Franz Alt über regenerative Regionen und die Energiewende: Was Tokio von Dardesheim lernt

…aus dem wöchentlichen Kommentar von Dr. Franz Alt.

Tokio lernt von Dardesheim

Eine Gemeinde in Sachsen-Anhalt pfeift auf Atomenergie und produziert sauberen Strom für 40.000 Menschen. Städte wie Dardesheim sind Vorbilder für die Energiewende: Sie versorgen nicht nur sich selbst vollständig mit Strom aus regenerativen Quellen, nein, sie beliefern ihre Region und umliegende Ballungszentren gleich mit: Die Landwirte werden die Ölscheichs des 21. Jahrhunderts – nur sauberer.

In der Gemeinde Dardesheim in Sachsen-Anhalt durfte ich schon vor einigen Jahren einen Windpark mit 16 Windrädern einweihen – in der Zwischenzeit kamen weitere 20 dazu und 2006 wurde hier der damals leistungsstärkste Windradtyp der Welt errichtet, eine Sechs-Megawatt-Anlage. Die kleine Gemeinde mit etwa 1.000 Einwohnern produziert jetzt sauberen Strom für 40.000 Menschen. Viele Einwohner der Gemeinde sind finanziell am Windpark beteiligt. Hier ist die Energiewende eine demokratische Veranstaltung.

Dieser Windpark erspart der Umwelt jedes Jahr 120.000 Tonnen an Treibhausgasen. Und der Bürgermeister freut sich über die guten Gewerbesteuer-Einnahmen. Die Windräder, die dem Dorf am nächsten kommen, halten immer noch einen Abstand von etwa 600 Metern ein. Auf die Frage, ob es denn Widerstand gegen die vielen Windräder gegeben habe, antwortet Bürgermeister Rolf-Dieter Künne, der selbst ein großer Windradfan ist: „Wenn ich aus meinem Badezimmer schaue, sehe ich 17 Windräder, aber ich höre kein einziges. So geht es auch meinen Mitbürgern.“

Chancen sehen statt jammern

Als ich im Herbst 2012 wieder einmal in der Stadt bin, die sich selbst „Stadt der erneuerbaren Energien“ nennt, treffe ich auf eine japanische Wissenschaftler-Delegation. Ihre Regierung in Tokio hatte gerade den Atomausstieg beschlossen. Darüber freuen sich die Wissenschaftler und sagen mir übereinstimmend: „Von Projekten wie diesem in Dardesheim wollen wir jetzt lernen.“ Tokio lernt von Dardesheim! Bürgermeister Künne, dessen Kommune vor seiner „Energiewende“ wirtschaftlich nicht besonders gut dastand, zitiert lachend eine alte Bauernweisheit: „Jammern füllt keine Kammern. Wir verstehen die Energiewende als Chance. Unsere Landwirte werden jetzt auch Energiewirte.“

Vor den Toren des Städtchens drehen sich nicht nur 36 Windräder. Biogasanlagen, Solarzellen auf den Dächern von Schulen, Kindergärten, Betrieben und Privathäusern, ein mit Pflanzenöl versorgtes Blockheizkraftwerk mit einer Gesamtleistung von fünf Megawatt und eine regenerative Stromtankstelle geben einen Vorgeschmack auf die Energiestadt der Zukunft.

Das Wasser als Akku

Der Geschäftsführer des Windparks ist Heinrich Bartelt, ein Urgestein der deutschen Windenergie-Szene und Mitbegründer des mächtigen Bundesverbands WindEnergie. Er beschäftigt sich mit der Kraft des Windes, seit 1973 ein Sturm Gebäude seines elterlichen Hofes beschädigte. Damals fragte sich der 24-Jährige: „Ob man die destruktive Kraft des Windes nicht auch konstruktiv nutzen kann?“ Seine neueste Vision: Ein großes Kombikraftwerk , das die 230.000 Einwohner im Harz komplett mit erneuerbaren Energien versorgen kann. Mit vielen Partnern arbeitet er daran, seinen Windpark mit dem 30 Kilometer entfernten Pumpspeicherkraftwerk Wendefurth zu kombinieren. Der Pumpspeicher soll dabei als eine Art „Riesenbatterie“ dienen: Gerade nicht benötigter Windstrom pumpt Wasser in das Oberbecken des Wasserkraftwerks. Bei Windflaute und um Spitzenlasten abzudecken wird dieser Strom mit Hilfe zweier bestehender Wasserkraft-Turbinen wieder zurück gewonnen.

Hybridkraftwerke, wie das von Heinrich Bartelt geplante im Harz, werden der Energiewende einen entscheidenden Vortrieb geben. Das Zusammenspiel von Wind- und Wasserkraft, Photovoltaik und Biomasse ermöglicht eine regenerative Stromversorgung rund um die Uhr.

Fortsetzung des Beitrags von Franz Alt auf Seite 2

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