Op-ponieren: Die Piraten entern die Parlamente – oder auch nicht!

… aus der Kolumne von Claus-Peter Schaffhauser

Quelle: Claus-Peter Schaffhauser

Ich muss gestehen, im innersten meines Herzens stehe ich noch Seit an Seit mit meinem Blutsbruder Winnetou, wenn es gegen das Böse geht. Auch wenn ich inzwischen weiß, dass Karl May Radebeul niemals wirklich verlassen hat, glaube ich an die Visionen des klugen und tapferen Häuptlings der Apachen: Friede und Gerechtigkeit. Winnetou hat es auch sehr früh geschafft, Integration von Immigranten zu Leben, indem er Old Shatterhand zu seinem Blutsbruder machte. Bewundernswert. Dabei hatte Winnetou noch nicht mal Abitur.  Die Integration hörte allerdings bei der Arbeitserlaubnis auf. Offensichtlich wurde das Ingenieur-Studium von Old Shatterhand nicht anerkannt. Wahrscheinlich ein Beschluss der Medizinmännerkonferenz, um den eigenen Arbeitsmarkt abzuschotten. Ab und zu sah man Winnetou und Old Shatterhand beim Kiffen (sie rauchten die Friedenspfeife) und waren ständig auf dem Kriegspfad – welch Widerspruch, aber beim Arbeiten habe ich keinen der beiden gesehen. Gab es damals schon H4 oder etwa ein bedingungsloses „Grunzeinkommen“. Nach dem Motto: „Sie sehen nichts, sie arbeiten nichts, aber Manitou mästet sie doch!“

Als die Piraten zum ersten Mal am politischen Horizont auftauchten, rieb ich mir zuerst verwundert die Augen, wie erwachsene Menschen mit einem politisch, seriösen Anspruch die Welt zu verändern, sich „Piraten“ nennen konnten. Schon von Asterix und Obelix wissen wir, das die Jungs immer am Schluss ihr Schiff selbst versenken – aus Angst versenkt zu werden. Welch visionäre Partei.

Und dann stürmten sie frech und unbekümmert die Landesparlamente. Überholten die FDP, was nicht sonderlich schwer war, überholten in den Umfragen die Linke, was denen egal ist, wanzten sich gefährlich nah bei den Grünen an und ließen die plötzlich sehr alt aussehen. Selbst Frau Roth sah manchmal richtig grün im Gesicht aus, wenn man sie auf die Piraten ansprach. Frau Künast wiederholte immer nur einen Satz, den sie wohl am Schluss selbst glaubte „Auch wir können Internet!“ – Wahrscheinlich hat sie aber das Passwort ihres  Accounts vergessen, denn ein kleiner Test der Jauch-Redaktion zeigte auf, dass sie eine E-Mail-Anfrage während einer Woche nicht beantworten konnte. Oh, wie peinlich. Vermutlich kreiste die Anfrage (oder die Antwort) irgendwo über der A1, deren Bau die Grünen in Berlin, ganz vorne mit Frau Künast,  ja ganz toll verhindert hatten. Welch strategisch taktisch klug aufgestellte Frau.

Die ersten Fotos von Piraten wurden im Fernsehen ausgestrahlt. Manche sahen tatsächlich aus wie von einem anderen Stern und immerfort forderten sie „absolute Transparenz“ und die „Abschaffung von Urheberrechten im Netz“. Wer einmal die Leidensgeschichte von Familien nachgelesen hat, die von skrupellosen Anwälten und ihren Hintermännern (und Frauen) aufgefordert wurden bis zum Ende des Monats 45.000 € zu bezahlen, weil ein strafunmündiges Familienmitglied  illegal fünf Lieder aus dem Internet heruntergeladen hatte, kann sich vorstellen auf welcher Seite ich stehe. – Wie schnell so eine Geschichte auch das eigene Leben ruinieren kann, zeigt die Aussage meiner Tochter Rosalie (12), „ihre Freundin Laura hätte ihr eine Seite verraten, wo man umsonst die neuesten Filme anschauen könnte!“ Glücklich die Eltern, die von so einer tollen Seite „vorher“ erfahren. Und Frau Aigner und Frau Leutheusser-Schnarrenberger verteidigen tapfer das Recht und die Marktwirtschaft. Verletzung von Urheberrechten ist ja auch fast so schlimm wie Völkermord, oder wenn korrupte Politiker in Italien mit der Mafia zusammen arbeiten (Anmerkung: in Deutschland gibt es keine korrupten Politiker, weil wir keine Mafia haben).

Und dann sah ich ihn zum ersten Mal: den politischen Geschäftsführer der Piraten: Johannes Ponader. Die Reinkarnation von Winnetou – nur irgendwie ganz anders. Er hatte irgendwie keine Zeit gehabt sich umzuziehen, sondern war mit seinen Hausschuhen und dicken Wollsocken und einem löchrigen Pullover angetreten. Ist ja auch egal. Man soll ja die Menschen nicht nach ihrem Äußeren beurteilen, sondern nach ihren Taten und Aussagen. Aber Ponader sagte nichts. Er war via Smartphone und Twitter im ständigen Kontakt mit der kompletten Basis der Piraten. Zwischendurch hat er mal fallen gelassen, dass er von H4 leben würde und „das sei gut so“ – Daran wolle er auch nichts ändern, da er sowieso für das BGK (Bedingungslose Grundeinkommen) sei. Rein mathematisch würde die Rechnung vielleicht sogar aufgehen, nur wenn dann die Tausenden Angestellten, die heute den Sozialstaat und seine Kassen verwalten, über Nacht ebenfalls das BGK empfangen würden, könnte es knapp werden. Inzwischen hat sich Ponader von H4 losgesagt und lebt jetzt von Spenden. Das gefällt aber vielen Piraten nicht und noch viel weniger den Bürgerinnen und Bürgern, die den Piraten gedanklich nahe stehen, der normale Deutsche schüttelt nur noch den Kopf und die Politiker der etablierten Parteien grinsen wölfisch.

Inzwischen mag Herrn Ponader außer seiner Mutter so ziemlich niemand mehr. Man kann ihn aber auch nicht rausschmeißen, weil die Piraten keine Hierarchien angedacht hatten. Ist halt alles „voll anders“. Für einen Sonderparteitag fehlt den Piraten das Geld und nur die Basis kann den Herrn Ponader abwählen. – Blöd gelaufen. In der Gunst der Wähler sinken sie noch weiter ab. Stand Ende Oktober 2012: < 4 %. Wenn sie Pech haben und es sieht schwer danach aus, kommen sie nicht in den Bundestag und dann sind sie ganz pleite. Wirklich blöd gelaufen. Aber der Partei die ja praktisch Twitter und facebook miterfunden hat, wird schon noch was Schlaues einfallen.

Vielleicht unter falscher Flagge segeln?!

Frau Schramm vom BuVo (Bundesvorstand) der Piraten, war ja früher mal bei der FDP. Dann ist sie zu den Piraten gewechselt. Dort war sie gegen Urheberrechte im Netz. Dann hat sie ein Buch geschrieben. Das hat jemand ins Netz gestellt, damit es jeder kostenlos lesen kann (ganz im Sinne von Frau Schramm). Die war aber plötzlich nicht mehr dafür, dass man ihr Buch kostenlos lesen kann, weil sie und der Verlag dann nichts dran verdienen würden und sie sich doch solche Mühe mit dem Buch gegeben hatte. Dann waren alle böse mit Frau Schramm und Frau Schramm war auch beleidigt und ist jetzt zurück getreten aus dem BuVo. Vielleicht geht sie wieder zur FDP. Der alten Wurzeln wegen, die so wenig vergessen wie das Internet. Aber Piraten predigen ja kein Wasser, sie segeln darauf. Deswegen kann Frau Schramm auch weiter „Wein saufen“. Da kann ich nur sagen; Frau Schramm, Knick it!

Kurz zusammengefasst: Politiker sind Menschen, die von Menschen gewählt werden. Sind genug Menschen von einer Partei und ihren Aussagen überzeugt, dann kommen sie auch in die Parlamente und können dort Politik aktiv verändern. Spinner und Abzocker haben wir schon genug in dieser Gesellschaft, die müssen dann nicht auch noch mit der Piratenflagge in der Hand im Bundestag herum wedeln.

Wenn man als Pirat ein Auge mit einer Klappe verdeckt hat, dann muss man mit dem Zweiten noch besser sehen, sonst landet man schnell auf einer Klippe und versenkt sein eigenes Boot. Aber das kennen wir ja schon von Asterix und Obelix.

 

Zum Autor:

Quelle: Claus-Peter Schaffhauser

Claus-Peter Schaffhauser war in mehreren Unternehmen verschiedener Branchen (Elektronik – Siemens, Informationstechnologie – HP, Befestigungstechnik – HILTI) in unterschiedlichen Führungspositionen tätig (u.a. EDV, Logistik, Vertrieb, Revision). Er berät seit 17 Jahren Kunden verschiedener Branchen in der Optimierung von Logistikprozessen (Lieferantenanbindung, Aufbau- und Ablauforganisation, Reklamationsmanagement) und in der Baustellenlogistik (Optimierung letzte Meile). Claus-Peter Schaffhauser spricht Deutsch und Englisch. In seiner Freizeit schreibt er Kolumnen und arbeitet als Künstler.

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