Für die Energiewende brauchen wir dringend Energiespeicher – Interview mit DLR-Vorstand Prof. Ulrich Wagner

… aus der wöchentlichen Kolumne von Dr. Franz Alt. Diesmal mit einem Fachinterview zum Thema "Energiewende & Erneuerbare Energien" mit DLR-Vorstand Prof. Ulrich Wagner.

Bislang werden Energiespeicher vor allem in mobilen Geräten wie z.B. Handys oder Notebooks genutzt. Das wird sich in Zukunft ändern, sagen Energieexperten: Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich unser Stromnetz verändern. Energiespeicher werden dabei eine wichtige Rolle übernehmen müssen. Interview mit DLR-Vorstand Prof. Ulrich Wagner

Wie solche Energiespeicher der Zukunft aussehen, diskutierten Forscher am 7. März 2012 beim DLR-Energiespeicher-Symposium in Stuttgart. Prof. Ulrich Wagner, DLR-Vorstand für Energie und Verkehr beschreibt, warum wir Speicher dringend brauchen und wo die Forschung heute steht. 

Wozu brauchen wir Energiespeicher?

Wagner: Wir brauchen Energiespeicher, um das schwankende Energieangebot aus den erneuerbaren Energien auszugleichen. Der Bedarf der Verbraucher deckt sich ja nicht immer mit dem Energieangebot, das Wind und Sonne gerade liefern. Bisher haben wir dieses Problem nur in geringem Umfang, weil sich fossile Kraftwerke schnell und einfach regeln lassen und in Spitzenzeiten mehr Leistung zur Verfügung stellen können. Wenn wir jedoch bald mehr als 30 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien ins Stromnetz einspeisen, wird das so nicht mehr funktionieren. Dann müssen wir Lücken bei der Erzeugung oder Spitzen beim Stromverbrauch mit Stromspeichern ausgleichen. Für die Energiewende in Deutschland brauchen wir also dringend Energiespeicher. Ich rechne damit, dass der Bedarf ab 2025 auftaucht und dann über die Jahre stetig zunimmt. 

Wie lässt sich Energie überhaupt speichern?

Wagner: Energie in Form von Strom zu speichern, ist gar nicht so einfach. Bewährt haben sich bislang Pumpspeicherkraftwerke. Sie sind eine preiswerte Technologie mit einem hohen Wirkungsgrad von über 80 Prozent. Pumpspeicherkraftwerke können nur in Gebirgen oder Mittelgebirgen gebaut werden und viele Standorte werden schon lange genutzt. In Deutschland und in Europa gibt es hier nur noch geringe Ausbaumöglichkeiten. Wir müssen uns also etwas Neues einfallen lassen. Eine Möglichkeit sind Batterien, die auch mit Wirkungsgraden von mehr als 80 Prozent arbeiten, im Vergleich zu den Pumpspeicherkraftwerken sind sie jedoch noch sehr teuer. Weiterhin können wir durch Elektrolyse mit überschüssigem regenerativem Strom Wasserstoff erzeugen. Bei Bedarf kann aus diesem Wasserstoff wieder Strom erzeugt werden. Die energetisch bessere Lösung ist hier allerdings, den Wasserstoff in Brennstoffzellen-Fahrzeugen zu verwenden. Der Energiespeicher Wasserstoff bietet so auch für den Verkehrssektor Lösungen an. Sowohl die Erforschung von Batterien als auch die Erzeugung von Wasserstoff werden derzeit im DLR und in anderen Forschungseinrichtungen vorangetrieben. 

Gibt es auch einfachere Wege, Energie zu speichern?

Wagner: Gerade in Kombination mit der regenerativen Stromerzeugung in Sonnenwärmekraftwerken gibt es die einfache, aber trotzdem elegante Möglichkeit, Wärmespeicher einzusetzen, wir reden hier von einem Temperaturbereich von 400 bis 800 Grad Celsius. Mit solchen thermischen Speichern kann man besonders kostengünstig Energie zwischenspeichern. Hier werden vor allem riesige Salztanks eingesetzt, die tagsüber durch die Sonnenenergie aufgeheizt werden. Mit der gespeicherten Wärmeenergie wird in den Abendstunden und in der Nacht Dampf erzeugt; so können diese Kraftwerke praktisch rund um die Uhr Storm ins Netz einspeisen. 

Prinzipiell gilt aber: Speichern bedeutet umwandeln und das führt immer zu einem gewissen Verlust von Energie. Ziel der Forschung im DLR, aber auch in anderen Einrichtungen, ist es, effiziente und gleichzeitig kostengünstige Speicher zu entwickeln.

 

Wo steht die Forschung zu Energiespeichern heute?

Wagner: Aus der Raumfahrt kennen wir schon heute hocheffiziente Speicher, nur damit haben wir auf dem terrestrischen Markt keine Chance, sie sind einfach zu teuer. Bei den Kosten und bei der Lebensdauer wünscht man sich noch deutliche Verbesserungen, damit Speicher konkurrenzfähig werden gegenüber Systemen, die mit fossiler Energie betrieben werden. Im Vergleich zur Stromerzeugung durch erneuerbare Energien hinken wir bei der Speichertechnologie deutlich hinterher. In Deutschland hat man den Fehler begangen, Anfang der 1980-Jahre aus der Elektrochemie-Forschung auszusteigen. Die Konsequenz war, dass wir die entsprechende Industrie zum großen Teil verloren haben. Diesen Fehler versucht man seit zehn Jahren zu korrigieren, in dem man an Forschungszentren und Universitäten solche Forschungsgebiete einrichtet. Auch die Forschungsabteilungen der Unternehmen – man schaue nur auf die Automobilindustrie – arbeiten mit Hochdruck an diesem Thema. Aber wir haben über 20 Jahre verloren und müssen uns beeilen, das im internationalen Wettbewerb wieder aufzuholen. 

Die Bundesregierung stellt in der "Förderinitiative Energiespeicher" 200 Millionen Euro zur Verfügung. Reicht diese Förderung?

Wagner: 200 Millionen Euro sind auf den ersten Blick ein großer Betrag. Wenn man die Zahlen genauer betrachtet, relativiert sich das: Wir verbrauchen in Deutschland 500 Milliarden Kilowatt Strom im Jahr. Alleine um ein Prozent dieser Energie mit Batterien zu speichern, muss die Energiewirtschaft mindestens 500 Millionen Euro investieren. Wenn wir davon ausgehen, langfristig mindestens 5 Prozent unseres Stromes speichern zu müssen, liegen die Investitionen bei 2,5 Mrd. Euro. Wenn die Förderung dazu beiträgt, nur 8 Prozent der Batteriekosten einzusparen, hat sich der Einsatz schon gelohnt.

Welche Speicher werden wir 2050 benutzen?

Wagner: Meine Favoriten sind: Ausschöpfung der besonders preiswerten Methoden, wie Pumpspeicherkraftwerke, soweit sich hier noch Potenziale erschließen lassen. In Solarkraftwerken werden Wärmespeicher eine wichtige Rolle spielen. Außerdem halte ich die Umwandlung von überschüssigem Strom in Wasserstoff für vielversprechend und durch die mögliche Nutzung in Fahrzeugen für sehr charmant. Eine weitere Variante sind große zentrale Batterieanlagen. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte werden aber auch dezentrale Batteriespeicher interessant, auch in Form von Elektroautos. Hier ist das Stichwort: "Vehicle to Grid" und das bedeutet, wenn es richtig eng wird, wird Strom aus den Elektrofahrzeugen ins Stromnetz fließen.

Beim DLR in Stuttgart fand am 7. März 2012 ein Symposium zu Energiespeichern statt. Was waren die Ziele der Veranstatlung?

Wagner: Das Besondere an dieser Veranstaltung war, dass ein Überblick über alle Techniken der Energiespeicher gegeben wurde. Hier kamen ganz verschieden ausgerichtete Forschergruppen zusammen. Aber auch, wenn die Forscher unterschiedliche Speicher entwickeln – viele methodische Probleme sind sehr ähnlich, zum Beispiel die Integration eines Speichers in das System. Ziel war, dass sich die Forscher mit ihren verschiedenen Blickwinkeln gegenseitig Impulse gaben. Und noch eine Stufe weiter gehend hoffe ich auf gemeinsame neue Ideen im Bereich der Methodik oder der Netzintegration.

Das DLR hat Know-how zu fast allen Speicherthemen und ureigene Beiträge. Seit Jahrzehnten arbeiten DLR-Forscher an chemischen Speichern wie zum Beispiel Wasserstoff und an elektrochemischen Speichern. Gerade bei den Wärmespeichern in der Solarforschung hat das DLR langjährige Erfahrung und ist hier sogar international führend. Bei der im DLR noch vergleichsweise jungen Forschung zu Batterien bringt das DLR bereits jetzt viele Grundlagen aus seiner Arbeit an Brennstoffzellen mit.

 

Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) 2012

 

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