Immobilienmarkt: +4,5% aber noch keine Überhitzung

Immobilien in Deutschland werden teurer. Seit zwei Jahren liegen die Preissteigerungen mit bis zu 4,5 Prozent sogar deutlich über der Inflationsrate. Vor allem in Ballungsgebieten steigen die Werte von Wohnungen und Häusern nahezu konstant an. Eine Preisblase ist jedoch laut dem IW Köln nicht erkennbar.

In den fünf bevölkerungsreichsten Städten in Deutschland haben die Preise für Wohnimmobilien in den vergangenen Jahren deutlich angezogen. In Hamburg etwa stiegen die Preise für Eigentumswohnungen von 2003 bis 2011 um mehr als 31 Prozent, in Berlin sogar um 39 Prozent. Moderater war die Entwicklung in München und Frankfurt am Main, wo die Preise um weniger als 15 Prozent anstiegen.

2011 ging es mit den Preisen am stärksten aufwärts. Allein in jenem Jahr wurden Wohnimmobilien in Berlin, Hamburg und München um 8 bis 9 Prozent teurer, in Frankfurt am Main gut 6 Prozent und in Köln knapp 5 Prozent.

Die Frage, ob dies auf eine Preisblase hindeutet, lässt sich nur beantworten, wenn man die Gründe für die steigenden Preise kennt. Denn von einer Blase spricht man erst dann, wenn sich die aktuell hohen Preise einzig mit dem Glauben der Investoren erklären lassen, dass es in der Zukunft einen höheren Wiederverkaufspreis gibt. Realisieren die Marktteilnehmer schließlich, dass ihre Erwartungen zu optimistisch waren, kommt es zu einer Welle von Verkäufen und die Spekulationsblase platzt.

Um die Frage nach einer Blase zu klären, hat das IW Köln den deutschen Wohnimmobilienmarkt untersucht und dabei besonders die Preis-Miet-Relationen, die Einkommens- und Beschäftigungsentwicklung, die Transaktionsvolumina und die Kreditvergabepraxis untersucht.

Aktuelle Zahlen von Immobilienscout24 zeigen, dass sich die Preise in Köln, Berlin und Frankfurt am Main nicht schneller entwickelt haben als die Mieten. In Hamburg und München dagegen sind die Preise zwischen 2007 und 2011 um rund 9 Prozent bzw. 21 Prozent stärker gewachsen. Das klingt erst einmal viel, ist im internationalen Vergleich doch gering – vor allem, wenn man auf die Krisenländer blickt. So haben sich zum Beispiel die nationalen Preis-Miet-Verhältnisse am spanischen Markt von 2001 bis 2004 um 43 Prozent und in Irland um 44 Prozent erhöht.

Nicht nur der Zuwachs in den Preisen sondern auch in der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ist in den fünf betrachteten Großstädten kräftiger als im Bundesdurchschnitt. In Deutschland stieg die Beschäftigung zwischen März 2006 und September 2011 um 11,7 Prozent, in München um 12,2 Prozent, in Hamburg um 16,1 Prozent und in Berlin sogar um 16,6 Prozent.

Auch künftig dürften die Einkommen in den Großstädten steigen, schließlich entstehen vor allem in den Metropolen immer wieder neue Arbeitsplätze. Darüber hinaus ist zu beachten: Im Gegensatz zum Bundesdurchschnitt wachsen die Großstädte auch noch weiter. Allein in München wird bis 2030 mit einer Zunahme der Einwohnerzahl um knapp 15 Prozent gerechnet; für Frankfurt am Main und Hamburg wiederum wird ein Wachstum um mehr als 7 Prozent prognostiziert.

In Boomphasen ist sehr häufig zu beobachten, dass der Anteil derjenigen Transaktionen steigt, die allein deswegen getätigt werden, weil auf weiter steigende Preise gesetzt wird – was dann zu einer spekulativen Blase führen kann. Eine Preisblase ist somit gekennzeichnet von einer erhöhten Wiederverkaufsrate der Immobilien und einem größeren Transaktionsvolumen.

Problematisch ist allerdings, dass es in Deutschland kaum Daten zu Transaktionen gibt. Die Statistiken der Gutachterausschüsse reichen nur bis zum Jahr 2010 und können damit zur Beurteilung der aktuellen Lage noch nichts beitragen. Auch aus der Grunderwerbssteuerstatistik lassen sich keine aktuellen Entwicklungen ableiten. Eine mögliche Datenalternative bietet immerhin das Internet – insbesondere Google Insights for Search, mit dessen Hilfe Suchanfragen systematisch ausgewertet werden können.

Laut den Google-Daten folgt in Deutschland die Nachfrage nach Immobilienkäufen den Anfragen für Mietwohnungen. Die Anfragen nach Wohnungskäufen stiegen von Januar 2011 bis Mai 2012 um 53 Prozent an, die Anfragen nach Wohnungsanmietungen in fast der gleichen Höhe.

Dies deutet insgesamt auf eine höhere Nachfrage nach Wohnungsnutzungen (Kauf oder Miete) hin und weniger auf eine spekulativ bedingte Nachfrage.

Die Entwicklung der angebotenen Objekte bietet einen Anhaltspunkt dafür, ob die Transaktionsgeschwindigkeit in den betrachteten Metropolen zunimmt. Wie Daten von Immobilienscout24 für die fünf bevölkerungsreichsten Städte zeigen, ist die Anzahl der angebotenen Objekte rückläufig (Abbildung). Die höheren Preise dürften somit lediglich die zunehmenden Knappheiten widerspiegeln.

Nur Berlin macht eine deutliche Ausnahme: In der Bundeshauptstadt hat sich die Zahl der angebotenen Objekte seit 2007 um 60 Prozent erhöht. Dies kann zwar auch mit der spezifischen Nutzung von Immobilienscout24 zu tun haben, jedoch erscheint es naheliegender, dass hier tatsächlich die Transaktionsgeschwindigkeit und damit auch die Wiederverkaufsrate der Immobilien angestiegen sind.

Da in Berlin die fundamentalen Werte im Vergleich zu den anderen Metropolen am schlechtesten sind – das heißt, Berlins Bevölkerung ist älter, es gibt einen hohen Anteil von Grundsicherungs- und Wohngeldempfängern –, erscheint es in Berlin am wahrscheinlichsten, dass die Erwartungen zu hoch sind. Auffällig ist auch, dass sich an der Spree die Preise für Eigentumswohnungen und Eigenheime (Einfamilien-, Zweifamilien- und Reihenhäuser) sehr unterschiedlich entwickeln. Eigentumswohnungen sind seit 2003 über 30 Prozent teurer geworden. Dagegen blieben die Preise für Eigenheime konstant. Zu erwarten gewesen wäre daher eigentlich ein Ausgleich, da sich – rein theoretisch – die Nachfrage hin zu den Eigenheimen hätte verschieben müssen. Dass es dazu nicht gekommen ist, könnte ein weiteres Indiz dafür sein, dass der Berliner Markt für Eigentumswohnungen etwas überhitzt ist. Nichtsdestotrotz: Berlin ist eine attraktive Stadt mit insgesamt guten Perspektiven, von daher dürften die Preise bei einer Korrektur des Marktes auch nur geringfügig fallen.

Zuletzt werden spekulative Blasen typischerweise von einer expansiven Kreditvergabe begleitet, da die Marktteilnehmer die Eigenkapitalrenditen über den Einsatz von Fremdkapital maximieren. Durch diesen massiven Einsatz von fremdem Kapital werden die Blasen für die Gesamtwirtschaft extrem gefährlich. Gerade in den USA, Spanien und Irland wurde der Preisboom von einer solchen expansiven Kreditvergabe begleitet. In Deutschland jedoch ist eine expansive Kreditvergabe à la USA nicht zu beobachten – von Januar 2003 bis April 2012 sind die Kreditbestände gerade einmal um 7 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: In Spanien und Irland wurden die Kreditbestände für Wohnungskäufe um mehr als 150 Prozent ausgeweitet.

Die sehr geringe Zunahme der Kredite für Wohnungskäufe in Deutschland ist bemerkenswert, da die Zinsen derzeit historisch niedrig sind, was die Kreditnachfrage erhöhen sollte. Auch die steigenden Immobilienpreise sollten sich theoretisch positiv auf die Kreditvergabe auswirken.

Die Haushalte in Deutschland nutzen jedoch die niedrigen Zinsen vorrangig, um schneller zu tilgen und sich längerfristig abzusichern. Die Eigenkapitalanteile bei der Finanzierung bleiben konstant oder erhöhen sich sogar. Ganz anders war dagegen die Situation in den USA im Vorfeld der Krise. Dort wurden zunehmend variable Darlehen mit hohem Beleihungsauslauf gewählt, um den maximalen Vorteil aus den niedrigen Zinsen zu ziehen.

Insgesamt passen die Entwicklung der Kreditvergabe und die verstärkte Eigenkapitalfinanzierung in das derzeitige Bild. Schließlich sind die Marktteilnehmer aufgrund der Euro-Krise verunsichert und suchen nach Alternativen, beispielsweise zu Staatsanleihen. Eine höhere Fremdkapitalfinanzierung würde dem entgegenlaufen, da gerade das Eigenkapital investiert werden soll. Wie schon in der Vergangenheit stabilisiert die Immobilienfinanzierung den deutschen Immobilienmarkt.

Allerdings kommt eines oft zu kurz: Hohe und steigende Preise und Mieten können zu sozialen Spannungen führen, da die Belastung durch Wohnkosten zunimmt. Steigen die Mieten in den Großstädten weiter, sind die Sozialsysteme an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Da jedoch die Angemessenheitsgrenzen im Grundsicherungssystem sowie die Miethöchstbeträge im Wohngeld nur unregelmäßig angepasst werden, besteht die Gefahr, dass Bedürftige kaum noch bezahlbare Wohnungen finden oder sogar ihre Wohnkosten nicht mehr tragen können.


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