Libor: Internationale Großbanken stehen vor einem moralisch-ethischen Bankrott

Die Verfehlungen der Großbanken können nicht mehr als Ausnahmen eines ansonsten seriösen Geschäftsgebarens gerechtfertigt werden, zu groß sind die Sündenfälle. Dr. Georg Erber, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Wettbewerb und Verbraucher am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), in einem Kommentar über den moralisch-ethischen Bankrott der internationalen Großbanken.

Der Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder:

Seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 sehen sich die internationalen Großbanken einer wachsenden Kritik an ihrem Geschäftsgebaren ausgesetzt. Immer neue Skandale fast im Tagesrhythmus veranlassten Christian Siedenbiedel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im August zu folgendem Kommentar: „Skandalsommer in der Finanzbranche. Verfall im Bankenviertel. Banker wetten gegen Kunden, waschen Geld und drehen am Zins. Aber wo sie sich verzockt haben, wurden sie mit Staatsgeld gerettet. Was ist bloß in die Leute gefahren?“ Offenbar fällt es selbst der Finanzindustrie gewogenen Journalisten immer schwerer, die Verfehlungen von Großbanken wie Barclays, HBSC, Standard Chartered, UBS und Deutscher Bank als Ausnahmen eines ansonsten seriösen Geschäftsgebarens zu rechtfertigen.

Da wird Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise im Rahmen des Wheatley Berichts nun auch offiziell eingeräumt, dass vermutlich mindestens von 2005 bis 2008 der Libor-Zinssatz von den daran beteiligten Geschäftsbanken und der British Bankers Association (BBA) systematisch nach unten manipuliert wurde. Daran hängt ein direktes oder indirektes Finanzvolumen von schätzungsweise 300 Billionen Dollar an Finanzkontrakten des Derivatehandels. Die rapide Ausweitung der Indexierungen auf diese Leitzinssätze hat offenbar lange Zeit das globale Zinsniveau nach unten manipuliert und damit maßgeblich zum Ausmaß der Finanzkrise des Jahres 2008 beigetragen. Kein Wunder, dass die großen Geschäftsbanken nach der Lehmann-Pleite einander gegenseitig nicht mehr trauten. Das Misstrauen war wohl begründet, denn jede der an der Zinsmanipulation beteiligten Bank wusste nur zu gut, dass der offiziell von der BBA veröffentlichte Libor-Zinssatz nicht den tatsächlichen Marktverhältnissen entsprach. Geld hätte deutlich vorher sukzessive teurer werden müssen.

Die Krone des Libor-Skandals setzte der entlassene Barclays-Chef Robert Diamond dem Ganzen auf, als er im Rahmen einer Anhörung darauf hinwies, dass er von Paul Tucker – heute der favorisierte Kandidat für den Chefposten der englischen Zentralbank – nach dem Ausbruch der Finanzkrise indirekt dazu angestiftet wurde, dies zu tun – so die Lesart von Robert Diamond. Die Vertreter der englischen Zentralbank hatten ein Interesse, nach dem Run auf britische Banken wie Northern Rock nicht noch weitere britische Institute in den Strudel eines Bank Runs geraten zu lassen. Der Zweck heiligt die Mittel? Darf eine mit der Aufsicht über die Finanzmärkte beschäftigte Institution eine Geschäftsbank diskret zur Zinsmanipulation auffordern?

Bemerkenswert ist auch die Reaktion aus den USA. Der jetzige US-Finanzminister und damalige Chef der New Yorker Niederlassung der Fed, Timothy Geithner, setzte erst jetzt die erstaunte Öffentlichkeit davon in Kenntnis, dass er bereits im Juni 2008 Paul Tucker über seine Bedenken hinsichtlich des Libor-Zinssatzes informiert und Reformvorschläge gemacht hatte, die ihm zuvor von Wall Street Banken – auch dies wurde erst von Journalisten aufgedeckt – zugespielt worden waren. Passiert ist danach zunächst nichts. Jetzt, mehr als vier Jahre danach, sollen endlich Reformen eingeleitet werden. Es bleibt abzuwarten, ob endlich gut wird, was lange währt, denn das Vertrauen in die beteiligten Geschäftsbanken und die Finanzaufsicht beiderseits des Atlantiks ist nachhaltig erschüttert. Des Weiteren fehlt es an der umfassenden strafrechtlichen Aufarbeitung. Glaubwürdigkeit erfordert aber Sanktionen gegen die Täter und Mitwisser. Es bleibt noch viel zu tun.

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