Rechtsanwältin Jennifer Stoll zum deutschen Pferderecht

Die Rechtsanwaltskanzlei von Jennifer Stoll mit Sitz in Aachen ist auf das Pferderecht spezialisiert. Wir wollten wissen, was genau das Pferderecht umfasst und welche Tipps die Rechtsanwältin Jennifer Stoll für Pferdehalter parat hat.

Frau Stoll, wie ist das Pferderecht überhaupt entstanden?

Das Pferderecht bezeichnet eine anwaltliche Spezialisierung, die es eigentlich nicht gibt. In Reiterkreisen und besonders im Pferdehandel und bei Tierärzten ist diese Spezialisierung jedoch gut bekannt. Es gibt jedoch spezielle Fortbildungen im Bereich des Pferderechts, wie zum Beispiel der Deutsche Pferderechtstag und das Göttinger Pferderechtsforum.
Den Begriff Pferderecht haben Anwaltskanzleien geprägt, die seit mehr als 20 Jahren als Reitsportler in diesem Bereich tätig sind. So richtig populär geworden ist dieser Bereich nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz im Jahre 2002. Seitdem sind die Regelungen des Viehkaufs abgeschafft und das Pferdekaufrecht unterliegt den gesetzlichen kaufrechtlichen Regelungen inklusive den Regeln über den Verbrauchsgüterkauf.

Welchen Rat legen Sie Pferdehaltern zur Vermeidung von Problemfällen ans Herz?

Grundsätzlich gilt beim Kauf eines Pferdes, sich über mögliche Probleme rund um den Pferdekauf zu informieren und einen schriftlichen Kaufvertrag zu schließen, in dem das Pferd näher beschrieben wird. Im Falle einer späteren Rückabwicklung kann andernfalls unter Umständen der Verkäufer ein anderes Pferd im Austausch liefern; wer vermeiden will, ein anderes als das gekaufte Pferd „auf`s Auge gedrückt zu bekommen“, muss die Kaufentscheidung für das gekaufte Pferd im Kaufvertrag dokumentieren.

Sehr wichtig ist für Pferdehalter der Abschluss einer Pferdehalterhaftpflichtversicherung. Ein privater Tierhalter haftet praktisch immer für alles, was das Tierchen anstellt, verschuldensunabhängig.

Wichtig ist, dass der richtige Halter im Versicherungsvertrag aufgeführt ist, oftmals sind Eigentümer, Besitzer und Pferdehalter verschiedenen Personen. Zur Vermeidung von Problemen im Schadensfall ist es daher wichtig, dass der oder die richtige(n) Halter Versicherungsnehmer sind.

Gibt es auf dem „Pferdemarkt“ einen großen Bedarf an Rechtsberatung?

Trotz steigender Unterhaltskosten für ein Pferd etwa durch stetig steigende Stroh- und Heu-Preise, wächst die Anzahl an Pferdehaltern. Besonders im Freizeitbereich halten immer mehr Menschen, besonders junge Frauen ein Pferd. Im Sportbereich hat der Pferdebereich einen deutlichen Wandel erfahren: Im mittleren Preissegment kaufen Privatleute weit weniger ausgebildete Pferde als noch vor 15 Jahren. Der Trend geht zum Erwerb einer jungen, noch nicht ausgebildeten Remonte mit möglichst hoher Qualität. Das Ziel ist, ein gutes Sportpferd mit Hilfe eines Trainers möglichst weit selber auszubilden.

Und auch durch diesen Trend wächst die Nachfrage an Rechtsberatung: Der Erwerb eines jungen Pferdes ist immer eine Art „Überraschungspaket“ sowohl im Hinblick auf die gesundheitliche Beschaffenheit eines Pferdes als auch im Hinblick auf seine Leistungsbereitschaft. Bei einem jungen Pferd bietet die sogenannte Ankaufsuntersuchung selbst mit der Erhebung umfangreicher röntgenologischer Befunde lediglich eine sehr vage Prognose für seine Sporttauglichkeit. Häufig ist ein Pferd vierjährig von seinen Anlagen röntgenologisch in Ordnung, hält aber mit zunehmendem Sporteinsatz die Belastung nicht aus. Dann kommt es leider häufig vor, dass ein Pferd sechsjährig trotzdem klinische Auffälligkeiten zeigt und dann auch schlechte Röntgenbefunde festgestellt werden. In Anbetracht der relativ hohen Preise für ein talentiertes Sportpferd ist das meist für ambitionierte Amateursportler ein mittlerer Weltuntergang. Leider lässt sich mit Blick auf die gewünschte sportliche Belastung nicht jede Gesundheitsbeeinträchtigung heilen und auch ein sportuntaugliches Pferd kostet monatlich viel Geld. Für Reitsportler ist bei diesem Szenario jedoch das schlimmste, dass sie ohne Pferd ihren Sport nicht mehr ausüben können.

Grundsätzlich existiert eine sehr hohe Nachfrage an Rechtsberatung in diesem kleinen Segment. Alle Probleme sind einzelfallabhängig und müssen sehr detailgenau betrachtet werden. Und bei bundesweit ca. 100 Kanzleien, die im Segment Pferderecht tätig sind, sind es lediglich ca. 7 Rechtsanwälte, die sich ausschließlich dem Pferderecht verschrieben haben.

Sind bei einem solchen Rechtsfall auch die Belange des Pferdes rechtlich geschützt?

Gesetzlich werden Pferde wie alle Tiere einer Sache gem. § 90a BGB gleichgestellt. Die Tierschutzregeln betreffen natürlich auch für Pferde. Leider muss man im Ergebnis schlicht festhalten, dass es im Pferdehandel und auch in weiten Teilen des Reitsports alleine um die wirtschaftlichen Interessen der Pferdehalter geht. Dem Pferd werden keine eigenen Rechte zugebilligt. Insofern befasst sich der Bereich des Pferderechts alleine mit menschlichen und hier vor allem wirtschaftlichen Interessen.

Letztlich ist das Pferd immer abhängig von den Händen, in die es gerät und hier gibt es die volle Bandbreite: von Menschen, die ihre Pferde so weit wie irgend möglich artgerecht halten und einsetzen bis hin zu jenen, die Pferde als hochwertiges Wirtschaftsgut produzieren und vermarkten.

Der Pferderechtsanwalt vertritt die wirtschaftlichen Interessen der im Reitsport und Pferdehandel aktiven Menschen und Berufsgruppen, hier besonders Tierärzte. Hierbei hat natürlich jeder einzelne Pferderechtler in seiner Ausrichtung eine bestimmte Zielgruppe, die er anvisiert.

Vielen Dank an Jennifer Stoll für die konkreten Ausführungen zum Pferderecht. Aktuelle Informationen und Rechtsprechungen zum Pferderecht können auf ihrem Pferde-Blog eingesehen werden (Link).

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