Kanada steigt als erstes Industrieland aus dem Kyoto-Protokoll aus

Kanada hat nicht ganz überraschend dem Kyoto-Protokoll den Rücken gekehrt und ist aus dem Vertragswerk ausgestiegen. Das nach der Fläche gemessen zweitgrößte Land der Erde hat offensichtlich zwei Gründe – einer wird als Begründung angeführt, der zweite liegt auf der Hand: Kanada müsste Strafe zahlen, weil es die vereinbarte Reduzierung seiner Treibhausgas-Emissionen nicht schafft. Die Umweltbelastungen durch die boomende Ölsand-Industrie sind einfach zu groß. Durch das jetzige Aussteigen aus dem Vertrag noch vor Jahresende werden die Strafzahlungen vermieden. Der offiziell angegeben Grund: Das Kyoto-Protokoll sei gescheitert. Da die USA und China, die zusammen für über 41% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich zeichnen (die größten 20 Volkswirtschaften G20 stehen gemeinsam für 80% der Emissionen), bei dem Kyoto-Protokoll nicht mitmachen, könne das Vertragswerk nicht funktionieren. Der kanadische Umweltminister Kent: „Es ist inzwischen klar, dass Kyoto nicht zu einer globalen Lösung für den Klimaschutz führt. Wenn überhaupt, ist es ein Hindernis.“

Kent ignoriert dabei, dass das Kyoto-Abkommen ein Kompromiss zwischen den Industrieländern und den Schwellenländern war: Der Anteil der Industrieländer an der gesamten historisch gewachsenen CO2-Anreicherung in der Atmosphäre wird auf grob vier Fünftel geschätzt – wovon allein über 50% auf die USA entfallen. Die Entwicklungs- und mittlerweile auch die Schwellenländer (Brasilien, Russland, Indien, China = BRIC-Staaten) hatten hingegen bislang noch kaum die Gelegenheit, ähnlich die Umwelt zu belasten und dadurch ihre Volkswirtschaften zu entwickeln. Sie fordern daher, dass die „Verursacher der ersten Stunde“ (des 20. Jahrhunderts / industrielle Revolution) auch die "Vermeider der ersten Stunde" sein sollen. Daher gilt das Kyoto-Protokoll zunächst nur für die Industrieländer – allerdings haben sich die USA einmal mehr aus der Verantwortung gestohlen, was jedoch kein Argument sein kann, dass es die anderen Staaten dem unkooperativen, traditionell allein auf seinen Eigennutz ausgerichteten Klimasünder gleich tun.

Auf dem 17. UN-Klimagipfel in Durban war letzte Woche vereinbart worden, bis 2015 ein Regelwerk auszuarbeiten, das erstmals auch China und die USA sammt Schwellenländer umfasst. Der Vertrag soll dann ab 2020 in Kraft treten. Bis dahin, mindestens jedoch bis 2017, soll das Ende 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll verlängert werden. Allerdings hatten Russland, Kanada und Japan bereits im vergangenen Jahr signalisiert, dass sie eine Kyoto-Verlängerung nicht unterzeichnen wollten.

In diesem Zusammenhang lässt sich eine Aussage des französischen Präsidenten Sarkozy anführen, die er im Juni 2011, allerdings zur Regulierung der Rohstoffspekulation, geäußert hat. Es geht um die moralische Verpflichtung, Regeln und Standards zu setzen und sich nicht einfach nur an dem Schlechtesten zu orientieren. Dies lässt sich analog auch auf die Vorreiterrolle Europas beim Klimaschutz anwenden. Sarkozy damals: „Die Deregulierung der Finanzmärkte hat die Welt an den Abgrund geführt. Ein Markt ohne Regeln ist kein Markt mehr.“ Die Argumente der Finanzindustrie, dass europäische Handelsplätze nicht durch Regeln beeinträchtigt werden dürften, die an anderen Orten nicht bestehen, wies er entschieden zurück: „Wenn ein Land die Mafia nicht bekämpft, sollen wir alle deswegen die Mafia nicht mehr bekämpfen?“ Sowie: „Wir können uns nicht immer am Schlechtesten orientieren, der die wenigsten Regeln will.“ Europa habe daher die Pflicht, ein Modell für die Regulierung der Rohstoffmärkte zu entwickeln. Analog hat Europa auch die Pflicht, den Klimawandel, an dem es aufgrund der industriellen Revolution in Europa maßgeblich beteiligt war, auch in der ersten Reihe zu bekämpfen – unabhängig davon, ob sich andere Staaten aus der Verantwortung stehlen oder nicht. Dies muss allerdings auf diplomatischer Ebene natürlich nachdrücklich angegangen und entsprechend verurteilt werden. (mcb)

 

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