Leiharbeit auf Rekordniveau, gleiche Löhne werden angestrebt

Die Leiharbeit hat 2011 um weitere 13% (103.000 Leiharbeiter) auf ein neues Rekordniveau zugelegt. In 17.400 Verleihbetrieben wurden rund 910.000 Leiharbeiter beschäftigt (Stand: Ende Juni 2011). Damit entfallen bereits 2,9% der sozialversicherungspflichtigen Jobs auf die Leiharbeit. Die Branche selbst sieht sich damit auf dem Zenit: Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) rechnet mit einer Stagnation der Beschäftigtenzahlen auf diesem hohen Niveau.

Die Leiharbeit wird besonders von den Betroffenen, Arbeitnehmervertretern sowie christlichen und sozialdemokratischen Vertretern kritisiert. Leiharbeiter sind in der Regel deutlich schlechter bezahlt als die Stammbelegschaft, obwohl sie i.d.R. die gleiche Arbeit erledigen. Daher wird häufig ein versuchtes Lohndumping vorgeworfen. Arbeitgebervertreter führen hingegen das Argument der Flexibilität an, um Auftragsspitzen abfangen zu können, können aber die schlechte Bezahlung nicht erklären und meiden meist das Thema Lohndumping. IG-Metall-Chef Berthold Huber spricht von einer „miserablen Vergütung bei prekärer Beschäftigung“. Die Bundesagentur für Arbeit listet die weiteren Vorteile der Leiharbeit als eine Art Brückenfunktion auf: „Leiharbeit stellt eine Beschäftigungsperspektive für Arbeitslose, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer, Berufseinsteiger oder Berufsrückkehrer dar.“

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat nun die Tarifpartner aufgefordert, eine Regelung zu finden, dass Leiharbeiter ab einem gewissen Zeitpunkt den gleichen Lohn erhalten wie Stammbeschäftigte. Wenn eine Einigung innerhalb der ersten drei Monate dieses Jahres nicht gelingen sollte, dann will die Ministerin eine Expertenkommission hierzu einsetzen.

Dabei kann ein Verlust des Augenmaßes sehr teuer werden, wie ein warnendes Beispiel aus 2010 zeigt: Mitte Dezember 2010 wurde per Gerichtsentschluss der Zeitarbeitsorganisation CGZP die Tarifmächtigkeit aberkannt. Diese war zuvor durch Dumpingabschlüsse ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Durch den Gerichtsentscheid mussten die vertretenen Firmen ihren beschäftigten Leiharbeitern (betroffen waren bis zu 280.000 Leiharbeiter in 1.600 Firmen) auf einen Schlag denselben Lohn wie der Stammbelegschaft zahlen, sowie deshalb auch Sozialleistungen von rund zwei Milliarden Euro nachzahlen. Der Versuch des Lohndumpings hat hier also zu erheblichen Belastungen für die Unternehmen geführt. Auch die Kosten des Imageverlusts wie beispielsweise bei Schlecker aufgrund des Lohndumpings sind nicht zu unterschätzen. Schlecker musste vergangene Woche Insolvenz anmelden. 2009 hatte die Drogeriemarktkette eine Welle der Empörung ausgelöst, als bekannt wurde, das mittels Leiharbeit systematisch der Tariflohn von 12,70 Euro pro Stunde auf 6,78 Euro gedrückt werden sollte. Viele kritische Verbraucher boykottierten daraufhin das Unternehmen, die Umsatzzahlen brachen ein.

Die Stahlindustrie hat hier allerdings Ende September 2010 bereits einen Vorbildcharakter gezeigt: Gewerkschaften und Arbeitgeber hatten sich darauf geeinigt, dass Leiharbeiter künftig genauso bezahlt werden wie die Stammbelegschaft. Dies ist in Frankreich und den Niederlanden schon längst üblich, um Verwerfungen und staatlich gefördertes (wettbewerbsverzerrendes) Lohndumping mittels Aufstocker zu vermeiden.

Manpower-Chefin Vera Calasan ist der Ansicht, dass Zeitarbeiter auch in Deutschland über kurz oder lang genauso viel verdienen werden wie Stammkräfte. „Die Grundforderung ist ja nicht verkehrt. Das Problem ist die Umsetzung. Man muss es schrittweise machen und nicht überstürzt.“ Manpower bereite sich bereits „in Pilotregionen“ auf „Equal Pay“ vor. Allerdings seien die Unternehmen in der Regel nicht bereit, mehr Geld für geringqualifizierte Leiharbeiter zu zahlen.

Mitte April 2011 hatte auch Patrick De Maeseneire, Chef des weltgrößten Personalvermittlers Adecco, bereits eine gleiche Entlohnung von Leiharbeitern und Stammkräften – eine der Kernforderungen von Arbeitnehmervertretungen – als möglich bezeichnet. Im Gegenzug müsste laut De Maeseneire allerdings dann die Flexibilität erhöht werden. Er verwies dabei auf das Nachbarland Frankreich, wo das Equal Pay Prinzip des gleichen Lohns für die gleiche Arbeit bereits ähnlich wie in den Niederlanden umgesetzt wird, allerdings die Zeitarbeiter nur auf wöchentlicher Basis beschäftigt und entlohnt werden. Dieser Ansatz ist in Deutschland bislang noch nicht möglich.

(mb)

 

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