Kundenbegeisterung (Teil 1): Turbo für den Erfolg

Zufriedenheit und Kundenloyalität korrelieren nicht. Selbst durch und durch zufriedene Kunden zeigen heutzutage eine hohe Wechselbereitschaft. Wer treue Kunden will, muss diese begeistern. Begeisterung kann man nicht einfordern, man muss sie sich – genauso wie Vertrauen und Loyalität – immer wieder neu verdienen.

 

Es sind meist die kleinen Dinge und vor allem die zwischenmenschlichen Faktoren, die Kunden in Begeisterung versetzen – und damit für emotionale Verbundenheit sorgen. Begeisterung verzeiht auch kleine Fehler. Denn wer begeistert ist, trägt eine rosarote Brille, so wie ein frisch Verliebter, der nur die guten Seiten sieht und über kleine Schwächen milde hinweg schaut.

 

Im Wechselbad der Gefühle

 

Jede Kundenbeziehung ist ein Wechselbad der Gefühle und oszilliert zwischen schlimmster Befürchtung und hemmungsloser Begeisterung. Eine Kernfrage, die deshalb immer wieder zu stellen ist, lautet: „Welche Erwartungen haben unsere Kunden wirklich an uns? Und: „Wie können wir diese (immer wieder, deutlich) übertreffen?“ Und: „Wie können wir sicher sein, dass unsere Vermutungen stimmen?“ Für viele Kunden ist nämlich nicht Geld die knappste Ressource, sondern Zeit. Und für manche ist Raum, Ruhe und Freiheit der größte Luxus. Wer sich solche Dinge kaufen will und kann, der schaut nicht aufs Preisschild.

 

Dem Kunden kommt es also womöglich gar nicht auf den ganzen Service-Schnickschnack an, der bei Ihnen eine Kostenexplosion verursacht. Für ihn müssen zunächst die Kernleistungen stimmen. Einfach, praktisch und schnell muss es gehen. Und die Mitarbeiter sollen zuvorkommend, achtsam, freundlich, kompetent und hilfsbereit sein. Wer im Handel immer ewig an der Kasse warten muss, wenn er es eilig hat, den kann selbst die aufwändigste Promotion-Aktion nicht locken. Und wer einen Shop irgendwie schmuddelig findet, der geht nicht einmal mit einem dicken Geschenk-Gutschein dorthin.

 

Zwischen Enttäuschung und Begeisterung

 

Alle erhaltenen Leistungen werden vom Kunden subjektiv bewertet. Für ihn ist das Realität, was er wahrnimmt. So führt der Abgleich zwischen Erwartungen und tatsächlich erhaltener Leistung zu Enttäuschung, Zufriedenheit oder Begeisterung – und damit zum Wiederkauf und Weiterempfehlen oder aber zum Abwenden und aktiven Abraten.

 

Der Erwartungstopf speist sich aus dem, was Sie über sich und andere über Sie sagen. Einfluss nimmt auch die Bestform der Mitbewerber. Vor allem aber speisen sich Erwartungen aus eigenen inneren Bildern. Diese mentalen Landkarten wurden durch die Summe unserer Erfahrungen aufgebaut. Sie werden ständig bearbeitet und neu bewertet. Und all das passiert völlig unbewusst. So ist es sinnvoll, an positive Erinnerungen anzuknüpfen und das Neue auf der Basis von Bekanntem aufzubauen.

 

Die Erinnerungen an gemachte Erfahrungen entsprechen im Übrigen nie der Realität. Sie sind gefärbt durch positive oder negative Grundstimmungen, durch Vorlieben und Abneigungen und durch selektive Wahrnehmung. Vergessenslücken füllt uns Hirn praktischerweise mit scheinbar passendem Material. So kommt es, dass die gleiche Situation sich völlig verschiedenartig darstellt, wenn zwei Menschen davon erzählen.

 

Erwartungen sind immer subjektiv

 

Erwartungen wie auch Wahrnehmung und Bewertung des Erhaltenen sind immer emotional markiert. Das hat mit dem eigenen Anspruchsniveau zu tun. Und mit den abgegebenen Versprechen. Ebenso zählt, was üblicherweise zu erwarten ist. Und auch die Tageslaune spielt eine Rolle. Wem es gut geht, ist hoffnungsvoll gestimmt und großmütig bei kleinen Fehlern. Hat man aber einen rabenschwarzen Tag, dann kommt bei aller Anstrengung niemand gut weg. In einer solchen Verfassung ist unser Hirn in der Lage, sich das Schlimmste auszumalen.

 

Begeistert ist, wer mehr erhielt als er erwartet – oder mehr als andere. Denn unser Hirn vergleicht immer und fragt: In Relation wozu? Auch die so viel beschworene Qualität ist keine objektiv messbare Leistung. Sie wird immer verglichen und deshalb von jedem anders definiert. Qualitätsstandards, die Ihnen passend erscheinen, können für den Kunden völlig inakzeptabel sein. In jedem Fall gilt: Versprechen müssen unbedingt eingehalten werden. Und: Erst oberhalb der Null-Linie setzt Begeisterung ein. Um Kunden zu begeistern, werden Sie also Erwartungen übertreffen müssen, sonst schlägt die positive Erwartungshaltung schnell in Enttäuschung um.

 

Ein Unternehmen beinhaltet all das Wissen, das wir über die Marke, das Angebot bzw. die Firma und deren Menschen – aus eigenem Erleben und/oder vom Hören-Sagen – für abspeicherungswürdig gehalten haben. Bei Firmen mit einem guten Image und teuren Produkten ist die Erwartungshaltung zwangsläufig hoch. Sie dürfen sich keine einzige Panne erlauben. Je mehr er zahlt bzw. je emotionaler er einer Marke verbunden ist, desto gnadenloser ist der Verbraucher, wenn etwas nicht klappt.

 

Mitarbeiter involvieren

 

Jedes (Werbe-)Versprechen ist eine unbezahlte Schuld. Leider produzieren Werbeagenturen gerne vollmundige Werbeaussagen, ohne recht zu überlegen, wie sich diese im wahren Leben einlösen lassen. Auf diese Weise wird die Erwartungshaltung der Kunden künstlich hochgeschraubt – und Enttäuschungen sind vorprogrammiert. Also: Lieber weniger versprechen und mehr erfüllen. Vor allem aber muss im Vorfeld einer Werbekampagne mit den Mitarbeitern gemeinsam erarbeitet werden, wie sie die aufkommenden Kundenerwartungen erfüllen können – und wollen.

 

Die Einzelhandelskette Edeka hat beispielsweise mit der Imagekampagne ‚Wir lieben Lebensmittel’ einen Weg beschritten, der sich wohltuend vom allgegenwärtigen Preisgeschrei absetzt. Entscheidend ist nun, wie dieser Slogan gelebt wird. Denn er ist ein Kundenversprechen. Wir Kunden wollen demzufolge hochwertige, absolut frische, ästhetisch präsentierte Lebensmittel kaufen. Wir wollen erleben, wie die Ware gehätschelt und getätschelt wird, wenn die Mitarbeiter sie ins Regal räumen.

 

Wir wollen die Wurst würdevoll geschnitten und den Käse nobel gehobelt sehen. Wir warten auf den liebevollen Griff der Kassiererin nach den Produkten auf dem Band. Agiert das Personal hingegen uninteressiert und abweisend wie immer und hängen zudem die ‚Wir lieben Lebensmittel’-Schilder auch über den Damenstrümpfen im Non-Food-Bereich, dann ist klar: Die Mitarbeiter haben von alldem nichts verstanden. Weil sie eben offensichtlich nicht ausreichend eingestimmt wurden. Das ist enttäuschend.

 

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Das Buch zum Thema

Anne M. Schüller, Kunden auf der Flucht? Wie Sie loyale Kunden gewinnen und halten

Orell Füssli 2010, 208 Seiten, ISBN 978-3-280-05382-9

Ausgezeichnet von Managementbuch.de als Testsieger in der Kategorie Kundenbindung

 

 

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Über die Autorin

Anne M. Schüller ist Managementberaterin und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Sie hat über zwanzig Jahre in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen verschiedener Dienstleistungsbranchen gearbeitet. Die Diplom-Betriebswirtin und neunfache Buchautorin ist Vortrags-Redner und Profi-Trainer. Sie lehrt an mehreren Hochschulen und  gehört zum Kreis der Excellent Speakers. Zu ihrem Kundenstamm zählt die Elite der Wirtschaft. Ihr Buch „Kundennähe in der Chefetage“ wurde mit dem Schweizer Wirtschaftsbuchpreis 2008 ausgezeichnet. Kontakt: www.anneschueller.de.

 

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