Me, myself and I – Für eine Poesie des Alltags

Die wöchentliche Business-Kolumne von Ulrich B Wagner mit dem Titel „Me, myself and I – eine Reise in sich hinein und über sich hinaus„.

Heute: Für eine Poesie des Alltags – Wir müssen uns verlieren können, um nicht verloren zu gehen….

Der Gedanke der abschweift, abirrt, lässt den Sitz des Attraktors ahnen. Er bietet daher eine tiefere Orientierung als der, der stur seine Linie hält (von Botho Strauss, Vom Aufenthalt).

Was treibt uns an? Was lenkt unsere Bahn? Wie finden wir unser Ziel?

Ist es Selbstgewissheit, ein Verlust der fragenden Neugier oder schlicht Ignoranz, was uns zähneknirschend (von Zeit zu Zeit auch -klappernd) in der Spur hält?

So drehen wir tagein, tagaus stur unsere Bahnen in der Konstruktion unserer Wirklichkeit und drohen schließlich in unserem eigenen Spinnennetz aus Terminen, Netzwerken und Dauerkommunikationen verloren zu gehen.

Dauerstress, chronischer Zeitmangel und Burn-out gehören mittlerweile zum guten Umgangston. Sind wir nicht zumindest von einem dieser Übel befallen, droht uns der soziale Exitus, und wir fühlen uns ausgeschlossen vom Club der Erfolgreichen und Schönen.

Wir funktionieren. Und sollten wir doch einmal …, dann nehmen wir uns halt eine Auszeit.

So auszeitend trifft mich unvermittelt der Schreck, die Provokation, und der hagere Finger des Thanatos klopft in Form einiger weniger Zeilen, dem Immediatbüchlein von Botho Strauss entflogen, an meine Schläfen: „Die Auszeit, die sich jemand nimmt, anstatt sich freizunehmen, beruft, dass es bald aus sein wird mit seiner Zeit.“
Wirkungstreffer!

Angezählt lege ich das Buch zur Seite und verliere mich in dem gerade Gelesenen. Schlafwandlerisch der Griff zurück zum Buch, die Zeilen suchend, die wortspielernd im Stande waren, mich ohne jegliche Vorwarnung aus Raum und Zeit zu katapultieren, um mich in diesen Worten zu verlieren.

Poesie übt Gewalt aus. Sie verdunkelt, um im nächsten Moment als Suchscheinwerfer in unserem Inneren Schmuggler und in Seenot geratene aufzuspüren.

So fühlen wir uns nicht nur berührt, sondern auch ertappt. Das Selbstverständliche beginnt zu wanken, wird brüchig und lässt mit jedem weiteren Riss neue Lichtstrahlen hindurch, die schließlich Neues, Verdecktes oder Verlorengegangenes beleuchten.

Verdammt!, denke ich mir. Warum nehme ich mir nicht schlicht und einfach frei? Was bezwecke ich mit meinem nicht hinterfragten Nachgeplapper von der Auszeit?

Gehört es mittlerweile vielleicht bereits zum guten Umgangston, sich nicht frei zunehmen von der Arbeit und dem alltäglichen Wahnsinn? Oder spüren wir vielleicht unbewusst die verdeckte Mahnung, die sich in dem bis dato so harmlosen Wörtchen freinehmen versteckt hält? Um mir freizunehmen, müsste ich mich nämlich erst einmal selbst frei machen. Frei von meinen Zwängen, meinen Routinen und meinen Ängsten. Dann machen wir stattdessen doch lieber eine Auszeit. In dieser verbirgt sich das An und Aus unseres Computers, das sofortige wieder Hochfahren unserer Arbeitslust, unseres Verfügbarseins und unserer ungebrochenen, ununterbrochenen Leistungsbereitschaft.

Wir brauchen jedoch diese freien Momente in unserem Leben, um nicht verlorenzugehen. Poesie kann uns dabei sehr hilfreich sein, da sie uns dazu verführt eingefahrene Denkmuster zu verlassen und Ungewohntem Platz zu machen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen von Zeit zu Zeit einige poetische Momente in Ihrem Leben, die es Ihnen erlauben, sich selbst zu verlieren und wiederzufinden.

Ihr    Ulrich B Wagner

Zum Autor:

Ulrich B. Wagner, Jahrgang 1967, studierte Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Kommunikation, Coaching und Managementberatung (ikcm) mit Sitz in Bad Homburg und Frankfurt am Main und gleichzeitig Dozent an der european school of design für Kommunikationstheorie sowie Werbe- und Konsumentenpsychologie.

Ulrich Wagner arbeitet als Managementberater und systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikations- und Rhetoriktrainings, Personalentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Website www.ikcm.de, via Mail uwagner@ikcm.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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