Netzwerke und Beziehungen

… aus der zweiwöchentlichen Themenserie „Die ersten 100 Tage zählen! So machen Sie ihre ersten 3 Monate als Führungskraft zum Erfolg“ von Volker Schneider.

Erstaunlich. Eine Führungskraft übernimmt eine neue Aufgabe und sofort werden über diverse Online-Netzwerke alle die, die es wissen wollen – oder auch nicht – darüber informiert. Also muss es sehr wichtig sein. Tatsächlich passiert es mir zunehmend öfter. Ich spreche mit Führungskräften über Netzwerke und die erzählen mir zuerst einmal von Xing, Facebook und Co. Und nicht mehr nur die relativ jungen Führungskräfte. Diese Netzwerke, mal mehr beruflich, mal mehr privat ausgerichtet, sind deshalb so wichtig, weil so viele schon dabei sind. Genau aus diesem Grund tummle auch ich mich auf diversen Plattformen. Zugegeben, in meiner persönlichen Einschätzung sind die meisten dieser Online-Netzwerke nicht überlebensnotwendig. Richtig eingesetzt, sind einige aber auch sehr sinnvoll und gewinnen zunehmend an Bedeutung. Für unser Thema, nämlich erfolgreich in den ersten 3 Monaten zu sein, haben diese Netzwerke nur eine Bedeutung. Sie stellen Informationen zur Verfügung, die wir unter Umständen gebrauchen können. Wie, erkläre ich gleich. Vorher noch eine Anmerkung: Diesen Vorteil Informationen über Personen zu erhalten, nutzen auch Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetzten, Kunden, Finanzamt usw… Dies sollte die neue Führungskraft bedenken, wenn sie an einer neuen Stelle über sich, ihre Erfahrungen und Erfolge erzählen.

Die Netzwerke und Beziehungen, die für eine neue Führungskraft in den ersten 3 Monaten wirklich relevant sind, befinden sich in der realen Welt und beziehen sich auf das direkte Arbeitsumfeld. Deren Auswirkung auf die eigene Person und Aufgabe kennen und nutzen zu lernen, ist eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Führungskraft. Und zwar von Anfang an und als dynamischer Prozess, der die neue Führungskraft permanent begleitet.

Aber eins ist klar. Es ist eine aufwendige Aufgabe. Ob es sich lohnt? Überprüfen Sie Ihre eigenen Erfahrungen. Wie oft haben Sie erlebt, dass informelle Strukturen, die aus Netzwerken bestehen, wesentlich mehr Einfluss auf Entscheidungen im Unternehmen haben, als die formalen Strukturen und Hierarchien? Und wie oft haben Beziehungen Einfluss auf Entscheidungen genommen, die Sie betrafen? Wie haben Sie eigentlich Ihre Führungsposition bekommen?

Zu meiner Zeit als neue Führungskraft kannte ich noch keine strukturierte Vorgehensweise, die mir wirklich geholfen hätte. Heute empfehle ich im Training und Coaching eine Vorgehensweise, die ich in der Folge kurz aufzeige.

Analyse der Netzwerke und Beziehungen

Der erste Schritt ist wie immer die Analyse. Ich empfehle der neuen Führungskraft eine Liste aller Personen zu erstellen, die direkt Einfluss auf sie und ihre Aufgaben haben. Das sind in der Regel Mitarbeiter und direkte Vorgesetzte. Das sind aber auch z.B. Kollegen und Kunden. Ebenso wie Schnittstellenpartner und diejenigen, die sie intern oder extern beliefern oder die ihnen zuliefern. Ich erlebe oft, wie Führungskräfte darüber erschrecken, wie lang diese Liste tatsächlich ist. Und anders als bei den o.g. Online-Netzwerken können sie hier nicht entscheiden, wer dazugehören soll oder nicht. Diese Menschen sind da und haben in irgendeiner Form Einfluss auf sie und ihre Aufgabe. Ob es ihnen gefällt oder nicht. Zu welchen dieser Menschen die neue Führungskraft wirklich eine Beziehung aufbauen und pflegen will, das darf sie selbst entscheiden.

Erstellen eines „Diagramms“

Mit den Personen aus der Liste sollte die neue Führungskraft nun ein Diagramm über Einfluss und Beziehungen erstellen. Anfänglich sollten nur wenige Kriterien eingesetzt werden. Also wer steht zu wem in welcher Beziehung und mit welchem Einfluss. Z.B. zeigt ein Pfeil an, wer auf wen Einfluss ausübt, und die Dicke des Pfeils, wie stark dieser Einfluss ist. Ein anderer Pfeil beschreibt die Beziehung zwischen den Personen. Also z.B. dicker Pfeile = gleich dicke Freunde, usw.. Ich erwähne es nur aus Erfahrung. Die neue Führungskraft selbst gehört natürlich mit in dieses Diagramm.

Ist die neue Führungskraft bereits Mitarbeiter des Unternehmens gewesen, indem sie eine neue Führungsaufgabe übernimmt, ist sie auch schon Mitglied in Netzwerken und hat verschiedene Beziehungen. Die Aufgabe bleibt die gleiche. Es stehen eben nur mehr Informationen bereits zur Verfügung als bei einem Neueinsteiger. Und natürlich können nun zur Informationsgewinnung die Online-Netzwerke einbezogen werden.

Erkennen Sie Mitspieler und Gegenspieler

Die Informationen und Rückschlüsse aus dem Beziehungsdiagramm sind schon sehr hilfreich. Jetzt wird es aber richtig spannend. Im nächsten Schritt empfehle ich, die Personen in Gruppen einzuteilen. Basis kann die Organisations-, eine Projekt oder Prozessstruktur sein. Was die neue Führungskraft eben als sinnvoll erachtet. Angelehnt an das Modell von Glasl werden diesen Personen nach den Kriterien Übereinstimmung und Vertrauen in Bezug auf die neue Führungskraft verschiedene Rollen zugewiesen. So entstehen Verbündete, Gleichgesinnte, Opponenten, Gegner und Unentschlossene. Diese Unterscheidung hat große Bedeutung. Ein Gleichgesinnter stimmt in der Sache mit der neuen Führungskraft überein, aber die Beziehung ist nicht von großem Vertrauen geprägt und unterscheidet sich so deutlich vom Verbündeten. Ändert sich die Auffassung einer solchen Person, wird diese auch schnell zum Gegner. Auf der anderen Seite ist nicht jeder, der anderer Meinung ist, auch gleich ein Gegner. Zu Opponenten besteht eine vertrauensvolle Beziehung, aber in der Sache, sind diese Personen anderer Meinung. Alleine an diesen beiden Konstellationen wird klar, dass es unterschiedlicher Strategien bedarf, um diese Personen zu Verbündeten zu machen. Während bei dem einen der Beziehungsaufbau im Vordergrund steht, will der andere in der Sache überzeugt sein. Macht es die neue Führungskraft umgekehrt, rennt sie offene Türen ein und erreicht weiter nichts.

Erhöhen Sie die Zahl der Verbündeten

Das Ziel, das hinter diesem Aufwand steht, ist klar. Neue Führungskräfte werden sehr genau beobachtet und teilweise kritisch beäugt. Es gibt Widerstand an unterschiedlicher Stelle und Vieles, was noch unberechenbar ist. Die Voraussetzung, Unterstüt¬zung für die eigenen Vorstellungen und Ziele zu gewinnen, ist eine ausreichende Zahl an Verbündeten. Und es liegt nun an der neuen Führungskraft, diese Verbündete zu finden. Und deshalb gilt: das Beziehungsdiagramm und die Übersicht der Mit-und Gegenspieler sollten fester Bestandteil jedes 100-Tage-Plans einer neuen Führungskraft sein. Es lohnt sich!

Ihr Volker Schneider

Volker Schneider

Zum Autor:

Volker Schneider ist Dipl. Betriebswirt, Speaker, Trainer und Coach. Er gilt als maßgebender Experte für Führungsintelligenz. Seine Karriere begann er im Polizeidienst als Streifenbeamter und Zivilfahnder. Danach wechselte er in die Wirtschaft, wo er lange Jahre erfolgreich in verschiedenen Geschäftsführerpositionen und als Vorstandsvorsitzender einer mittelständischen Aktiengesellschaft tätig war.

Heute ist er Inhaber eines Beratungsunternehmens und gibt sein Wissen zum Thema „Intelligenz führt“ in seinen souveränen und humorvollen Vorträgen weiter. In seinen fundierten Seminaren vermittelt der Experte, wie Führungsintelligenz als Antwort auf die Komplexität in Unternehmen aktiv zu implementieren ist. In seinen Coachings unterstützt er auf Augenhöhe Führungskräfte dabei, ihre Führungsrollen und ihr Führungsverständnis weiter zu entwickeln und ihre Mitarbeiter zu aktiven Mitgestaltern des Unternehmens zu machen. „Erfolgreiche Unternehmen brauchen intelligente Führungskräfte – keine Vorgesetzten“ ist seine Kernbotschaft.

Volker Schneider ist Professional Member der GSA – German Speakers Association. Weitere Informationen finden Sie auf seiner Website unter www.volkerschneider.net.

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