Franz Alt: Wie Wälder mit mehr Kohlendioxid umgehen

…aus dem wöchentlichen Kommentar von Dr. Franz Alt. Diesmal mit einem Gastbeitrag des Karlsruher Instituts für Technologie: Nature – Wie Wälder mit mehr Kolendioxid umgehen.

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Während die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre steigt, erhöhen Wälder ihre Wassernutzungseffizienz: Sie können mehr von dem Gas aufnehmen, ohne dabei aber mehr Wasser zu verlieren. Wie langfristige Messungen an vielen Waldstandorten der Nordhalbkugel zeigen, reagieren die Spaltöffnungen an der Blattoberfläche auf mehr Kohlendioxid – ein Beispiel für Strategien von Ökosystemen, mit Veränderungen umzugehen. Forscher aus den USA und des KIT beschreiben die Untersuchung nun in der Zeitschrift „Nature“.

Langjährige Freilandmessungen erlauben umfassenden Blick auf die Klimawandelreaktion eines großen Ökosystems

Pflanzen binden bei der Photosynthese Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Während sie das Kohlendioxid durch die geöffneten Spaltöffnungen ihrer Blätter aufnehmen, entweicht Wasserdampf. Das Verhältnis zwischen dem so transpirierten Wasser und dem fixierten Kohlenstoff, die sogenannte Wassernutzungseffizienz, stellt einen wesentlichen Indikator der Ökosystemfunktion dar und spielt eine Schlüsselrolle im globalen Wasser-, Energie- und Kohlenstoffkreislauf. Eine Gruppe von Wissenschaftlern, unter ihnen der Leiter des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Professor Hans Peter Schmid, hat den Austausch von Wasser und Kohlenstoff im Ökosystem erstmals anhand von langfristigen Messungen im Freiland untersucht.

Gemeinsam mit Kollegen von der Harvard University, der Ohio State University und der Indiana University sowie dem USDA Forest Service wertete Schmid Messungen an insgesamt sieben Waldstandorten im Mittelwesten und Nordosten der USA aus und verglich diese mit vierzehn weiteren Waldstandorten auf der Nordhemisphäre. Die Wälder repräsentieren drei verschiedene, für die gemäßigte und kaltgemäßigte Zone der Nordhalbkugel typische Artenzusammensetzungen und werden nicht aktiv bewirtschaftet.

Die Auswertung der Messungen zeigt eine deutliche Steigerung der Wassernutzungseffizienz in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Um diese Entwicklung zu erklären, prüften die Forscher verschiedene konkurrierende Hypothesen. Neben der gestiegenen Kohlendioxid-Konzentration betrachteten sie auch Faktoren wie die zunehmende Verfügbarkeit von Stickstoff, Veränderungen der Vegetationsstruktur durch Wachstum, die mechanische und thermische Kopplung zwischen Baumkrone und Atmosphäre sowie langfristige Abweichung der Messvorrichtungen.

Die Forscher stellten fest, dass die gesteigerte Wassernutzungseffizienz auf eine starke Düngewirkung des Kohlendioxids zurückzuführen ist. Wenn die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre steigt, schließen die Bäume die Spaltöffnungen an der Blattoberfläche – die sogenannten Stomata – teilweise, um die Kohlendioxid-Konzentration im Innern der Blätter weitgehend konstant zu halten.

„Dies zeigt, dass Wälder sensitiv auf Veränderungen der Umwelt reagieren“, erklärt Professor Hans Peter Schmid, der am KIT-Campus Alpin in Garmisch-Partenkirchen forscht. „Ökosysteme verfügen über Strategien, mit dem Klimawandel umzugehen und ihre Ressourcen effizient einzusetzen.“ Wie Schmid berichtet, ist die in der Untersuchung beobachtete Steigerung der Wassernutzungseffizienz der Wälder höher als in theoretischen Untersuchungen und aktuellen Modellen vorausgesagt.

Mit der gesteigerten Wassernutzungseffizienz können die Pflanzen mit weniger Wasser auskommen, trotz erhöhter Photosynthese auf Ökosystemebene. Wie Schmid erklärt, lassen die bisherigen Ergebnisse der noch weiter laufenden Studie auf eine Verschiebung im Wasser- und Kohlenstoffhaushalt der Vegetation auf der Erde schließen.

„Dies erfordert möglicherweise, die Rolle der Spaltöffnungen auf der Blattoberfläche bei der Interaktion zwischen Wäldern und Klima neu zu bewerten und gängige Vegetation-Klima-Modelle zu überarbeiten.“ Das langfristige Verhalten von Ökosystemen im Klimawandel und die Entwicklung von entsprechenden Messmethoden gehören zu den zentralen Themen der Forschung des IMK-IFU am Campus Alpin des KIT.

Trevor F. Keenan, David Y. Hollinger, Gil Bohrer, Danilo Dragoni, J. William Munger, Hans Peter Schmid, Andrew D. Richardson: Increase in forest water use efficiency as atmospheric carbon dioxide concentrations rise. Nature, DOI: 10.1038/nature12291.

( Karlsruher Institut für Technolgie)

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Über Franz Alt:

Dr. Franz Alt hat politische Wissenschaften, Geschichte, Philosophie und Theologie studiert. Er war zwanzig Jahre Leiter und Moderator von “Report Baden-Baden”, bis 2003 Leiter der Zukunftsredaktion des SWR sowie Leiter und Moderator des 3sat-Magazins “Grenzenlos”. In den letzten Jahren hat er sich zudem als anerkannter und leidenschaftlicher Experte für die Bereiche Erneuerbare Energien sowie Energie- und Umweltpolitik etabliert. Er wurde von der EU-Kommission mit dem “Europäischen Solarpreis für Publizistik” ausgezeichnet und hält jährlich hunderte Vorträge im gesamten deutschsprachigen Raum. Darüber hinaus wird er auch regelmäßig von ausländischen Reoierungen gebeten, das deutsche Erneuerbare Energien Gesetz vorzustellen, das international als Vorbild für eine regenerative Energiewende mit der Zielgröße der Energieautarkie gilt. Für weiterführende Informationen siehe seine Website www.sonnenseite.com.

Lesen Sie hier seinen offenen Brief an Bundesumweltminister Peter Altmaier von letzter Woche: “Das Märchen von der teuren Energiewende

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