Fehlentwicklungen der Bankenbranche – Politik unterstützt weltweite Proteste

Am Wochenende haben Hunderttausende weltweit gegen die Fehlentwicklungen und die Macht der Bankenbranche und Finanzindustrie demonstriert. Dies war das erste Mal überhaupt, dass es koordinierte weltweite Aktionen aufgrund eines reinen Wirtschaftsthemas gab. Zuletzt hatte es ähnliche Demonstrationen im Vorfeld des US-geführten Angriffs auf den Irak 2003 gegeben.

Die Protestbewegung geht von der Aktion „Occopy Wall Street“ aus, die ihren Nukleus seit dem 17. September vor der weltgrößten Börse in New York hat. Die Demonstrationen breiteten sich nun über Dutzende Städte in den USA und dem restlichen Kontinent aus und erreichten Europa, Asien-Pazifik und Afrika. Allein in Rom gingen 200.000 Menschen gegen die Macht der Banken auf die Straße.

Der Präsident des Lobbyvereins „Bundesverband deutscher Banken“, Andreas Schmitz, verteidigte seine Branche, in der allein in Deutschland rund 650.000 Menschen beschäftigt sind, räumte aber zugleich auch Fehlentwicklungen ein: „Es gibt auch Fehlentwicklungen bei den Banken, die sich zu weit von ihren ursprünglichen Geschäftsfeldern entfernt haben.“ Er verwehrte sich aber auch einer pauschalen Verurteilung des Bankgewerbes, die Banken hätten die Schuldenkrise der Staaten nicht verursacht. Diese sei vielmehr Ausdruck einer Krise des westlichen Wohlfahrtsstaates, „der seine Lasten nicht mehr wie bisher mit Hilfe von Schulden auf dem Rücken künftiger Generationen finanzieren kann“.

Laut der renommierten Le Monde Diplomatique entspricht dieses Urteil allerdings nicht der Wahrheit, wie es beispielhaft an den makroökonomischen Zahlen Großbritanniens zu sehen ist, aber auch auf den gefallenen keltischen Tiger Irland und die meisten der aktuellen Krisenstaaten zutrifft. In der Tat waren beträchtliche Staatsschulden auch zuvor schon aufgetürmt worden. Aber erst die staatlichen Milliardenrettungen der Banken im Zuge der gigantischen Finanzkrise 2007 bis 2009 hat die Staaten bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten und zum Teil darüber hinaus gebracht. So hatte Großbritannien, dessen Finanzindustrie (City of London) mit rund 10% im Industrieländervergleich ausgesprochen viel zum BIP beisteuert, unmittelbar vor der Finanzkrise noch eine moderate Staatsverschuldung von 43%. 2009/10 wurde dann ein Haushaltsdefizit von 11% verbucht, für 2011/12 wird ein Defizit von 8% erwartet. Dadurch wächst die Staatsverschuldung trotz eines massiven Sparprogramms bis zum Haushaltsjahr 2013/14 aufgrund der Bankenkrise auf voraussichtlich 87% des BIP an. Laut der Le Monde Diplomatique ist es nun eine der beeindruckendsten Leistungen der Bankenbranche und deren Lobbyvertreter, die Bankenkrise von 2008 im medialen Mainstream in eine Staatsschuldenkrise umzumünzen, mit dem Ergebnis, nicht die Finanzindustrie zu regulieren, sondern weiter massiv an den Sozialausgaben der Staaten zu kürzen, da sich diese ihr soziales Engagement nicht mehr leisten könnten.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) äußerte Verständnis für die Proteste gegen die Auswüchse und Fehlentwicklungen in der Finanzindustrie, er nehme die Proteste „sehr ernst“. Die Politik müsse nun überzeugend darlegen, dass sie selbst die Regeln bestimme und nicht nur von den Märkten getrieben werde. Er forderte zugleich eine stärkere Regulierung des Finanzsektors. „Wir haben vieles an Regulierung seit 2008 erreicht. Aber noch nicht genügend.“ So soll die Kapitalausstattung der Banken notfalls auch per Zwang erhöht werden, um diese krisensicherer zu machen. Dies sei der beste Weg, um nicht durch einen Kollaps der Banken eine Eskalation der Krise zu bekommen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte eine Aufspaltung der Banken in Geschäftsbanken für die Realwirtschaft und Investmentbanken, für die der Staat dann künftig keine Schutzverantwortung mehr übernehmen müsse: „Ich möchte, dass beim Geschäftsfeld des Investmentbanking ein ganz großes Schild an der Tür steht mit der Aufschrift ,Hier endet die Staatshaftung‘." Er habe nichts dagegen, dass Leute mit ihrem Geld spekulierten. „Aber wenn die Zockerei schiefgeht, sollten die Spekulanten mit ihrem Geld dafür haften und nicht unschuldige Dritte“. Die Banken müssten wieder „zu Dienern der Realwirtschaft“ werden.

Der vor seinem Comeback in der Bundespolitik stehende frühere Linken-Parteichef Oskar Lafontaine forderte eine Reorganisation der Bankenbranche nach dem Geschäftsmodell der öffentlich-rechtlichen Genossenschaftsbanken, deren Einnahmen dem jeweiligen Träger (Kommune, Kreis) zufließen und damit der Gesellschaft. „Es gibt keine wirkliche Rettung, wenn wir nicht radikal umsteuern. (…) Wir brauchen Sparkassen statt Zockerbuden.“

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