Für immer jung! Ein Abgesang auf Bushido

Die wöchentliche Business-Kolumne von Ulrich B Wagner mit dem Titel „Me, myself and I – eine Reise in sich hinein und über sich hinaus„.

      Heute: Für immer jung! Ein Abgesang auf Bushido.

“Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“
(Theodor W. Adorn)

Lieber Herr Bushido,

auch Lieder haben ein Alter, und wie die Menschen so verändern sie sich mit Ihnen.

Bis letzte Woche waren Sie mir zwar nicht vollkommen unbekannt, doch das Interesse für Ihre Person und Ihr Wirken hielt sich in den, wahrscheinlich durch mein Alter, determinierten Grenzen der Begeisterung und des Interesses.

Dies sollte sich jedoch schlagartig wandeln!

Der Anruf eines Freundes zur Aufmunterung: “Ulrich, Du musst Dir diesen Song anhören!“, führte zu dem Schlamassel, den wir heute haben: Ich schreibe Ihnen im Rahmen meiner wöchentlichen Kolumne.

Als Karel Gott im Jahre 1976 seine Hymne auf die Biene Maya sang, war ich gerade einmal neun Jahre alt. Es gab drei Fernsehprogramme bei uns zu Hause. Das ZDF war eines davon. Von September 1976 bis September 1977, jeweils donnerstags, erfolgte hier die Erstausstrahlung der ersten Biene Maya Staffel in der Bundesrepublik Deutschland.

Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich Biene Maja zu der erfolgreichsten Zeichentrickserie im ZDF. Bei der Erstausstrahlung sahen im Schnitt drei bis vier Millionen Kinder zwischen drei und 13 Jahren zu, und das von Karel Gott gesungene Titellied erreichte Anfang Mai 1977 Platz 1 der NDR-Schlagerparade. All das ist Ihnen sicherlich bekannt. Die Biene Maya und Karel Gotts Titelsong haben das Selbstverständnis und das Weltbild unserer (meiner!) Generation geprägt.

Sieben Jahre später, ich machte gerade meinen Führerschein, der Nummer 1 Hit der deutschen Synthi-Pop Gruppe Alphaville aus dem beschaulichen Münster in Westfalen: Forever Young. Er war Ausdruck eines Zeitgeistes und eines Lebensgefühls, der nur kurze Zeit später auch in der Fernsehserie Miami Vice, dem Hollywood Streifen Wall Street, um den fiesen und nichtsdestotrotz smarten Investmentbroker Gordon Gekko (gespielt von Michael Douglas), oder 9 ½ Wochen, mit Kim Basinger und Micky Rourke, ihren Ausdruck fanden.

Und nun Sie! Vergangenen November veröffentlichten Sie mit Karel Gott eine Neuauflage Ihres Liedes „Für immer jung“, der mich zwar erst letzte Woche, dafür aber mit aller Wucht erreichte.

Sorry, das war zuviel!

Biene Maya, Alphaville und Sie, das war einfach zuviel für mich. Im ersten Moment blankes Entsetzen, das sich in einem verzweifelten Lachanfall entlud. Bis hin zum Dauerrezitieren des berühmten Ausspruchs von Max Liebermann: „Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte.“

Lieder verändern sich, und wir uns mit Ihnen.

Theodor W. Adornos berühmter Satz, “Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“, den ich dieser Kolumne vorausstellte, bildet die abschließende Sentenz eines 2-seitigen Aphorismus, der sich mit den Schwierigkeiten beschäftigt, sich in der modernen Welt irgendwie häuslich einzurichten. Dadurch besteht jedoch, ähnlich wie bei Ihrem Song, sehr schnell die Möglichkeit, alles zu leicht für bare Münze zu nehmen und dem Autor blanken Zynismus vorzuwerfen.

Wie Martin Seel, der Philosoph und Professor an der Johann Wolfgang Goethe Universität, in der Wochenzeitschrift DIE ZEIT ausführte, liefe Theodor W. Adornos Satz auf die Ausrede hinaus, es sei ganz gleichgültig, wie man sein Leben gestalte, da die Möglichkeit richtigen Lebens nun einmal verstellt sei. Adorno jedoch bekräftigt die Differenz von richtig und falsch. „Auch wenn ein im Ganzen richtiges Leben unmöglich ist, ist es für ein unverblendetes Dasein äußerst wichtig, sich den Sinn für das Richtige nicht abkaufen zu lassen.“ Immer wieder überlegt Adorno, wie es am besten wäre, sich in schwieriger Lage zu verhalten. „Einzig listige Verschränkung von Glück und Arbeit lässt unter dem Druck der Gesellschaft eigentliche Erfahrung noch offen“, heißt es bei Adorno. „Adorno ist gewiss fixiert auf die destruktiven Tendenzen der Moderne (wie Sie in einigen Ihrer Lieder auch), aber er gibt darüber hinaus den Traum eines Daseins ohne Schande nicht auf.“ (Martin Seel in DIE ZEIT).

Wir leben scheinbar im falschen System, und die falschen Versprechungen der 80er Jahre sind mittlerweile weltweit schmerzhaft erfahrbar.

Kommen wir hier überhaupt noch raus? Können wir überhaupt noch anders?

Nur vom Unmöglichen her können wir unsere Möglichkeiten verstehen, heißt es bei Adorno.

Lieber Bushido, Sie haben mit Ihrem Lied für mich auf den ersten Blick Unmögliches getan. Ich habe mich dennoch darauf eingelassen und so für mich selbst Horizonte geöffnet. Chapeau für ein wahrhaft gelungenes Meisterwerk. Sie haben darüber hinaus die Erlöse des Re-Release mit Karel Gott „Ein Herz für Kinder“ gestiftet, was bestimmt auch für Sie als Person spricht.

Alles entsteht in unserem Kopf, manchmal hilft es einfach mal die eigenen Scheuklappen wegzuwerfen oder wie Francis Piccabia einmal sagte: Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann!
Danke dafür

Ihr Ulrich B Wagner

Zum Autor:

Ulrich B. Wagner, Jahrgang 1967, studierte Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main.

Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Kommunikation, Coaching und Managementberatung (ikcm) mit Sitz in Bad Homburg und Frankfurt am Main und gleichzeitig Dozent an der european school of design für Kommunikationstheorie sowie Werbe- und Konsumentenpsychologie.

Ulrich Wagner arbeitet als Managementberater und systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikations- und Rhetoriktrainings, Personalentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Website www.ikcm.de, via Mail uwagner@ikcm.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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