Rating-Agenturen sind Teil des Problems – von Prof. Dr. Dorothea Schäfer

Prof. Dr. Dorothea Schäfer, Forschungsdirektorin "Finanzmärkte" am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) über die Macht der Rating-Agenturen und die Notwendigkeit ihrer Entmachtung. Der Beitrag gibt die Meinung der Autorin wieder.
 

Länderbewertungen durch die drei großen Rating-Agenturen machen keinen Sinn mehr. Es fehlt ihnen schlicht an Glaubwürdigkeit. Zu oft haben die Agenturen daneben gelegen. Zu sehr riechen die Ratingnoten nach dem Verlangen Politik zu machen, nach dem Motto: Schaut her, wozu wir in der Lage sind.

Bekannt ist, dass manche Agenturen ihre Subprime-Bewertungen so lange angepasst haben, bis die in alle Welt verkauften Anleihepakete nach Note und Volumen den Wünschen der Auftraggeber entsprachen. Gerade haben die US-Wertpapieraufsicht und das US-Justizministerium weitere Untersuchungen gegen Standard & Poors wegen des Verdachts zu guter Bewertungen im Subprime-Segment bestätigt. Ohne die übertriebenen Jubelurteile über US-amerikanische Subprime-Anleihepakete hätte es keine solche Finanzmarktkrise gegeben, steckten viele europäische Staaten jetzt nicht in einem solchen Schuldensumpf. Ohne Zweifel verliefe die europäische Schuldenkrise ohne die Herabstufungsorgien der „großen Drei“ weniger dramatisch. Würde ein Marathonläufer sich einen Coach engagieren, der ihm auf den letzten zwanzig Kilometern immer wieder zuruft: „Der Einbruch kommt bald, Du schaffst es wahrscheinlich nicht.“ Unvorstellbar! Die europäische Staatengemeinschaft aber tut genau das, und sie bezahlt die Agenturen auch noch häufig genug dafür.

Die Märkte lernen zwar allmählich, sich von der naseweisen Benotung nicht weiter beeindrucken zu lassen. Deshalb wird auch von dem jüngst ergangenem Verdikt Moodys eines negativen Ausblicks für Deutschland am Ende wenig übrigbleiben. Aber für die schwächeren Eurostaaten ist es nach wie vor dramatisch, wenn die Rating-Agenturen, einzeln oder im Konzert, den Daumen senken. Seit Ausbruch der europäischen Schuldenkrise wird mit fast jeder Zuckung der US-Agenturen die Rettung der Schwächeren für die Stärkeren im Euro-Boot schwieriger und teurer, ohne dass dem ein erkennbarer Nutzen aus der Benotung gegenüber steht. Besonders gefährlich sind die Herabstufungen im Sommer, wenn in der Urlaubszeit die Handelsvolumina dünn sind, und es besonders leicht ist, erfolgreich gegen Aktien und Anleihen zu wetten. Spekulativen Leerverkäufen von Anleihen der Krisenstaaten steht dann extrem wenig Nachfrage gegenüber, und der Kurs bewegt sich fast schon von allein in die gewünschte Richtung nach unten. Solche Kursbewegungen schlagen unmittelbar auf die Primärmärkte durch und treiben die Verzinsung der Neu-Emissionen dieser Staaten in nicht mehr tragbare Höhen. Die Deutschen können zwar dem Treiben der Rating-Agenturen bei der Benotung Deutschlands gelassen zusehen. Die Höchstzinsen von Spanien und Italien treffen uns jedoch unmittelbar und entwerten vergangene Anstrengungen der Staatengemeinschaft, die Situation zu stabilisieren. EZB und ESFS bleiben in der handelsarmen Urlaubszeit fast schon nichts anderes übrig, als dem Treiben auf den Märkten ein Gegengewicht entgegensetzen und die Nachfrageseite zu verstärken.

Warum lassen wir das zu? Die Bundesbank beklagt zwar die Anleihekäufe der EZB, jedoch nicht die Rolle, die die Agenturen dabei spielen. Obwohl die Macht der großen Rating-Agenturen auch durch die regulatorisch vorgegebene Risikogewichtung der Bankaktiva mitverursacht worden ist, hält die Bundesbank auch weiterhin an der gewichteten Eigenkapitalunterlegung bei den Banken fest. Dabei wäre der Verzicht darauf und die Einführung einer hinreichend hohen ungewichteten Eigenkapitalquote, der sogenannten Leverage Ratio, ein erster wichtiger Meilenstein auf dem Weg heraus aus der Abhängigkeit von den Rating-Agenturen.

Die drei großen Rating-Agenturen sind Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Es wird Zeit, dass dies nicht nur erkannt, sondern radikal danach gehandelt wird. Halbherzigkeiten wie der Registrierungszwang bei der Europäischen Wertpapieraufsicht und der Gebühreneinzug bei den Agenturen für die Beaufsichtigung werden dem Ernst der Lage schon längst nicht mehr gerecht.

Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)

 

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