EU baut Reservelager für Hightech-Metalle Seltene Erden auf (Zusammenfassung)

Als Seltene Erden wird eine Gruppe von 17 metallischen Grundstoffen bezeichnet, die außergewöhnliche Eigenschaften besitzen und für viele Schlüsseltechnologien und Hightech-Bereiche eine wichtige Rolle spielen (Handys, Elektroautos, Solarzellen, Batterien und getriebelose Windenergieanlagen etc.). Seit rund einem Jahr ist ein internationaler Handelsstreit um die begehrten Rohstoffe entbrannt, in dessen Zuge sich die Preise vervielfacht haben. Ein Kilogramm Dysprosium beispielsweise, das für Mobiltelefone und Hybrid-Fahrzeuge benötigt wird, kostet derzeit rund 2.840 Dollar, das siebenfache des Preises zu Jahresbeginn von rund 400 Dollar. Die leichten Seltenen Erden haben sich seit Jahresanfang im Schnitt verdreifacht, die Schweren sind mittlerweile fünfmal so teuer. Eine bedeutende Rolle spielt aber auch hier die für die Realwirtschaft kontraproduktive Rohstoffspekulation: Seit 2002 hat sich die Spekulation mit Rohstoffen nach Angaben der Handelskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) verfünffacht. Für die deutsche Wirtschaft bedeutet dies rohstoffbezogene Mehrausgaben von rund 30 Milliarden Euro im zurückliegenden Jahr 2010 (DIHK).

Hintergrund des Handelsstreits bei den Seltenen Erden ist die einseitige Fokussierung auf China, das mittlerweile 95% des Weltmarktes beliefert, obwohl es lediglich über 50% der Weltvorräte verfügt. Dies liegt an den enormen Umweltbelastungen, die mit dem Abbau einhergehen. China konnte hier über Jahre hinweg so billig produzieren, dass weltweit Minen geschlossen wurden, so dass letztlich beinahe ausschließlich chinesische Minen für den Weltmarkt förderten. Peking will jedoch einerseits seine Reserven schonen, führt aber auch nachvollziehbare Umweltbedenken und den Aspekt der Nachhaltigkeit an, so dass die Exportquoten seit dem letzten Jahr sukzessive zurückgefahren werden – zum Missfallen der darauf angewiesenen Industrie außerhalb des Reiches der Mitte. Die Förderquote war 2010 schon um 9,3% rückläufig, im ersten Halbjahr 2011 wurde der Export dann um weitere 35% zurückgefahren. Eine entsprechende Klage der WTO gegen die Handelsbeschränkungen erging im Juli dieses Jahres. Peking dementiert und weist die Vorwürfe strikt zurück: Die Ausfuhrzölle und Quoten würden dazu dienen, die Umwelt und die bestehende heimischen Rohstoffvorkommen zu schützen. Dieses Vorgehen stehe zudem in Einklang mit den Vorgaben der WTO, eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Laut chinesischen Medien soll die Förderung in drei der wichtigsten Bergwerke somit auf unbestimmte Zeit vorerst gestoppt werden.

Aufgrund der steigenden Nachfrage (Verdopplung innerhalb von fünf Jahren) bei gleichzeitig sinkendem Angebot schießen die Preise in die Höhe, gleichzeitig werden viele stillgelegte Minen wieder geöffnet, neue Vorkommen erschlossen und fieberhaft nach Ersatzstoffen geforscht. Die Anstrengungen benötigen jedoch einige Jahre, um den Ausfall kompensieren zu können. So wird damit gerechnet, dass der Weltmarktanteil Chinas in zwei Jahren auf 60% zurückgehen dürfte.

Die EU berät bereits seit Jahresbeginn über eine entsprechende Rohstoffstrategie, um die Versorgung der heimischen Industrie sicherzustellen. Neben einem Recyclingkreislauf, der allerdings einige Jahre zum Aufbau benötigt (Seltene-Erden-Kompetenz-Netzwerk), soll nun ein Reservelager mit den Hightech-Metallen angelegt werden. „Wir versuchen, unsere Beschaffung zu verbessern und unsere Abhängigkeit von China zu reduzieren.“ Neben den Lagern sollen auch verstärkt Lieferungen aus Lateinamerika, Afrika und Russland genutzt werden.

Siemens hatte seinerseits bereits Anfang Juli 2011 angekündigt, bei Seltenen Erden zum Selbstversorger werden zu wollen: Um die Versorgung mit den begehrten Metallen sicherzustellen – namentlich mit Neodym, das für die Produktion von Magneten für Motoren und die Turbinen in Windrädern benötigt wird – will der Elektronikriese ein Joint Venture mit dem australischen Bergbauunternehmen Lynas gründen. Siemens werde sich an dem JV mit 55%, Lynas mit 45% beteiligen.

(Seite 2: Überblick über Förderung, neue Projekte und Fortschritte in der Forschung nach Ersatzstoffen.)

Ausbau der Förderung: Das US-Bergbauunternehmen Molycorp („The Rare Earth Company“) besitzt das größte erschlossene Vorkommen an Seltenen Erden außerhalb Chinas. Seine wichtigste Mine in Kalifornien wurde aus Rentabilitätsgründen 2002 geschlossen, soll aber bis 2012 wiedereröffnet und zur modernsten der Welt ausgebaut werden. Mit einer angepeilten Jahresproduktion von fast 40.000 Tonnen in 2012 könnte allein das US-Unternehmen dann 21% des Weltmarktes abdecken. Südkorea hat zudem Anfang Januar 2011 angekündigt, seinerseits im Verbund mit Japan Ressourcen in Vietnam, Australien, Kirgistan und Südafrika zu erschließen. Die Lithium-Lagerstätte Zinnwald-Georgenstadt im Erzgebirge wiederum gilt unter Forschern mit bis zu 50.000 Tonnen als eine der größten der Welt. Im sächsischen Ort Storkwitz lagern in 170 bis 900 Metern Tiefe offenbar 41.600 Tonnen Seltene-Erden-Metalle, darunter das begehrte Neodym. Auch das australische Unternehmen Global Advanced Metals (GAM) öffnet seine 2008 geschlossene Tantalmine in Westaustralien wieder. Sie enthält das größte bekannte Vorkommen des begehrten Rohstoffs und kann bei Vollauslastung mit 700 Tonnen Erz fast ein Drittel des Weltbedarfs abdecken. Das australische Unternehmen Lynas will im großen Stil in Malaysia neue Lagerstätten erschließen. Japanische Forscher wiederum haben im Pazifik in einer Tiefe von 3.500 bis 6.000 Meter riesige Vorkommen an den seltenen Hightech-Metallen in der Größenordnung von schätzungsweise 100 Milliarden Tonnen entdeckt.

Fortschritte in der Forschung: Japan ist als Rohstoffarmes Hightech-Land im hohen Maß auf Rohstoffimporte angewiesen. Aufgrund territorialer Differenzen um einige Inseln im Pazifik hatte China Tokio im Herbst 2010 kurzerhand den Hahn für Seltene Erden abgedreht. Pünktlich mit dem Boykott stellten viele japanische Firmen und Forschungseinrichtungen Möglichkeiten vor, die Seltenen Erden zu ersetzen. Die Forschung nach Eratzstoffen reicht hier bereits rund 10 Jahre zurück, getrieben von dem Wunsch nach günstigeren Alternativen und einer Reduzierung der wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Importen. So gelang es beispielsweise dem Konzern Toshiba, Neodym oder Dysprosium in Elektromotoren durch Ferrit und andere Metalle zu ersetzen (Samarium-Kobalt-Magnet / Einsatz in Waschmaschinen seit 2009). Auch der Toyota-Zulieferer Aichi Steel hat bereits Magnete entwickelt, die ohne Dysprosium auskommen. An der Universität Hokkaido wurden neuartige Ferritmagnetmotoren entwickelt. Wissenschaftler der Universität Kioto entwickelten eine Methode, das teure Metall Palladium zu ersetzen. Dabei gelang es erstmals, Silber und Rhodium, die sich normalerweise nicht kombinieren lassen, mit nanotechnischen Verfahren mit einander zu verbinden. Das neu geschaffene Material soll dabei die gleichen Eigenschaften wie Palladium aufweisen. Die Alternativen benötigen allerdings in der Regel noch 2-3 Jahre bis zur Marktreife. Zuerst müsse noch geprüft werden, ob die Ersatzstoffe den Belastungen lange genug durchhalten. Ein großes Potential steckt auch im Recycling von Seltenen Erden ("urban mining").

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