Nutzen und Grenzen von Big Data für die Medienindustrie

Datentransfer: das Öl des 21. Jahrhunderts

Für die Medienanbieter ist das Sammeln von Daten ihrer Nutzer ein Geschäftsmodell, weil die Werbewirtschaft entsprechendes Zahlenmaterial benötigt und honoriert. Datenschützer kritisieren hingegen den Transfer personenbezogener Daten als möglichen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ob sich dieser Konflikt je lösen lässt, blieb auch beim Onlinegipfel der MEDIENTAGE MÜNCHEN offen, als Vertreter aus der Politik, von den Verlagen und von Internetunternehmen die Grenzen und den Nutzen von „Big Data“ für die Medienindustrie diskutierten. Jeder Gipfel-Teilnehmer definierte die „rote Linie“ für die unerlaubte Ausbeutung von Daten, nach der Moderator Hans-Jürgen Jakobs (Süddeutsche Zeitung) zum Abschluss fragte, unterschiedlich. Konsens herrschte auf dem Podium zumindest darüber, dass diese rote Linie im gesellschaftlichen Dialog verhandelt werden müsse. Datentransfer, so bilanzierte Jakobs, sei „das Öl des 21. Jahrhunderts“.

Bild: techlosofy

Zum Auftakt nahm Autor Robert Levine aus New York der Datenwolke (Cloud) ihr geheimnisvolles Wesen. Cloud Computing, so erklärte Levine, sei eine der ältesten Ideen der Computerindustrie. Allerdings sei das Speichern von Informationen auf entfernten Servern mittlerweile ein Phänomen, das dem Konsumenten zwar ein Machtversprechen gebe, in Wahrheit aber nur „ein großes Geschäft“ sei. Wie und wofür die Unternehmen diese Daten kombinierten, sei dem Nutzer nicht bewusst. Levines Forderung nach mehr Transparenz unterstützte auch die bayerische Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz, Dr. Beate Merk. Viele Internetnutzer machten sich nämlich gar keine

Gedanken darüber, dass Monopolisten wie Facebook und Google mit Nutzerdaten Geld verdienten. Deshalb begrüße sie auch die Datenschutznovelle auf europäischer Ebene, die in Punkten wie dem Minderjährigenschutz aber noch verbessert werden könne. An die Vertreter von Google und Facebook appellierte Merk, dass auch mächtige Giganten aus der Netzwelt die Verpflichtung zu ethischem Handeln und Transparenz hätten.

Dr. Wieland Holfelder, Entwicklungsdirektor von Google Deutschland, hält die Datenschutzdebatte hierzulande indes für übertrieben. Es gebe genügend Transparenz-Tools für die Nutzer wie das Google-Dashboard. Und außerdem könnten die User personalisierte Werbung auch ablehnen. Wenn Werbung für eine bestimmte Person relevant sei, „ist sie auch nicht mehr störend“, argumentierte Holfelder. Der Policy Direktor von Facebook Deutschland, Dr. Gunnar Bender, ergänzte diese Verteidigungsstrategie durch den Aspekt der Medienkompetenz. Er sei der „Erklärbär“ von Facebook, sagte Bender, da Social Media in Deutschland noch nicht richtig angekommen wäre. Der Einzelne müsse noch besser die Konsequenzen seines Handelns erkennen können und sich „Medienproduzentenkompetenz“ aneignen.

Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), machte deutlich, dass im Internet jeder Mausklick eine Datenspur hinterlässt. Er warnte die Politik mit Blick auf die Datenschutznovelle davor, aufgrund eines Überregulierungsanspruchs Dinge zu verändern, die der Medienindustrie, insbesondere dem Mittelstand, schadeten, weil man Quasi-Monopolisten wie Google treffen wolle.

Nach Ansicht von Stephan Noller, dem Geschäftsführer der Targeting-Plattform nugg.add, ist die Brüsseler Novelle einerseits eine „Katastrophe“, weil sie „Big Data“ verhindere, andererseits aber sehr willkommen, weil sie die Ungleichbehandlung von Internetanbietern mit Sitz innerhalb und außerhalb von Europa beende. Noller bewertete die Datenschutzdebatte in Deutschland als „Angstdiskussion“ und warnte davor, die Latte im Internet zu hoch zu hängen.

Viel zu niedrig hängt diese Latte dagegen nach Ansicht von Sebastian Nerz, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Piratenpartei Deutschland. Der mündige Bürger müsse die Möglichkeit haben, seine Daten selbst kontrollieren zu können. Dafür sei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Grundvoraussetzung. Deshalb müssten die Nutzer es auch ablehnen können, dass die Unternehmen ihre Daten sammeln („Privacy by Default“). Diese Einstellung vertrat auch Thomas Pfeiffer vom Bündnis 90/Die Grünen, der darüber hinaus die Klarnamen-Politik in den Geschäftsbedingungen von Facebook kritisierte. Eine anonyme Nutzung des Social Web müsse möglich sein, weil das Telemediengesetz dieses Recht einräume. In diesem Fall sollte das Primat der Politik gegenüber Unternehmensinteressen gelten.

Als reine Interessenpolitik bewertete Google-Entwicklungsdirektor Holfelder im Biga-Data-Zusammenhang ein weiteres Reformvorhaben: das Leistungsschutzrecht. Herausgekommen sei eine „Google-Steuer“, mit der sich die Verlage bereichern könnten. VDZ-Geschäftsführer Scherzer lobte das neue Leistungsschutzrecht hingegen als Sieg für den „Wert der Inhalte“.

Wie der Onlinegipfel zeigte, liegt der Big-Data-Nutzen für die Medienindustrie auf der Hand, während die Grenzen im Interesse der Verbraucher noch gesucht werden müssen. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.medientage.de.

Quelle: Medientage München

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