Eine Reise in sich hinein und über sich hinaus – Move!

Die wöchentliche Business-Kolumne von Ulrich B Wagner

Heute: Move! oder wie Bewegung verändert …

Es heißt dasein, aber nicht leben, wenn man sich notgedrungen beständig in einem einzigen Geleise eingezwängt und festgefahren hält. Die schönsten Seelen sind aber jene, die am meisten Beweglichkeit und Schmiegsamkeit besitzen. 
(Michel de Montaigne, Essais)

Die Welt steht auf dem Kopf!

In den fünfziger Jahren haben vor allem die Psychologen Ivo Kohler und Theodor Erismann an der Universität Innsbruck ausgedehnte Versuche mit Umkehrbrillen gemacht. Erismann und Kohler ließen bei diesen Versuchen sogenannte Prismenbrillen tragen.

Versuchperson mit Umkehrbrille in der Maria Theresien Straße in Innsbruck – ca. Anfang 1950er Jahre) Quelle: Institut für Psychlogie der Universität Innsbruck

Prismen kehren den Strahlengang um, so dass die Welt des Trägers auf dem Kopf zu stehen scheint. Wahrnehmung und Empfindung sind dadurch empfindlich gestört. Kann man diese Störung überwinden? Schaffen wir es, den Blick zu drehen? Die Antwort lautet: JA! Es dauert ein zwar wenig, aber nach circa einer Woche fortwährenden Tragens richtete sich bei den Versuchspersonen das Wahrnehmungsbild wieder auf.

Die Ursache dieser unglaublichen Korrekturleistung unseres Gehirns beruht, so befanden Erismann und Kohler, auf Erfahrung und Gewöhnung. Sie nannten diesen Prozess Adaptation (Anpassung). Dass Anpassung an veränderte Gegebenheiten ein aktiver Lernprozess ist, zeigte bei den Innsbrucker Versuchen die folgende Beobachtung: Die Anpassung trat nur ein, wenn die Versuchspersonen sich aktiv bewegten, wenn sie Radfuhren, Hin- und Hergingen oder Fechten mit Stöcken übten. Durch ihre aktive Bewegung erfuhren sie die Richtung der Schwerkraft, und mit dieser Erfahrung richteten sie ihr Wahrnehmungsbild wieder auf. Ruhten die Versuchspersonen mit der Umkehrbrille jedoch ohne aktive, selbstständige Bewegung, blieb für sie die Welt auf dem Kopf stehen (zitiert nach Psychologie, Ute und Wolfgang Schönpflug, Beltz Verlag).

Aber warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte? Dem einen oder anderen Leser(in) dieser Kolumne, der schon eines meiner Seminare besuchte, ist diese Geschichte wahrscheinlich bereits bekannt, da ich sie regelmäßig zitiere. Ich persönlich habe diese Geschichte während meines Studiums kennengelernt und nicht nur geliebt, sondern sie hat sich regelrecht in mein Leben gebrannt.

Die Moral von der Geschichte: Rede nicht nur, sondern Handel! Tu etwas! Move! Steh auf und bewege Dich! Das kann auch Ihr Leben verändern. Und genau darum geht es auch. Wir leben in einer Zeit des ständigen Wandels, der kontinuierlichen Veränderung.

Auch wenn wir manchmal so tun, als wäre dies nicht so, und uns unter unmenschlicher Kraftanstrengung dagegen wehren, oder, Fritz B Simon einmal so treffend ausführte, “Alles verändert sich, es sei denn irgendwer oder was sorgt dafür, dass es so bleibt wie es ist.“

So manche Ratgeberliteratur möchte uns weismachen, dass Veränderungsprozesse in der Regel zu zwei Dritteln scheitern. Stefan Kühl, Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Organisationssoziologie an Universität Bielefeld, räumt in einem Artikel für den Harvard Business Manager mit dieser Mär jedoch rigoros auf. Er bezeichnet die Autoren dieser immer wieder auftauchenden Geschichte gerne als Schaumschläger: „Viele Studien dienen ihren Autoren hauptsächlich dazu, Kunden zu akquirieren. Das oft zu lesende zwei Drittel aller Vorhaben scheitern suggeriert, dass Unternehmen nicht ohne Hilfe von außen zurechtkommen“, so Stefan Kühl.

Es ist in der Tat eine schreckliche Einstellung von einigen Managementberatern und Coaches, ihre Klienten zu behandeln, sie auf die Patientenebene zu verschieben, statt sie zu einem aktiven Handeln anzuleiten. Selbstverständlich können Veränderungsprozesse meist besser durch eine externe Begleitung initiiert und moderiert werden. Diese Umsetzungsberatung und -begleitung sollte sich dann aber als Hilfe zur Selbsthilfe verstehen. Und Initiierung sollte bedeuten, dass der Blick der Beteiligten geöffnet, Horizonte erweitert, dass Scheuklappen über Bord geworfen bzw. alte Verhaltensmuster aufgebrochen werden. In der Regel ist alles Wissen, welches es zu einer erfolgreichen Veränderung bedarf, vorhanden, es muss nur geborgen, sprich aus den Es geht eh nicht – Kellern der Resignation ans Tageslicht gebracht werden. Nur ist jedoch wohl ein wenig untertrieben.

Veränderungsprozesse in Unternehmen haben viel mit einer Schwangerschaft gemeinsam: Sie sind in der Regel schmerzhaft und dauern erfahrungsgemäß um die neun Monate. Berater tun daher gut daran, sich als eine Art Hebamme oder als Geburtshelfer zu verstehen. Mehr und weniger nicht. Aus diesem Grund denken Sie jedoch auch immer daran: Hebammen werden durch die Ausübung ihres Berufs nicht zur Mutter des Kindes und Berater nicht zu Vätern Ihres Erfolges.

 

In diesem Sinne bleiben Sie beweglich, handeln Sie und denken Sie immer daran:

Gedacht ist nicht gesagt
Gesagt ist nicht verstanden
Verstanden ist nicht einverstanden
Einverstanden ist nicht ausgeführt
Ausgeführt ist nicht gehandelt
Handeln ohne Verpflichtung ist flüchtig

 

Beste Grüße

Ihr Ulrich B Wagner

 

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Profil des Autors:

Ulrich B. Wagner, Jahrgang 1967, studierte Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Kommunikation, Coaching und Managementberatung (ikcm) mit Sitz in Bad Homburg und Frankfurt am Main und gleichzeitig Dozent an der european school of design für Kommunikationstheorie sowie Werbe- und Konsumentenpsychologie. Ulrich Wagner arbeitet als Managementberater und systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikations- und Rhetoriktrainings, Personalentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Website www.ikcm.de, via Mail uwagner@ikcm.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

 

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