Knochengewebe aus dem Reagenzglas

Die Herstellung eines künstlich geschaffenen Materials, das in der Medizin als Ersatz für den menschlichen Knochen eingesetzt werden kann und in das noch dazu Mikrokugeln mit Medikamenten eingebaut sind, die den Genesungsprozess beschleunigen: Das ist eines der Ziele des neuen EU-weiten Forschungsprojekts ITN-Biobone, an dem Wissenschaftler des Lehrstuhls für Werkstoffwissenschaften (Biomaterialien) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) beteiligt sind. Gemeinsam mit einem Konsortium von Partnern aus Forschung und Industrie entwickeln sie bioaktive Gläser, Biokeramiken und neuartige Verbundwerkstoffe für Orthopädie, Chirurgie und regenerative Medizin.

Das Projekt wird von der Europäischen Kommission über einen Zeitraum von vier Jahren mit rund 3,7 Millionen Euro gefördert.

„Die Forschungen an meinem Lehrstuhl zielen auf die Entwicklung von bioaktiven Keramiken und multifunktionalen Gläsern, die speziell beim Knochen-Tissue Engineering, also der Gewebezüchtung, genutzt werden können“, sagt Prof. Dr. Aldo R. Boccaccini, Inhaber des FAU-Lehrstuhls für Werkstoffwissenschaften (Biomaterialien). Beim Tissue Engineering stellen Forscher biologisches Gewebe künstlich her. In der Regel entnehmen sie dazu dem Patienten Zellen, die sie im Labor kultivieren, vermehren und anschließend retransplantieren. Krankes Gewebe kann auf diese Weise durch gesundes ersetzt werden.

Die von Prof. Boccaccini und seinem Team entwickelten bioaktiven Gläser sollen als eine Art Gerüst dienen, das beim Tissue Engineering die Grundlage für die Entstehung neuen Knochengewebes bildet. „Wichtig ist, dass sich das künstlich hergestellte Material sowohl mit dem harten Knochen als auch mit Weichgewebe direkt verbindet“, erläutert Prof. Boccaccini. „Deswegen müssen unsere Gerüste dem menschlichen Knochen so ähnlich sein wie möglich, beispielsweise was seine Oberflächenbeschaffenheit oder seine Festigkeit betrifft.“

Des Weiteren plant der Werkstoffwissenschaftler in die Gerüste nur wenige Nanometer große Fasern oder Mikrokugeln zu integrieren, die Antibiotika oder wachstumsfördernde Mittel beinhalten. Die Medikamente werden im Körper freigesetzt, indem sich das Trägermaterial, d. h. das poröse, bioaktive Glas-Konstrukt, auflöst. „Ob dabei Rückstände im Körper zurückbleiben muss allerdings noch erforscht werden“, betont der Professor.

Das Projekt ITN-Biobone

Das multidisziplinare Konsortium, das an ITN-Biobone beteiligt ist, setzt sich aus sechs Partnern von Universitäten und Forschungsinstituten sowie vier Industriepartnern zusammen, die aus Deutschland, England, Frankreich, Spanien, Belgien und der Schweiz kommen. Sie verfügen über ausgezeichnetes Fachwissen in den Bereichen der Herstellung, Charakterisierung und Anwendung von Biokeramik und bioaktiven Gläsern für medizinische Zwecke. Das koordinierende Institut ist das Imperial College London, an dem Prof. Boccaccini als Gastprofessor tätig ist.

Darüber hinaus hat das Projekt ITN-Biobone auch die interdisziplinäre Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf den Gebieten der Biokeramik und des Tissue Engineering zum Ziel. Diese interdisziplinäre Ausbildung ist für einen wissenschaftlichen Austausch über die Herstellung und die umfassende Charakterisierung von innovativen Biomaterialien für die Knochen-Regenerierung sowie für fortschrittliche Biomaterialien für orthopädische Anwendungen relevant.

Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), gegründet 1743, ist mit 33.500 Studierenden, 630 Professuren und rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Und sie ist, wie aktuelle Erhebungen zeigen, eine der erfolgreichsten und forschungsstärksten. So liegt die FAU beispielsweise beim aktuellen Forschungsranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf Platz 8 und gehört damit in die Liga der deutschen Spitzenuniversitäten. Neben dem Exzellenzcluster „Engineering of Advanced Materials“ (EAM) und der im Rahmen der Exzellenzinitiative eingerichteten Graduiertenschule „School of Advanced Optical Technologies“ (SAOT) werden an der FAU derzeit 31 koordinierte Programme von der DFG gefördert

Die Friedrich-Alexander-Universität bietet insgesamt 142 Studiengänge an, darunter sieben Bayerische Elite-Master-Studiengänge und über 30 mit dezidiert internationaler Ausrichtung. Keine andere Universität in Deutschland kann auf ein derart breit gefächertes und interdisziplinäres Studienangebot auf allen Qualifikationsstufen verweisen. Durch über 500 Hochschulpartnerschaften in 62 Ländern steht den Studierenden der FAU schon während des Studiums die ganze Welt offen.

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