Leichtbau: Faserverbundbauteile ohne Trennmittel fertigen

Um fertige Faserverbundbauteile aus dem formgebenden Werkzeug zu lösen, benötigt man bislang Trennmittel. Allerdings müssen diese danach aufwendig entfernt werden. Die Alternative: Eine speziell beschichtete Trennfolie, die keinerlei Rückstände hinterlässt.

Wer einen Kuchen backt, muss vorher die Backform einfetten – der Kuchen bleibt sonst daran kleben. Bei der Herstellung von Faserverbundwerkstoffen ist es ähnlich: Dort sprüht man Trennmittel auf die Werkzeugoberfläche, um das Bauteil nach dem Aushärten entformen zu können. Sowohl auf dem Bauteil als auch auf dem Werkzeug bleiben dabei Reste des Trennmittels zurück.

Die Bauteiloberflächen müssen dann meist manuell abgeschliffen werden – ein mühsamer und nicht unkritischer Prozess. Wird zu viel Substanz abgetragen, leidet die Bauteilqualität. Auch die Werkzeuge müssen regelmäßig gereinigt werden – doch der damit verbundene Stillstand kostet viel Geld. Das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM hat jetzt eine Trennfolie entwickelt, die diese Reinigungsschritte überflüssig macht. »Unsere Folie lässt sich auf jegliche Strukturen aufbringen und ermöglicht ein einfaches Entformen. Sie verfügt über eine 0,3 Mikrometer dünne plasmapolymere Trennschicht, die keine Rückstände auf der Bauteiloberfläche hinterlässt«, erklärt Dr. Matthias Ott, Projektleiter in der Abteilung Plasmatechnik und Oberflächen PLATO.

Entformen, transferieren und schützen durch Flex PLAS® -Technologie aus dem Fraunhofer IFAM / © Fraunhofer IFAM

Die Beschichtung beruht auf einer IFAM-Entwicklung zur Herstellung antihaftbeschichteter Bauteilformen mittels Niederdruckplasmaverfahren. Dabei wird die zu beschichtende Form in einen Plasmareaktor gegeben und der Atmosphärendruck auf ein 10 000stel gesenkt. Anschließend führt man schichtbildende Gase in den Reaktor ein und zündet ein Plasma. Werden in das Plasma Moleküle eingespeist, die Silizium oder Kohlenstoff enthalten, bilden sie Schichten. Da die Moleküle hochreaktiv sind, haften sie hervorragend an der Form.

Dehnung bis zu 300 Prozent

Der Haken an der Sache: Da die Plasmareaktoren höchstens fünf Kubikmeter groß sind, können nur verhältnismäßig kleine Formen beschichtet werden. Zusammen mit den Experten der Fraunhofer-Projektgruppe Fügen und Montieren FFM des IFAM in Stade gingen die Bremer Forscher daher neue Wege: »Mit einer entsprechenden Trennfolie wollten wir das Verfahren auch für große Bauteile, etwa für Flugzeuge, nutzbar machen«, sagt Dipl.-Ing. Gregor Graßl, FFM-Projektleiter. Zwar gibt es bereits Trennfolien auf dem Markt. Diese sind jedoch sehr steif, somit auch nicht tiefziehfähig und eignen sich nur für einfache Formkonturen. Die IFAM-Wissenschaftler verwenden dagegen eine strapazierfähige und elastische Folie, die eine Dehnung von bis zu 300 Prozent aushält. Darüber hinaus ist sie mit weniger als 0,1 Millimeter sehr dünn. »Dadurch lässt sie sich auch auf gekrümmte oder strukturierte Formen aufbringen, ohne dass sich Falten bilden«, so Graßl.

Die Herausforderung bestand darin, die Beschichtung fest haftend auf die Folie zu bringen. »Wir haben einen Plasmaprozess entwickelt, bei dem die Schicht relaxiert – also in einen Gleichgewichtszustand übergeht –, sobald das Plasma ausgeschaltet ist und sich keine hochreaktiven Teilchen mehr bilden: Die Moleküle ordnen sich innerhalb der Schicht so an, dass sich an der Oberfläche keine reaktionsfähigen Gruppen mehr befinden«, erläutert Ott. Dadurch haften die Harze des Faserverbunds nicht auf der Trennschicht, die Trennschicht jedoch sehr gut auf der Folie. Sie löst sich selbst unter Belastungen wie extremer Dehnung nicht. Auf dem Faserverbundbauteil bleiben im Gegensatz zu den bisher verfügbaren Folien keine Rückstände trennaktiver Substanzen kleben. »Wir nutzen quasi eine neue Stoffklasse, die dank ihrer chemischen Struktur in sich fester ist als klassische Polymere«, so Ott.

Dass sie auch realen Fertigungsbedingungen standhält, hat die als FlexPLAS® bezeichnete Folie in der FFM-Entwicklungshalle bereits bewiesen. Derzeit ist sie bei verschiedenen Kunden im Testeinsatz.

Die Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe (AVK) verlieh Matthias Ott und seinem Kollegen Gregor Graßl für ihre wissenschaftliche Arbeit den AVK-Innovationspreis 2012. Die Forscher belegten in der Kategorie »lukrative Prozesse und Verfahren« den ersten Platz und nahmen die Auszeichnung auf der Composites Europe, der Europäischen Fachmesse für Verbundwerkstoffe, Technologie und Anwendungen, Anfang Oktober in Düsseldorf entgegen.

(Fraunhofer 2012)

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