Lichtenhagen reloaded: Willkommen in Deutschland! Und nun brennt!

Seit mehreren Wochen häufen sich in deutschen Landen Angriffe auf tatsächliche und geplante Unterkünfte für Asylsuchende. Bundesjustizminister Maas hat nun am Donnerstagmorgen die Social Media-Plattform Facebook als Teil des rassistischen Problems ermittelt. Er bemängelte in einem Brief an das Unternehmen, dass rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen nicht rechtzeitig gelöscht würden. Die sozialen Medien werden seit vielen Jahren auch von rechtsextremen Gruppierungen und von „besorgten Bürgern“ zur Vernetzung genutzt und spielen eine erhebliche Rolle im Organisationsnetz des rassistischen, semidigitalen Mobs.

Doch die Forderung nach der Löschung rassistischer Kommentare und Posts ist Sinnbild für das hilflos wirkende Konzept der Politik im Umgang mit dem Phänomen Fremdenfeindlichkeit: Es wird nach kurzfristigen Möglichkeiten zur Begrenzung des Problems gesucht – die Feuer sollen schnellstmöglich gelöscht werden, die Brandursache hingegen interessiert kaum jemanden.

Dumm wird man nicht, dumm bleibt man

Was bringt jemanden, der noch nie einem Flüchtling begegnet ist, dazu Asylunterkünfte in Brand zu stecken oder mit der NPD auf die Straße zu gehen? Natürlich spielt das soziale Umfeld eine wichtige Rolle, auch die Einflüsse digitaler und analoger Medien sind relevant oder was die Eltern tagein und tagaus von sich geben. Jedoch gibt es einen Faktor der all diese Elemente miteinander verbindet: Pure und unverfälschte Dummheit.

Wenn eine Person nie gelernt hat, mit all den Informationen umzugehen, die im digitalen Zeitalter auf den Durchschnittsmenschen einprasseln, sondern vielmehr im Gegenteil alles in sich aufsaugt, ist es ihm nicht möglich all die Vorurteile, Lügen oder Halbwahrheiten in einen überregionalen oder sogar globalen Kontext zu stellen und daraus eigene Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Naivität hilft rassistischen Rattenfängern sowohl im Netz als auch in der analogen Welt, mit einfacher Rhetorik Ängste vor Überfremdung zu schüren: Wenn man als passionierter Kleingärtner glaubt, dass der syrische Bürgerkriegsflüchtling hierherkommt, um deinen preisgekrönten Grünkohl aus dem Beet zu klauen, dann ist der Griff zur Mistgabel nur eine Frage der Zeit. Ersetzen wir nun Grünkohl als Variable, ist bereits die rechtsextreme Erfolgsformel gefunden. Flüchtling A kommt hierher um den unbescholtenen Bürger {zu klauendes Item hier einfügen} zu klauen.

Medien sind keine Quelle von Bildung

Nicht erst seit Pegida hat der Terminus „Lügenpresse“ in Kreisen rassistischer Idioten einen festen Platz. Viele Menschen glauben an eine Verschwörung zwischen Politik und Medien, die für eine quasi zensierte und „politisch korrekte“ Berichterstattung sorgen soll. Dieser Umstand bewirkt mittlerweile, dass ein großer Teil des rassistischen Mobs die in den Medien angebotenen Argumente pro und contra Zuwanderung nicht mehr wahr nimmt und Belehrungen von Politikern sind seit jeher nicht gerade ein effizientes Bildungsinstrument. Und wenn Sigmar Gabriel durch Heidenau walzt und die randalierenden Asylgegner als Pack bezeichnet, hat er zwar nicht Unrecht, wird aber das Problem nicht lösen. Genauso wenig wie die quasi reflexhaften Schreie nach mehr Knast, mehr Cops und schnelleren Verhaftungen, wie sie in Reihen der großen Koalition mittlerweile stündlich erschallen.

Vielmehr liegt die Verantwortung für die momentane Situation in den Händen der regionalen und bundespolitischen Parteien. Die seit Jahren stetig wachsenden Kürzungen der Fördergelder für Projekte gegen Rechtsextremismus, Aussteigerprogramme und Aufklärungsveranstaltungen rund um politische Bildung untergraben das instabile Fundament, das von der Zivilgesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts gelegt worden ist. Dieser Umstand gepaart mit falschen Verständnis von Politikern, die mit Phrasen à la „die Sorgen der Bürger ernst nehmen“ Stimmen am rechten Rand fischen. Eine Saat, die mittlerweile vor allem in den ländlichen Einflussbereichen der CSU und in Reihen der Polizei aufgegangen ist.

Man kann rassistischen, xenophoben und rechtsextremen Erscheinungsbildern langfristig nur mit ausgedehnten Bildungsangeboten begegnen. Und diese Maßnahmen dürfen sich nicht auf lächerliche Comics des Verfassungsschutzes beschränken, sondern müssen in allen Schichten der Bevölkerung verankert werden. Das schließt den BILD-zeitungskonsumierenden Großbuchstabenleser genauso mit ein, wie den Tankstellensäufer oder die Stammtische der Republik.

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