Lost Generation… Über Sarotti Mohren und kleine Negerlein

Oder denken Sie an Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer, an dessen Anfang auf der Insel Lummerland, die unter der Regentschaft von König Alfons dem Viertel-vor-Zwölften steht und von Frau Waas, Herrn Ärmel und Lukas dem Lokomotivführer bewohnt wird, ein kleines Paket ankommt, welches schleunigst und voller Neugier geöffnet wird: „Ein Baby!, riefen alle überrascht, ein schwarzes Baby! Das dürfte vermutlich ein kleiner Neger sein, bemerkte Herr Ärmel und machte ein sehr gescheites Gesicht.“

Heutzutage ist es en vogue, vor lauter politischer Korrektheit solche Texte abzulehnen, ja gar sie zu verbieten oder wenn dies nicht gelingen mag, wenigstens umzuschreiben oder besser gesagt mutwillig zu verstümmeln. Sogar der gute alte Mohr auf der Lieblingsschokolade meiner Kindheit musste in diesem Wahn einem dämlichen kleinen „Magier der Sinne“ weichen. Vom guten alten Neger- oder Mohrenkuss ganz zu schweigen. Was, man wagt es kaum zu glauben, jedoch nicht nur ein rein deutsches Phänomen ist.Tim und Struppi, insbesondere der Comic-Band „Tim im Kongo“, sollte auf Bestreben des in Belgien heimischen Kongolesen Bienvenu Mbutu Mondondo, wegen der „Rechtfertigung von Kolonialismus und weißer Überheblichkeit“ verboten oder zumindest durch einen unübersehbaren Aufkleber als „rassistisch“ gekennzeichnet werden, was jedoch ein belgisches Gericht 2011 mit der Begründung ablehnte, dass dieser Comic, der zuerst 1930/31 erschien, dem damaligen Zeitgeist gehorchend, zwar kräftig von der Kolonialideologie geprägt sei, wonach allein die Herren aus dem fernen Belgien das Glück der Eingeborenen zu garantieren vermögen. Aber daraus ließe sich jedoch nicht, nur um dem heutigen Zeitgeist dienstbar zu sein, ein Verbot ableiten (vgl. Peter Dittmar in DIE WELT vom 25.02.2012).

Bücher können in der Hand eines Unwissenden eine tödliche Waffe sein, wie Jorge Louis Borghes in einem seiner Werke ausführte oder wie es Peter Dittmar in DIE WELT ausdrückte: „Bücher können eine gefährliche, aber auch eine gefährdete Ware sein. Immer wieder erheben sich Stimmen, die fordern, ein Buch zu verbrennen, ein Buch zu verbieten. Gemeinhin gilt das als Ausdruck einer rechts-reaktionären Gesinnung. Linkem Denken, so ein gängiger Gemeinplatz, seien solche Anwandlungen fremd.“ Nein, die Hatz auf die vermeintlichen Rassismus und Ressentiments stiftenden Lieblingsbücher meiner Kindheit und Jugend geht quer durch alle politischen Lager.

Die Negerprinzessin Pipi heißt heute Südseeprinzessin und ihr werter Herr Vater Südseekönig anstatt Negerkönig. Völlig abstrus wird es jedoch, wenn sich unsere hochwohl verehrte Bundesfamilienministerin Schröder zu Wort meldet, wie es erst vor kurzem im Rahmen eines ZEIT Interviews zu diesem Thema geschah. Auf die Frage, wie sie mit dem „kleinen Neger“ in Michael Endes Buch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ umgehen würde, antwortete sie in ihrer göttlichen Einfältigkeit: „Ich würde daraus beim Vorlesen ein Baby mit schwarzer Hautfarbe machen“. Kompliment, auf so etwas Geniales muss man wirklich erst mal kommen. Chapeau, Frau Ministerin. Nimmt man sich nämlich die Passage nach dieser genialen Übertragung in die Welt der verlogenen politischen Korrektheit nochmals vor, liest sie sich dann wie folgt: „Ein Baby riefen alle überrascht, ein schwarzes Baby! Das dürfte vermutlich ein Baby mit schwarzer Hautfarbe sein, bemerkte Herr Ärmel und machte ein sehr gescheites Gesicht.“ Mag sein, dass Herr Ärmel zwar ein Mann voll großer Güte und eher kleinem Verstand ist, aber so doof ist er am Ende doch nicht. Dazu muss man schon in der Bundesregierung sitzen.Was ist das für eine verlorene Generation, was ist das für ein verlogenes Pack, das auf der einen Seite vor lauter politischer Korrektheit uns unserer Kultur berauben will und auf der anderen Seite die Kinder immer schneller durch die Schulen prügelt und Schul- und Studienpläne nur noch an den Erwartungen des Raubtierkapitalismus ausrichtet? Jede Sprache ist von ihren Zeitumständen geprägt und Ausdruck des Zeitgeistes. Kinder sind nicht doof. Auch sie können das eine von dem anderen unterscheiden, oder wie es Alexander S. Neill auf den Punkt brachte: „Es gibt kein problematisches Kind, es gibt nur problematische Eltern“.

Ich für meine Person wäre bei einer Mutter wie Frau Schröder mit Gewissheit noch vor der Pubertät schwul geworden. Shit, das darf man ja laut der Gutmenschen auch nicht mehr sagen. Mir doch egal. Meine guten Freunde sind sowieso gerne „schwul“ und finden eher „homosexuell“ als diskriminierend. Sei’s drum. Ich für meine Stelle mache für heute besser Schluss bevor ich mich noch um Kopf und Grade schreibe angesichts einer Gesellschaft, die es hinbekommen hat, dass man Joseph Conrads „Der Nigger von der Narcissus“ und „Die zehn kleinen Negerlein“ nur noch im Antiquariat findet, der Begriff Mohr verpönt ist und meine Lieblingsbücher bis zum Haare ausraufen zensiert und umgeschrieben werden.

Ich für meine Person werde auch meinen Enkelkindern noch die Geschichten von der Negerkönigin und dem kleinen Negerbub aus Michael Endes Klassiker vorlesen. Die zehn kleinen Negerlein habe ich auch schon für alle Fälle auf CD gebrannt und sicher mit allen anderen „Wertsachen“ versteckt, damit wir sie dann allabendlich mit voller Wumme abspielen können, bis von mir aus die Polizei kommen mag. Die ganzen neuen Gutmenschenversionen meiner Kindheitsklassiker können sich Schröder und Co. von mir aus in den Allerwertesten stecken. Ich liebe Bücher, aber solcher Schwachfug kommt bei mir nicht über die Schwelle der Eingangstür.In diesem Sinne wünsche ich uns allen mehr Mut zur politischen Unkorrektheit.

Ihr

Ulrich B Wagner  

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Über den Autor:

Ulrich B WagnerUlrich B. Wagner, Jahrgang 1967, studierte Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Kommunikation, Coaching und Managementberatung (ikcm) mit Sitz in Bad Homburg und Frankfurt am Main und gleichzeitig Dozent an der european school of design für Kommunikationstheorie sowie Werbe- und Konsumentenpsychologie. Ulrich Wagner arbeitet als Managementberater und systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikations- und Rhetoriktrainings, Personalentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare. Zu erreichen: via Website ikcm, via Mail uwagner@ikcm.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

 

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