Oliver Wyman-Studie „Win or lose im globalen Photovoltaikmarkt“

Deutschen Unternehmen läuft die Zeit davon. USA und Asien sind die kommenden Megamärkte. Zellen- und Modulhersteller brauchen starke Partner. Downstream-Player müssen international expandieren. Nischenmärkte sind kein Allheilmittel. Dies sind Ergebnisse der neuen Oliver Wyman-Studie „Win or lose im globalen Photovoltaikmarkt“.

In der deutschen Photovoltaik-Industrie werden die Karten neu gemischt, so die Oliver Wyman Consulting GmbH (München). Während die hiesigen Anlagenbauer und Elektronikunternehmen auch weiterhin weltweit eine starke Position einnehmen, könnten jedoch viele Hersteller von Solarzellen und Photovoltaik-Modulen mangels Finanzkraft nur mit Partnern in den Wachstumsmärkten der Zukunft überleben können.

Vor großen Herausforderungen stünden auch die Photovoltaik-Händler, Systemintegratoren und Installateure. Sie könnten sich zwar noch aus eigener Kraft weiterentwickeln, müssten aber schnell eine schlüssige Strategie für die Internationalisierung der Märkte finden.

Der Photovoltaikmarkt stehe vor einem gravierenden Wandel. Laut der European Photovoltaic Industry Association (EPIA) sollen bis 2015 weltweit rund 23,9 Gigawatt (GWp) Leistung installiert werden, was einem jährlichen Wachstum von fast acht Prozent entspricht. Dies aber wird laut Oliver Wyman weitgehend in den USA und in Asien stattfinden. Der Anteil Europas am globalen Zubau werde Schätzungen zufolge bis 2015 auf 37 Prozent abrutschen. Im vergangenen Jahr belief er sich noch auf 80 Prozent. Speziell Deutschland verliere dabei seine bislang dominante Position.

Wurden im Photovoltaik-Leitmarkt Deutschland 2010 noch gut 7,4 Gigawatt Leistung installiert – und damit doppelt so viel wie im Vorjahr –, gehe der Zubau in Deutschland bis 2015 auf rund drei Gigawatt zurück. Damit schrumpfe der Markt jährlich um 16,5 Prozent. Im gleichen Zeitraum würden allein die USA mit jährlichen Steigerungsraten von mehr als 46 Prozent einen Zubau von sechs Gigawatt erreichen. China verbessere sich pro Jahr um 42 Prozent von 520 Megawatt 2010 auf drei Gigawatt bis 2015.

Entwicklung Photovoltaikmarkt: Bis 2015 werden weltweit rund 23,9 GWp Leistung installiert (moderates Szenario). Dies entspricht einem jährlichen Wachstum von fast acht Prozent © : European Photovoltaic Industry Association (EPIA) Mai 2011, Oliver Wyman-Analyse

Vom globalen Wachstum werden allerdings in der deutschen Photovoltaik-Industrie keineswegs alle profitieren, betont das Beratungsunternehmen. Lediglich die PV-Ausrüster könnten mit ihrer Kompetenz bei Technologie- und Produktionsentwicklung weiterhin trumpfen. Auch bei der Leistungselektronik (Solar-Wechselrichter) habe Deutschland mit dem Weltmarktführer SMA Solar einen sehr gut aufgestellten und erfolgreichen Player.

Hingegen bestehe für nahezu alle deutschen Zellen- und Modulhersteller akuter Handlungsdruck. Darüber hinaus seien viele Downstream-Anbieter, sprich: Händler, Systemintegratoren und Installationsunternehmen, gefordert, nachhaltig ins Ausland zu expandieren. „Photovoltaik ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte“, erklärt Wolfgang Weger, Partner und Solar-Experte bei Oliver Wyman. „Die nächsten Kapitel aber schreiben weder Deutschland noch Europa, sondern vor allem die USA und Asien. Und da werden nur wenige der hiesigen Zellen- und Modulhersteller mit von der Partie sein.“

Dünne Kapitaldecke

Die meisten der einst erfolgsverwöhnten Akteure seien kaum noch handlungsfähig. In den Boomjahren, vor allem in Deutschland, hätten es zahlreiche Unternehmen versäumt, nachhaltig in Forschung und Entwicklung beziehungsweise neue Produktionstechnologien zu investieren und sich finanziell abzusichern. Während sich die F&E-Ausgaben der amerikanischen First Solar Inc. in den Jahren 2007 bis 2009 auf knapp 90 Millionen Euro beliefen, seien es bei den meisten deutschen Wettbewerbern deutlich weniger als zehn Millionen gewesen.

Zugleich wiesen sie gemessen an den Top-Playern eine weit geringere Bruttomarge aus. Während die Top 3 im vergangenen Jahr mehr als 40 Prozent erzielten und sich der globale Durchschnitt immerhin noch auf 26 Prozent belief, erreichten die deutschen Zellen- und Modulhersteller laut Oliver Wyman im Schnitt gerade mal 13 Prozent. Viele hätten sogar darunter gelegen.

"Angesichts kaum vorhandener Finanzkraft kann sich die Mehrzahl das neueste Produktionsequipment nicht leisten. Dies macht eine kostengünstige und effiziente Produktion unmöglich. Overhead-Abbau, Restrukturierung und andere Anpassungsmaßnahmen helfen zwar kurzfristig, sind aber langfristig nicht ausreichend", so das Beratungsunternehmen.

Im globalen Commodity-Markt Photovoltaik würden deshalb nur diejenigen deutschen Zellen- und Modulhersteller überleben, die entweder finanziell gut aufgestellt sind oder schnell starke Partner finden. Diese allerdings stünden keineswegs Schlange. Selbst die finanzstarken und kauflustigen Asiaten hätten kein besonders großes Interesse mehr an den deutschen Unternehmen.

Deren technologische Vorreiterrolle sei verloren gegangen, zudem werde der hiesige Photovoltaik-Markt immer unattraktiver. Von Nutzen sein könnte ein Engagement vor allem für asiatische Auftragsfertiger, die über keine eigene Endkundenmarke verfügen. Kauften diese eine etablierte deutsche Marke, würden sie ein lohnendes Gesamtpaket erhalten: Technologie- sowie Vertriebskompetenz auf der einen Seite; Zugang zum deutschen und globalen Markt auf der anderen Seite. Insbesondere aber hätten sie aufgrund der etablierten und bekannten Marken gegebenenfalls Vorteile bei der Preisgestaltung.

„Die deutschen Zellen- und Modulhersteller müssen schnell aktiv werden“, betont Weger. „Noch hat ‚Made in Germany’ in Asien und im Mittleren Osten einen großen Stellenwert. Doch je kleiner der deutsche Markt wird, desto mehr schwindet der Wert der Marke.“

USA als Chance

Bewegen müssten sich auch die deutschen Downstream-Unternehmen, allen voran die Systemintegratoren. Sie seien in der hiesigen Photovoltaik-Industrie eine starke und feste Größe mit durchweg ordentlichen Renditen. Im Gegensatz zu den Zellen- und Modulherstellern könnten sie deshalb mit der richtigen strategischen Weichenstellung noch aus eigener Kraft überleben. Rasche Internationalisierung heiße für sie das Erfolgsrezept. Mittelfristig könnten Regionen wie Nordafrika und der Mittlere Osten, aber auch europäische Regionen wie die Türkei lohnende Expansionsoptionen sein.

Hoher Preis- und Kostendruck: Gemessen an den führenden Playern weisen deutsche Zellen- und Modulhersteller eine weit geringere Bruttomarge aus © Oliver Wyman-Analyse

In erster Linie jedoch gelte es, sich den Zugang zum US-Markt zu verschaffen

Er werde bereits ab dem kommenden Jahr zur Mega-Arena in der globalen Photovoltaik-Szene werden. In den USA erwarten die deutschen Systemintegratoren völlig andere Geschäftsstrukturen, industrielle Geflechte und Projektgrößen. Auch gebe es bereits etablierte Player. Der Markt sei weitgehend besetzt.

Zudem seien einige große Modulhersteller in das Downstream-Geschäft in den USA eingestiegen oder würden dies noch tun. Die Herausforderung sei damit immens. Aufgabe der Downstreamer werde es sein, sich schnell und nachhaltig zu positionieren. Dazu müssten sie mit eigenen Niederlassungen vor Ort sein, Kompetenzen in punkto Integration und Technik aufbauen, sich mit den besonderen Vergabestrukturen vertraut machen und mit den richtigen Geschäftspartnern vernetzen.

Für den Einzelnen allein werde der Schritt in die USA indes schwierig sein. Um in einem solchen Markt erfolgreich agieren zu können, sei eine substanzielle Größe nötig. Partnerschaftsambitionen mit US-Unternehmen würden nur bedingt auf positive Resonanz stoßen. Vielmehr gelte es, sich mit dem Tabuthema Konsolidierung, also mit Zusammenschlüssen, auseinanderzusetzen. Die hierzulande sehr heterogene Downstream-Landschaft biete dafür viel Potenzial.

Enges Zeitfenster

Die Zeit dränge, der Handlungsdruck wachse mit jedem Tag, betont Oliver Wyman. Schafften es Zellen- und Modulhersteller nicht, sich für Partner interessant zu machen, und gelinge es den Systemintegratoren nicht, in den USA Fuß zu fassen, bleibe ihnen nur der Rückzug in die Nische. Die gebäudeintegrierte Photovoltaik (BIPV) sei aktuell eine häufig diskutierte Option. Dafür existieren schon heute in Frankreich und Großbritannien entsprechende Anreizprogramme.

Diese locken gerade die angeschlagenen Zellen- und Modulhersteller an. Ein substanzielles Geschäftsfeld werde BIPV jedoch in naher Zukunft nicht. „Auch wenn für viele Player diese Nische derzeit der heilige Gral ist, sie wird nicht groß genug für alle sein“, warnt Solar-Experte Weger. „Die deutschen Unternehmen sollten die Zeit vielmehr für gezielte Vorwärtsstrategien nutzen.“
 

Quelle: Oliver Wyman 2011

ist eine international führende Managementberatung.

Franz Alt

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