Mitarbeitermotivation? Wie sie wirklich funktioniert – Interview mit Mira Mühlenhof

Als Expertin für intrinsische Motivation hält Erkenntnis-Coach Mira Mühlenhof den Schlüssel zum Verständnis menschlichen Verhaltens in der Hand: Mit der von ihr entwickelten Key to see®-Methode vermittelt sie Führungskräften das nötige Know-how, um andere Menschen nicht nur besser verstehen, sondern auch deren Potenziale ausschöpfen zu können. Das Erkennen und Stillen von Bedürfnissen von Mitarbeitern oder Bewerbern sei für Unternehmen jener Schritt, der sie in Zeiten des Fach- und Führungskräftemangels nachhaltig nach vorn bringt, so Mühlenhof. Sie fordert ein Umdenken in der Führung und plädiert für einen radikal-empathischen Führungsstil.

Warum intrinsische Motivation ein Thema der Chefetage ist – Mira Mühlenhof im Interview

Schönen guten Tag Frau Mühlenhof, Sie vermitteln Ihr Wissen vor allen Dingen Führungskräften. Vor welchen Herausforderungen stehen Führungskräfte heute?
Mitarbeiter wollen heute mehr als früher – und sie fordern auch mehr. Der Job soll ihnen nicht nur das Auskommen sichern, sondern sie nachhaltig erfüllen, ihr Wunsch nach Teilhabe, Transparenz und Sinn ist größer als je zuvor. Mitarbeiter wollen in ihrer Individualität wahrgenommen werden, ihre Bedürfnisse spielen für eine erfolgreiche Führung also eine zunehmend große Rolle. Wer zufrieden ist, der bleibt im Unternehmen und bringt sich voll ein. Chefs müssen bereit und fähig sein, sich in die innere Landkarte ihrer Mitarbeiter einzufühlen. Die intrinsische Motivation wiegt heute weitaus schwerer als äußere (extrinsische) Anreize wie eine Gehaltserhöhung oder andere Privilegien. Vielen Führungskräften fehlt jedoch das Wissen um die Bedeutung der intrinsischen Motivation auf die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern.

Eine Führungskraft muss also in der Lage sein, hinter die Fassade eines Mitarbeiters zu schauen und seine innere Antriebsfeder erkennen?
Richtig. Eine individualisierte Führung ist der Hebel, mit dem Unternehmen für eine langfristige Mitarbeiterbindung sorgen können. Es ist – wie fast immer im Leben – ein Geben und Nehmen: Der Mitarbeiter will verstanden und seinen Fähigkeiten entsprechend gefördert werden, dafür darf sein Arbeitgeber volles Engagement und Commitment von ihm erwarten. Für diese individualisierte Führung braucht es Chefs, die sowohl sich selbst als auch ihre Mitarbeiter gut kennen, denn Selbstführung und Führung hängen eng zusammen. Die Zeiten, in denen Mitarbeiter als reine Arbeitskräfte betrachtet werden, sind vorbei. Führungskräfte tun gut daran, sich mit den Persönlichkeiten und individuellen Bedürfnissen der Menschen, die sie führen, auseinanderzusetzen. Denn je besser ich diese ansprechen und befriedigen kann, desto motivierter sind meine Mitarbeiter in ihrem jeweiligen Job.

Wie sieht dieser Führungsstil konkret in der Praxis aus?
Dazu ein Beispiel. Ein Mitarbeiter, dessen innere Motivation von Kampf geprägt ist, kann in der Zusammenarbeit anstrengend sein. Ein „Kämpfer“ sucht die Konfrontation: Er kommt zu spät zu Meetings, vertritt grundsätzlich konträre Meinungen, provoziert mit zynischen Bemerkungen oder verweigert gelegentlich sogar komplett die Mitarbeit. Hier hilft es nicht, wenn ich als Führungskraft den Kontakt meide und versuche, den Mitarbeiter mit zeitintensiven, aber anspruchslosen Aufgaben von mir fern zu halten, bis ich ihn in eine andere Abteilung abschieben kann. Hilfreicher wäre es, das innere Bedürfnis des Mitarbeiters zu erkennen: Seinem Verhalten liegt der Wunsch nach Aufmerksamkeit zugrunde. Es gilt also, die negative Aufmerksamkeit, die er durch sein Verhalten generiert, in eine positive umzuwandeln. Als radikal-empathische Chefin würde ich ihm eine anspruchsvolle Aufgabe geben, die ihm eine Spielfläche für sein Kampfbedürfnis bietet. Etwas, wo er sich wirklich hineinknien, aber hinterher eben auch die volle Aufmerksamkeit fürs Ergebnis genießen kann.

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Ein Leitfaden für Führungskräfte zur richtigen Mitarbeitermotivation: Das neue Buch von Mira Mühlenhof, „Chefsache intrinsische Motivation“. (Bild: © Springer Gabler / Mira Mühlenhof)

Können Führungskräfte diesen Anspruch im Tagesgeschäft erfüllen?
Das ist in der Tat eine der größten Herausforderungen. Individuell intrinsisch zu motivieren lässt sich prinzipiell lernen. Doch dafür braucht es zweierlei: Eine gute Selbstkenntnis und ausreichend Zeit für entsprechende Führungsaufgaben. Die Führung der Zukunft verlangt nach einer intensiven Auseinandersetzung mit Individuen. Dafür müssen Raum und Bewusstsein geschaffen werden.

Sie erklären in Ihrem neuen Buch „Chefsache Intrinsische Motivation“ die Key to see®-Methode. Was leistet sie?
Sie entschlüsselt verschiedene Denk-, Gefühls- und Handlungsmuster, die sich in menschlichem Verhalten widerspiegeln. Und sie macht den blinden Fleck der Persönlichkeit sichtbar. Damit sind jene unbewussten Verhaltensweisen gemeint, die zu Konflikten im Miteinander führen, ohne dass wir uns dieser Mechanismen überhaupt bewusst wären. In den Facetten unserer Persönlichkeit gibt es eben jenen blinden Fleck, der zu einer Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild führt. In dieser Diskrepanz liegt die Ursache für viele zwischenmenschlichen Konflikte verborgen.

Hat jeder Mensch einen blinden Fleck?
Ja, wir alle verfügen über unbewusste automatisierte Verhaltensweisen, mit denen wir versuchen, unsere Bedürfnisse zu stillen. Sie sind Ausdruck eines gefühlten Mangels. Und dieser Mangel prägt meine Sicht auf die Welt – meine Haltung, mein Auftreten, meinen Umgang mit anderen…

Wie kann ich den blinden Fleck sichtbar machen?
Indem Selbstbild und Fremdbild miteinander synchronisiert werden. In einem geführten Selbstreflektionsprozess lege ich das, was der Klient über sich denkt und das, was über ihn gesagt wird, er aber an sich selbst gar nicht wahrnimmt, übereinander wie eine Blaupause.

Das bedeutet, Führungskräfte sollten ihren eigenen blinden Fleck auch kennen?
Auf jeden Fall. Es ist enorm wichtig, dass ihnen bewusst ist, wie sie auf verschiedene Mitarbeiter wirken. Das macht erfolgreiche Führung überhaupt erst möglich. Chefs müssen wissen: Wie wirke ich auf welchen Mitarbeiter? Wie ist die Beziehung zum Einzelnen? Ist es ein Miteinander, ein Nebeneinander oder gar ein Gegeneinander? Was braucht der Einzelne von mir, damit die Zusammenarbeit funktioniert? Darauf Antworten zu haben, macht gute Führungskräfte aus und sorgt dafür, dass Mitarbeiter gerne im Unternehmen bleiben. Der radikal-empathische Führungsstil ist daher ein notwendiger und nachhaltiger Ansatz, um den (Führungs-)Herausforderungen unsere Zeit begegnen zu können.

Vielen Dank, Frau Mühlenhof, für Ihre spannenden Ausführungen über Ihren Ansatz zur Mitarbeitermotivation und die hilfreichen Einblicke in dieses allgegenwärtige Thema!

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Erkenntnis-Coach Mira Mühlenhof ist die Autorin des kürzlich erschienenen Buches „Chefsache intrinsische Motivation“. Die Grundlage ihrer Arbeit bietet die von ihr entwickelte Key to see®-Methode. (Bild: © Mira Mühlenhof)

Das Interview mit Mira Mühlenhof führte Oliver Foitzik, Herausgeber AGITANO und Geschäftsführer der FOMACO Gmbh.

Über Mira Mühlenhof

Mira Christine Mühlenhof ist Expertin für intrinsische Motivation, Speakerin und Erkenntnis-Coach. Mit ihrer Key to see®-Akademie in Berlin und Hannover schuf sie ein Lab zur Erforschung des inneren Antriebs von Menschen. Ihr tiefgründiges Wissen um das Enneagramm, das sie seit 2003 als Dozentin und Lehrerin weitergibt, mündete in der Entwicklung der Key to see®-Methode. Sie berät Konzerne ebenso wie kleine Firmen und Privatpersonen zu Veränderung, Entwicklung, Kundenbeziehungen und nachhaltiger Motivation. Die studierte Sozialpsychologin und Germanistin war als Journalistin und Moderatorin tätig, bevor sie sich gänzlich der Suche nach einem Schlüssel zum Verständnis menschlichen Verhaltens verschrieb. Gerade erschien ihr neues Buch „Chefsache Intrinsische Motivation“ im Wirtschaftsverlag Springer Gabler. Mehr unter www.keytosee.de.

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