Mitbestimmung 4.0: Tragfähige Entscheidungen werden im Dialog getroffen

Um die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen zu gewährleisten, sind oft Umstrukturierungen notwendig. Momentan setzen Digitalisierung und beschleunigte Märkte viele Geschäftsmodelle unter Druck. Bei den Mitarbeitern führen diese Prozesse oft zu Zukunftsängsten und Abwehrreaktionen. Damit es gelingt, das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen, müssen Management und Betriebsrat zusammenarbeiten. Im vertrauensvollen Dialog können sie ein tragfähiges Modell erarbeiten, erklärt Michael Mollenhauer, Partner der mmc AG.

Dialog statt Streik: Wie Mitbestimmung zukunftsfähig wird – Interview mit Michael Mollenhauer

Was meinen Sie mit „Mitbestimmung 4.0“?

Damit meine ich, dass wir unser deutsches Modell der Mitbestimmung zukunftsfähig machen müssen. Konflikt und Konsens, das Aushandeln zwischen den Sozialpartnern – das hat die Wirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg geprägt und ist damit Teil ihres Erfolgsmodells. Das soll auch so bleiben, aber gleichzeitig müssen wir das Modell zukunftsfähig machen. Mitarbeiter wollen heute nicht mehr nur getroffene Entscheidungen abnicken. Sie wollen tatsächlich mitgestalten. Das geht am besten, indem man sie von Anfang an dialogisch miteinbezieht, so dass eine gemeinsame Zukunftsvision für das Unternehmen entwickelt werden kann. Dafür eignen sich auch digitale Tools zur Mitbestimmung, wie ein Social Intranet.

Wollen Sie Mitarbeiter also vom Streiken abhalten?

In gewisser Weise schon. Natürlich ist es am besten, wenn es gar nicht erst zum Streik kommt, weil sich Mitarbeiter und Management anders einigen können. Wenn Mitarbeiter über ihre Vertretungen frühzeitig in die Entscheidungsprozesse mit eingebunden werden, dann muss es gar nicht erst so weit kommen. Umstrukturierungen und Neuausrichtungen dienen ja dazu, die Zukunft des Unternehmens – und damit auch die Arbeitsplätze zu sichern. Ein Arbeitskampf schwächt Unternehmen zusätzlich.

Die italienische Airline Allitalia steht wahrscheinlich vor dem Aus, weil sich Management und Bedienstete nicht auf einen Sanierungsplan einigen konnten. Was ist hier schiefgelaufen?

Ich denke, hier handelt es sich um ein Kommunikationsproblem. Gewerkschaften und Management hatten ja um den Sanierungsplan lange gerungen, beide Parteien hatten ihn dann abgesegnet. Aber weder der einen, noch der anderen Seite ist es dann gelungen, das Ziel an die Belegschaft zu kommunizieren. Nur ein offener Dialog kann gewährleisten, dass Mitbestimmung zum Wohle des Unternehmens und damit auch zum Wohle der Mitarbeiter gestaltet wird.

Wie sollte ein solcher Dialog aussehen, damit er erfolgreich verläuft?

Wir von mmc AG raten dazu, in vier Schritten vorzugehen. Als erstes sollten Mitarbeiter, vertreten durch einen kompetenten Betriebsrat, und Management gemeinsam eine Zukunftsvision für Geschäftsbereiche und Standorte entwickeln. Dann geht es um ein gemeinsames Verständnis von Unternehmensführung und die Frage, wie Kompetenzen, Organisationsstrukturen und Zuständigkeiten verteilt werden sollen. Als nächstes steht die Sozialverträglichkeit auf der Agenda. Es geht um die richtige Balance: Arbeitsplätze sollen so weit wie möglich erhalten bleiben, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens soll im Interesse aller erhalten bleiben. Bei all dem dürfen auch die Risiken, die mit den Veränderungen verbunden sind, nicht außer Acht bleiben. Im Dialog sollte man sich dann auch mit der Frage befassen, wie diese Risiken möglichst gering gehalten werden können.

Das Interview mit Michael Mollenhauer, Partner und Vorstand der mmc AG, führte Dr. Katja Heumader, Redakteurin AGITANO.

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