Nobelpreisträger Stiglitz fordert von der EZB niedrigere Zinsen

Der US-Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz fordert von der Europäische Zentralbank (EZB) niedrigere Zinsen. Das vorrangige Ziel der EZB müsse derzeit das Wirtschaftswachstum sein und nicht die Inflationsbekämpfung. „Die EZB sollte ihre beiden Zinserhöhungen rückgängig machen“, da die Inflation nicht das drängendste Problem in Europa sei. Der Leitzinssatz war im April und im Juli um jeweils 0,25 Punkte auf nun 1,5% angehoben worden. Da die Zinspolitik in Europa und den USA nicht mehr synchron laufe, werde die europäische Wirtschaft zusätzlich belastet. Die USA wollen ihrenLeitzins bis mindestens Mitte 2013 bei Nahe Null belassen. „Die derzeitige Geldpolitik der EZB treibt den Euro in die Höhe und schadet damit auch deutschen Exporteuren“, so Stiglitz. „Der Kontinent befindet sich klar in einem wirtschaftlichen Abschwung. Dafür sprechen auch die jüngsten Wirtschaftsdaten aus Deutschland.“

Die Inflation befindet sich im laufenden Jahr 2011 deutlich über dem Zielwert von 2,0%, bis zu dem die EZB die Preisstabilität gewahrt sieht. Die Teuerungsrate von Waren und Dienstleistungen war im Juli im Jahresvergleich um 2,4% erneut auf das Zweieinhalb-Jahreshoch vom April 2011 gestiegen und lag damit den sechsten Monat infolge über der Zwei-Prozent-Marke. Höher war die Inflationsrate in den letzten Jahren nur in dem Rohstoff-Spekulationsjahr 2008, als Gelder in Milliardenhöhe im Vorspiel der Finanzkrise aus dem Aktienmarkt flüchteten und massiv in die Spekulation mit Rohstoffen umgeleitet wurden. Damit wurde jedoch auch das Regulativ des Preises, das sich durch Angebot und Nachfrage regelt, in Richtung höherer Preise verzerrt. Die höheren Preise und Lebenshaltungskosten führen dann dazu, dass Unternehmensgewinne und Lohnzuwächse über die spekulativen Mehrkosten an die verantwortlichen Finanzjongleure umverteilt werden. Preistreiber waren im Juli erneut Benzin und Heizöl mit zweistelligen Zuwachsraten, sowie die Gas- und Stromkosten. In Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg war die Teuerungsrate im Bundesvergleich mit je 2,7% am höchsten. Ohne Mineralölprodukte hätte die Inflationsrate in Baden-Württemberg allerdings nur 1,9% betragen, eine die Konjunktur dämpfende Zinserhöhung wäre dann nicht nötig gewesen.

In Bezug auf die Spekulation mit Agrarprodukten an den Finanzmärkten hatte der französische Präsident und derzeitige G20-Vorsitzende Nicolas Sarkozy Mitte Juni 2011 gesagt: „Diese Märkte sind ein Witz. (…) Die Deregulierung der Finanzmärkte hat die Welt an den Abgrund geführt. Ein Markt ohne Regeln ist kein Markt mehr.“ Gegenteilige Argumente, dass europäische Handelsplätze nicht durch Regeln beeinträchtigt werden dürften, die an anderen Orten nicht bestehen, wies er entschieden zurück: „Wenn ein Land die Mafia nicht bekämpft, sollen wir alle deswegen die Mafia nicht mehr bekämpfen?“ Sowie: „Wir können uns nicht immer am Schlechtesten orientieren, der die wenigsten Regeln will.“ Europa habe daher die Pflicht, ein Modell für die Regulierung der Rohstoffmärkte zu entwickeln. Laut dem Berater Sven Marlinghaus von Brainnet geht rund 70 bis 80% der hohen Votalität bei Rohstoffen auf die volkswirtschaftlich kontraproduktive Spekulation zurück.

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