurz vorstellen, da er meines Erachtens auch weitreichende Implikationen für Unternehmen und Personalentwickler in sich trägt.

 

Selbstverständlich ist der Begriff der Kreativität im Alltagsverständnis sehr viel weiter gefasst, als ich ihn hier verwende, was jedoch mehr zur Verwirrung als zum Verständnis beiträgt. Natürlich kann man behaupten, dass zur Kreativität nur die innere Gewissheit der Person notwendig ist, die davon ausgeht, dass ihr Tun und Denken neu und bedeutsam ist. Geht man jedoch weiter, erkennt man, dass dies nicht alles sein kann, was der Begriff umfasst, nämlich etwas wirklich Neuartiges und Wertschöpfendes zu erschaffen, das in der Folge auch umgesetzt wird und die jeweilige Kultur bzw. den jeweiligen Tätigkeitsbereich bereichert. Aber die Idee als solche muss nicht nur umgesetzt, sondern auch vom Umfeld aufgenommen und als bedeutsam und  neuartig anerkannt werden, bevor man sie als kreativ bezeichnen kann.

 

Hiermit eröffnet sich zwangsläufig eine systemische Sichtweise auf das Ganze. Kreativität findet also im Wechselspiel einer Domäne der kreativen Persönlichkeit und einem Umfeld statt, die das jeweilige Fachgebiet (Malerei, Musik, Physik, Technik etc.) beschreibt, welches wiederum die Idee rezipiert und bewertet.

 

Heute investieren viele Unternehmen eine Menge Zeit und Geld in den Versuch, die Einfallskraft ihrer Mitarbeiter zu fördern, weil sie sich hiervon mit Recht  einen Wettbewerbsvorteil versprechen. Mitarbeiter werden auf Seminare geschickt, erlernen zahlreiche Kreativitätstechniken und werden mit Bonusversprechen ermutigt, ihrer Kreativität im Interesse des Unternehmens freien Lauf zu lassen. Gehen wir einmal davon aus, dass es daraufhin zu einem Ideenschub im Unternehmen kommt. Doch was passiert dann? Wie geht es weiter mit der Idee? Solche Programme zur Kreativitätssteigerung können nämlich nur dann Wirkung zeigen, wenn das Management auch lernt, unter den zahllosen neuen Ideen die wertvollsten herauszufiltern, und in der Folge auch die richtigen Methoden zu deren Umsetzung zur Verfügung stellt.

 

Selbstverständlich ist es für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens enorm wichtig, Kreativität zu einem bewussten Teil ihres Handelns, sprich ihrer Abläufe und Prozesse zu machen. Hierzu müssen die Mitarbeiter nicht nur ermutigt, sondern es muss ihnen in der Folge auch der notwendige Freiraum geboten werden, in dem sie mit geeigneten Kreativitätstechniken, losgelöst von allem Zweckdenken, frei assoziieren können. So weit so gut. Aber wie geht es jetzt weiter? Wie wählt das Umfeld, in diesem Fall wahrscheinlich das Management, unter der Vielzahl der Ideen diejenigen aus, die es wert sind, weiterverfolgt zu werden? Wie können diese umgesetzt und nachhaltig in das Unternehmen eingebunden und nutzbar gemacht werden? Wir sind es gewohnt, dass die Kreativität beim Individuum beginnt und bei diesem auch endet. Das lässt uns leicht vergessen, dass Kreativität durch Veränderungen außerhalb des Individuums enorm gefördert werden kann. Zudem ist diese verkürzte Sichtweise auch dafür verantwortlich, dass Ideen nicht erfolgreich genutzt werden können und Veränderungsprozesse zu 80% scheitern.

 

Lassen Sie mich heute kurz die Parameter außerhalb des Individuums betrachten, die der Kreativität förderlich oder eben auch hinderlich sind. Beginnen wir mit der Domäne, sprich dem Wissens- und Fachgebiet oder dem Unternehmen. Hier sind vor allem drei Punkte zu nennen: die Klarheit der Struktur, die zentrale Stellung innerhalb der (Unternehmens-)Kultur und die Zugänglichkeit. Wählen wir hierzu ein Beispiel aus der Pharmaindustrie, zitiert nach Miihaly Csikzentmihalyi, Kreativität, 2010. Die Unternehmen A und B stehen in direktem Wettbewerb. Die Menge des Geldes, das sie in Forschung und Entwicklung investieren, und das kreative Potential ihrer Forscher ist gleich groß. In der Folge möchten wir vorher-sagen, welches Unternehmen in Ihrem Bestreben erfolgreicher ist. Betrachten wir hierzu zum besseren Verständnis einzig und allein die Merkmale der Domäne, so könnten wir folgende Fragen stellen: Welche Firma verfügt über die genaueren Daten im Hinblick auf die Pharmazeutika? Wo sind diese Daten besser strukturiert? Welche Firmenkultur legt mehr Wert auf Forschung, verglichen mit anderen Bereichen, wie Marketing oder Produktion? Wo wird dem pharmazeutischen Wissen mehr Respekt gezollt? Welche Firma verbreitet ihre Informationen effektiver unter ihren Angestellten? Wo ist es leichter, eine Hypothese zu überprüfen?

 

Das Unternehmen, in der das Wissen und die Problemstellung strukturierter, zentraler und zugänglicher ist, wird, wenn alle anderen Parameter gleich sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit die kreativeren Innovationen hervorbringen. Es ist demnach wichtig, bereits im Vorfeld anzusetzen und Strukturen aufzubauen, in deren Folge die Kreativität der Mitarbeiter auch auf fruchtbaren Boden fällt.

 

Betrachten wir abschließend noch die Einflussmöglichkeiten des Feldes (in unserem Fall das Management). Als erstes ist hier als Einflussgröße ein reaktives oder aber ein proaktives Verhalten zu nennen. Im Gegensatz zu einem reaktiven Feld fördert, stimuliert und motiviert ein proaktives Feld die Ideenfindung und das Neue. Es könnte also deutlich mehr getan werden, um Kreativität im Unternehmen voranzutreiben, einzig und allein schon dadurch, dass die Unternehmensverantwortlichen eine proaktive Haltung einnehmen. Die zweite Einflussgröße besteht in der Auswahl des Filters, den das Feld, sprich die Verantwortlichen ansetzen. Konservative Felder wählen häufig einen zu engen Filter bei der Auswahl kreativer Ideen und lehnen die meisten Neuheiten bereits im Vorfeld ab. Andere Verantwortliche sind offener und liberaler, was die Annahme neuer Ideen betrifft. In der Folge führt das dazu, dass diese Unternehmen schneller verändern. In extremer Ausprägung können beide Vorgehensweisen für ein Unternehmen lebensbedrohlich sein: Man kann ein Unternehmen zerstören, indem man die Fort- und Weiterentwicklung im Keim erstickt, oder indem man zu viele noch nicht angepasste Neuerungen aufnimmt, und das Unternehmen damit überhitzt bzw. überdreht. Als letzte Einflussgröße ist eine gute Verbindung des Feldes (Unternehmens) zu angrenzenden Systemen wie Universitäten, Forschungseinrichtungen, Schulen etc. zu nennen. Hier geht es insbesondere darum, unternehmensfremdes Wissen und Kreativitätspotential in das Unternehmen zu leiten und so nutzbar zu machen.

 

Beide außerhalb des Individuums liegenden Kreativitätsfaktoren beeinflussen sich wechselseitig. Wer Kreativität verstehen will, tut daher gut daran, zu verstehen und zu wissen wie das Feld (die Verantwortlichen) ticken, wie sie zu Entscheidungen kommen und ob eine Idee weiterverfolgt, umgesetzt oder verworfen wird. Wie wir gesehen haben, ist Kreativität ein komplexer Vorgang, deren Erfolg von einer Vielzahl von Determinanten bedingt ist. Lassen Sie uns in der kommenden Woche die Beiträge des einzelnen im kreativen Prozess, die kreative Persönlichkeit als solche und einige Tipps und Tricks zu Förderung der persönlichen Kreativität betrachten.

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine kreative und erfolgreiche Woche

 

Ihr

Ulrich B Wagner

 

 

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Profil des Autors:

 

 

Ulrich B. Wagner, Jahrgang 1967, studierte Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Kommunikation, Coaching und Managementberatung (ikcm) mit Sitz in Bad Homburg und Frankfurt am Main und gleichzeitig Dozent an der european school of design für Kommunikationstheorie sowie Werbe- und Konsumentenpsychologie. Ulrich Wagner arbeitet als Managementberater und systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikations- und Rhetoriktrainings, Personalentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

 

 

 

 

 

Zu erreichen: via Website www.ikcm.de, via Mail uwagner@ikcm.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

 

 

 

 

 

 

 

 

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