Kleinkrieg am Arbeitsplatz: Mediation im Fokus

Intrigen und Schikanen im Betrieb bleiben nicht ohne Folgen. Mobbing fordert viele Opfer: Die Betroffenen leiden. Das Unternehmen krankt. Die Volkswirtschaft nimmt Schaden. Mediation baut Brücken und hilft, die Konfliktkultur zu verbessern.

Hubert M. ist ratlos. Seit dem Betriebsfest im Mai gehen ihm die Kollegen aus dem Weg. Betritt der 44-Jährige die Kantine, verstummen die Gespräche. Gegrüßt wird der Maschinenbauer schon lange nicht mehr. Nur der Pförtner wünscht ihm einen guten Tag. Das schlägt dem Familienvater auf den Magen. Seine Frau und sein Sohn leiden mit. Für gemeinsame Unternehmungen fehlt Hubert M. die Leichtigkeit. Am liebsten hat er seine Ruhe. Gestern ist das Fass übergelaufen: Der TÜV hat den neuen Motor der Produktlinie Merkur beanstandet. Der Geschäftsführer Albert B. zitiert den Ingenieur zu sich. Immerhin war er es, der grünes Licht gegeben hatte. Hubert M. verantwortet die Kontrolle der Rasenmäher-Fertigung in dem Familienbetrieb.

Mauern wahrnehmen

Albert B. bemerkt schon länger, dass etwas nicht stimmt. Das, was ihm zugetragen wird, verstärkt seinen schlechten Eindruck nur noch. Wenn das so weiter geht, ist der Mitarbeiter nicht mehr tragbar. Hubert M. hat Angst. Das Gespräch beginnt zäh. Der Geschäftsführer ist verständnisvoll. So gesteht dessen Mitarbeiter, dass er sich sabotiert fühlt. Er gibt zu, dass er nachts wach liegt. Bei Albert B. auf ein offenes Ohr zu stoßen lässt ihn aufatmen. Dass er zwei Wochen frei nehmen kann, tut ihm gut. Auch dass sein Vorgesetzter ein Gespräch mit dem Betriebsrat befürwortet, erleichtert ihn. Albert B. geht derweil in sich. Ihm wird klar, dass vor allem der neue Kollege Kurt D. aus der Produktion seinen Kollegen anschwärzte – und das schon seit Wochen. Albert B. nimmt Kontakt auf, stößt aber im Kern des Problems auf Granit. Er konsultiert den Betriebsrat. Eine Mediation soll helfen. Albert B. stimmt zu, die Kosten zu übernehmen. Hubert M. und Kurt D. sind gesprächsbereit.

Bedürfnisse achten

Nur wer klar und konstruktiv kommuniziert, kommt im Konflikt weiter. Das können Betroffene jedoch oft alleine nicht leisten. Hier helfen Mediatoren. Sie agieren neutral, vermitteln zwischen Kontrahenten und achten auf einen respektvollen Ton. Und sie beruhigen Gemüter. Denn sie wissen, dass Emotionen Menschen für rationale Argumente blockieren: Gefühle weisen auf Bedürfnisse hin. Ärger, Wut und Enttäuschung „schreien“ nach Anerkennung, Wertschätzung und Aufmerksamkeit. So hinterfragt die Mediatorin sensibel, welches Ereignis dem Konflikt in dem schwäbischen Betrieb zugrunde liegt. Hubert M.s Widersacher offenbart, dass man ihm Hoffnungen auf die Stelle des Kollegen gemacht habe. Er atmet angestrengt, er zögert. Die Mediatorin interveniert einfühlsam, erklärt, dass alles streng vertraulich bleibt. Nach außen gelange nur das, was die Gesprächspartner möchten. Kurt D. schildert, wie sehr es ihn getroffen habe, dass nicht er es war, der befördert wurde. Er fühle sich übergangen. Dann habe er mitgekriegt, dass Hubert M. an der Bluterkrankheit leide und damit zur HIV-Risikogruppe gehöre. Das machte die Runde – und löste einen Flächenbrand aus. Dass er seinem Kollegen obendrein wichtige Daten vorenthielt, vervollständigte die Strategie seines Rachefeldzuges.

 

Perspektiven wechseln

Hubert M. ist sprachlos. Allmählich beginnt er zu verstehen, was Kurt D. bewegt. Ja, er sei in der Klinik gewesen. Der Verdacht jedoch erwies sich als haltlos. Die Mediatorin hilft den Männern, Lösungen zu entwickeln, die beide weiterbringen. Kurt D. bietet an, die Sache klarzustellen. Hubert M. bringt ein, dass er einen Teil seiner Verantwortung abgeben könne. Er denke sowieso darüber nach, andere Schwerpunkte zu setzen. Genau das thematisieren beide beim Betriebsrat, der zustimmt, Personalgespräche bei dem Geschäftsführer anzuregen. Offensichtlich ist bei der Kommunikation einiges schiefgelaufen.

Opfer ermutigen, Hilfe anbieten

Werden Kollegen dauerhaft diffamiert und benachteiligt, nagt das am Selbstwert. Die Opfer zweifeln an sich. Vorbildliche Betriebe kommunizieren Veränderungen offensiv. Und sie installieren einen „Konflikt-Kapitän“, der zuhört und nur auf ausdrücklichen Wunsch hin aktiv wird – alles vertraulich. Bewährt sind auch Seminare, die eine offene Gesprächs- und Konfliktkultur fördern, bevor der Krankenstand anschwillt oder die Fluktuation explodiert. Das lohnt sich. Immerhin sollen in Deutschland eine Million Berufstätige Mobbingopfer sein. Der Unternehmenslenker Albert B. wird künftig schneller auf externe Hilfe zurückgreifen. Er weiß jetzt, dass Mediationen eine Menge Zeit, Nerven und Kosten sparen.

 

Über die Autoren:

Die Autorin Susanne Kleiner, Communications MSc, ist selbstständige PR Beraterin, Mediatorin und freie Journalistin (DJV) in Stuttgart. Die zertifizierte Trainerin bietet Seminare für „Konfliktmanagement“ und „Teamentwicklung“ an.

Der Autor Rainer Metschke, LL.M. Eur., ist Rechtsanwalt und Mediator in Schwäbisch Hall. Seine Mandanten sind regionale und überregionale mittelständische Unternehmen. Als Dozent bildet er bei der IHK Umweltmanagementbeauftragte auf dem Gebiet des Umweltrechts fort.

 

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