Maastricht 2.0 – Reform des Euro-Stabilitätspakts

Das EU-Parlament in Straßburg hat den bisherigen Stabilitäts- und Wachstumspakt in der Europäischen Union (Euro-Stabilitätspakt), die nach dem Ort des Abkommens 1997 sogenannten Maastrichtkriterien, deutlich verschärft. Dies betrifft sowohl die Kriterien selbst als auch die bei Verstoß fälligen Sanktionen. Bislang sahen die Maastrichtkriterien vor, das ein Land eine jährliche Neuverschuldung von 3% des BIP sowie eine Staatsverschuldung von insgesamt 60% des BIP nicht überschreiten dürfe. Beim Verstoß drohten Geldstrafen, die allerdings in der Regel aufgrund politischer Interessen nicht verhängt wurden.

Bereits vor einem Jahr hatte die EU-Kommission sechs Richtlinien und Verordnungen zur Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, das sogenannte „Sixpack“ vorgelegt. Dieses hat nun das EU-Parlament am Mittwoch mit großer Mehrheit gebilligt. Im Ergebnis wird die Kontrolle der nationalen Haushalte durch die europäische Gemeinschaft weiter gestärkt und Verstöße gegen die Haushaltsdisziplin stärker geahndet. Der Schritt gilt als die bisher größte Reform im gemeinsamen Währungsgebiet.

Die konkreten Änderungen des „Sixpacks“ drehen sich vor allem um eine Stärkung der vorbeugenden Beurteilung der Haushaltsplanungen, sowie ein Frühwarnsystem, mit dem die Wettbewerbsfähigkeit der Länder beurteilt werden soll. Die sechs Änderungen:

Gesamtverschuldung: Künftig kann ein Defizitverfahren gegen ein Land bereits bei einem Überschreiten der 60%-Verschuldungsgrenze eingeleitet werden. Bislang war dies nur bei dem Überschreiten der jährlichen Neuverschuldungsgrenze von 3% möglich. Hierbei wird es eine Übergangszeit von drei Jahren geben, damit sich Staaten auf diese neue Regel einstellen können.

Schnellerer Schuldenabbau: Es ist vorgesehen, dass ein Land jedes Jahr ein Zwanzigstel von seinem Schuldenberg abtragen muss, der über der 60%-Marke liegt. Für Deutschland mit einem Schuldenstand von 80% würde dies eine Reduktion um einen Prozentpunkt pro Jahr bedeuten. Wird dies nicht erfüllt, so wird neuerdings ebenfalls ein Verfahren eingeleitet. Allerdings hat die EU-Kommission in diesem Punkt einen gewissen Ermessensspielraum zugesprochen bekommen, „alle angemessenen Faktoren" zu berücksichtigen.

Schärfere Ausgabenkontrolle: Staaten, die die Kriterien der Neuverschuldung oder des Gesamtschuldenstandes reißen, dürfen ihre öffentlichen Ausgaben nicht stärker steigern als die Volkswirtschaft insgesamt wächst.

Härteres Sanktionsverfahren: Künftig werden die Sanktionsverfahren halbautomatisch ausgelöst und benötigen nur noch eine Zweidrittelmehrheit der EU-Finanzminister. Der weitere Verlauf des Sanktionsverfahrens kann dann nur noch über ein Veto des Ministerrates verhindert werden.

Neue Schuldenbremse: Die Staaten werden verpflichtet, eine wie in Deutschland vergleichbare, im nationalen Recht verankerte Schuldenbremse einzuführen.

Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit: Die EU-Kommission will künftig die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsländer besser überwachen. Kriterien sind unter anderem Lohnstückkosten und öffentliche Löhne. Den Low-Performern wird Brüsseler künftig Maßnahmen vorschreiben, die Situation zu verbessern, im Notfall werden Sanktionen verhängt. Auch Staaten die Handelsüberschüsse erwirtschaften wie Deutschland bekommen künftig Empfehlungen, die Handelsungleichgewichte abzubauen. Dies geht über eine Stärkung des Binnenmarktes und der Kaufkraft der Bürger, wodurch die exportlastigen Staaten gleichzeitig auch krisenresistenter werden. Sanktionen gegen die Exportstaaten sind dabei allerdings nicht vorgesehen.

Nach der Zustimmung durch das EU-Parlament müssen nun noch die EU-Finanzminister am 4. Oktober zustimmen. Dies gilt allerdings nur als reine Formsache. Die Gesetzesbestimmungen könnten dann Anfang 2012 in Kraft treten.

Kurz zuvor hatte die EU-Kommission die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in allen 27 Mitgliedsstaaten beschlossen. Hier ist jedoch mit starkem Widerstand der Banken- und Finanzdienstleisternation Großbritannien zu rechnen (rund 10% des BIP entfällt auf den Finanzbereich um die City of London). Daher wird die Steuer wohl zuerst nur in den 17 Staaten der Euro-Zone eingeführt werden. EU-Kommissionspräsident Barroso hatte die Finanztransaktionssteuer angesichts der europäischen Kosten der Bankenrettung seit 2008 in der Höhe von 4,6 Billionen Euro als eine Frage der Fairness bezeichnet. „Es ist Zeit, dass der Finanzsektor der Gesellschaft einen Beitrag zurückgibt.“ (Details: hier.)

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