Nobelpreisträger Stiglitz zur Schuldenkrise, Wachstum statt Sparen und Kapitalismuskritik

Der renommierte US-Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, der unter anderem für seinen Einsatz für Entwicklungsländer und gegen die über Jahrzehnte verfehlte Strukturanpassungspolitik der Weltbank und des IWF berühmt geworden ist, hat ein exklusives Interview mit der Süddeutschen Zeitung geführt, das in der heutigen Mittwochsausgabe in voller Länge zu lesen ist.

Die Kernaussagen

Joseph Stiglitz kritisiert in dem Interview die eiserne Sparpolitik der Euroländer. Stiglitz wörtlich: „Eine Überdosis Sparen macht alles nur schlimmer.“ Weltweit gebe es kein Beispiel dafür, dass Kürzungen von Löhnen, Renten und Sozialleistungen ein krankes Land genesen ließen, zitiert die Süddeutsche Zeitung. „Das ist wie im Mittelalter. Wenn der Patient starb, hieß es: Der Arzt hat den Aderlass zu früh beendet, es war noch etwas Blut in ihm.“ Mit diesem Rezept seien überschuldete Schwellenländer jahrzehntelang behandelt worden – mit fatalem Ergebnis. „Oft endete das tödlich.“

Getreu den Lehren des großen Ökonomen John Maynard Keynes favorisiert Stiglitz statt dessen antizyklische Investitionen, um das Wachstum zu stärken und aus der Krise herauszuwachsen, anstatt sich weiter hineinzusparen. Dies solle dann allerdings über höhere Steuern gegenfinanziert werden. Exemplarisch nannte er die von der Finanzlobby gescheute Finanztransaktionssteuer (Mehrwert-/Umsatzsteuer auf Finanzprodukte), deren Einführung auf der Euroebene kürzlich erst an Bundesfinanzminister Schäuble gescheitert ist.

Stiglitz fordert auch eine gemeinsame Haushaltsbehörde für den Euro-Raum, um die regionalen Unterschiede in der Wirtschaftskraft auszugleichen. Dies zielt in Richtung einer Transferunion, um strukturschwache Euro-Regionen zu fördern.

Die Folge: Europa und die USA verlieren an Gewicht, geopolitische Auseinandersetzungen

Laut Stiglitz müssten sich Europa und die USA auf einen zunehmenden Machtverlust einstellen, während China und Indien in der Weltwirtschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen würden. Damit würde allerdings nur eine „Anomalie der Geschichte korrigiert“ werden, die erst in den letzten 200 Jahren aufkam. Die Machtverschiebung werde allerdings nicht ohne Konflikte ablaufen: „Ich erwarte eine ganze Menge geopolitische und wirtschaftliche Auseinandersetzungen. Man wird darüber streiten, wer die Geschicke der Welt lenkt.“

Der Kapitalismus in seiner jetzigen Form nutzt nur den wenigen an der Spitze

Am Ende des Interviews lieferte Stiglitz dann noch eine grundsätzliche Kritik: Der Kapitalismus in seiner derzeitigen Ausformung würde nur einem kleinen Teil der Menschen wirklich nutzen. „Der Wohlstand wird ungleich verteilt, das meiste geht an die Spitze, an der Basis bleibt wenig.“ Die Volkswirtschaften bräuchten „mehr Transparenz, mehr Einkommensgerechtigkeit und vor allem: mehr Moral“.
(mb)

 

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