Russland ist offiziell 156. WTO-Mitglied – Hintergrundinformationen

Russland ist am Mittwoch, den 22. August, offiziell als 156. Mitglied der Welthandelsorganisation WTO beigetreten. Dem war ein 19 Jahre langer, zäher Verhandlungsprozess vorangegangen. Russland verpflichtet sich damit zu einer umfassenden Öffnung seiner Märkte, also der Senkung seiner Importzölle. Moskau rechnet im Gegenzug damit, dass die EU nun damit beginnt, die den Normen der WTO widersprechenden eigenen Exportschranken für russische Waren, Dienstleistungen und Kapital abzuschaffen, so der russische Außenminister Sergej Lawrow. Die Übergangszeit für die Liberalisierung des Zugangs zum russischen Markt werde rund zwei bis drei Jahre und bei besonders sensiblen Waren bis zu sieben Jahre betragen.

Bundeswirtschaftsminister Rösler, begrüßte, dass mit Russland die letzte große Volkswirtschaft der WTO beigetreten sei: „Ich freue mich, dass der russische WTO-Beitritt nun offiziell vollzogen ist. Deutschland hat ihn stets unterstützt. Russland ist für uns einer der wichtigsten Handels- und Wirtschaftspartner. Der WTO-Beitritt wird sowohl Marktzugang als auch Rahmenbedingungen in Russland verbessern und die angestrebte Modernisierung der russischen Wirtschaft vorantreiben. Der Beitritt wird für zusätzliche Impulse in den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen sorgen. Wichtig ist nun, dass das Land seine eingegangenen Verpflichtungen zügig und in vollem Umfang umsetzt.“

Beiderseitiger Abbau der Importrestriktionen

Der Beitritt Russlands zur WTO wird der Ideologie der Welthandelsorganisation gemäß zu einer umfassenden Senkung der Importzölle führen – dabei wird kein einheitliches Zielniveau verlangt, sondern lediglich eine immer fortlaufende Absenkung der Zölle und ein Verzicht auf Schutzzölle, beispielsweise für junge Branchen oder Entwicklungsländer. Hintergrund: Die Staaten haben weltweit höchst unterschiedliche Export- und vor allem Importbeschränkungen. Starke Volkswirtschaften arbeiten auf einen Abbau der Handelsbeschränkungen hin, um ihren Marktführern neue Märkte zu erobern. Das Geheimnis des rasanten Aufstiegs der asiatischen Schwellenländer beruht hingegen im Wesentlichen darin, hinter Schutzmauern eine eigene Industrie aufbauen zu können und erst dann die Beschränkungen (auch Kapitalverkehrskontrollen) abzubauen, wenn die heimische Wirtschaft mit der globalen Konkurrenz wettbewerbsfähig ist. Dieser Erfolgsweg wurde und wird allerdings stets von den vom Westen beherrschten Institutionen stark kritisiert. Die WTO-Regelungen besagen nun, dass die Mitgliedsstaaten ihre Handelsbeschränkungen und -subventionen sukzessive abbauen müssen – alle auf unterschiedlichem Niveau, einen einheitlichen Satz gibt es nicht. Verboten ist jedoch, die ungleichen Sätze individuell wieder anzuheben, wie es beispielsweise China kürzlich beim Export der Hightechmetalle Seltene Erden vor hatte.

Der durchschnittliche russische Zollsatz soll mit dem WTO-Beitritt nun von derzeit 10% auf 7,8% sinken, bei Industriegütern von 9,5% auf 7,3% und bei Agrarprodukten von 13,2% auf 10,8%. Darüber hinaus sollen die Marktzugangsbedingungen in zahlreichen Dienstleistungssektoren verbessert werden und eine Angleichung des russischen Außenhandelsregimes (Gesetze, Regelwerk) an WTO-Standards erfolgen. Durch den WTO-Beitritt Russlands rechnen sich insbesondere die deutsche Automobil- und Investitionsgüterindustrie bessere Exportchancen aus, Russland sieht seine Chancen v.a. in der Energiewirtschaft und u.a. auch in der Luftfahrt.

19 Jahre Beitrittsmarathon

Die WTO-Beitrittsverhandlungen mit Russland wurden im Juni 1993 aufgenommen. Nach einem zähen Verhandlungsmarathon hatten die WTO-Handelsminister am 16. Dezember 2011 im Rahmen der 8. Ministerkonferenz den Beitritt Russlands zur WTO bestätigt. Nachdem die russische Duma und der Föderationsrat dem Beitritt zugestimmt hatten, konnte die Ratifizierung der WTO-Verpflichtungen durch Russland am 21. Juli 2012 abgeschlossen werden. Am 23. Juli 2012 wurde dies beim WTO-Sekretariat notifiziert und damit trat die WTO-Mitgliedschaft wie im WTO-Abkommen vorgesehen 30 Tage später, am 22. August, offiziell in Kraft.

Russland war als einziger großer Staat bislang noch kein WTO-Mitglied – China ist hingegen bereits seit gut zehn Jahren dabei. Grund waren bislang die hohen Importzöllen und Agrarsubventionen, sowie die Weigerung des WTO-Mitglieds Georgien, das gegen Russland 2008 einen kurzen Krieg um die Unabhängigkeit der von Georgien abtrünnigen Kaukasusprovinzen Abchasien und Südossetien begann und verlor. Durch die kürzliche Einigung mit Georgien stand der Aufnahme nun nichts mehr im Weg. Für den den Abbau des Protektionismus wird Russland nun eine längere Übergangszeit gewährt. Als größtes Hindernis galt zudem auch die ausgeprägte Korruption, Rechtsunsicherheit und Bürokratenwillkür in Russland: In dem Anfang Dezember 2011 veröffentlichten Korruptionsranking von Transparency International machte Russland lediglich einen minimalen Sprung von Rang 153 auf 143. Bei der „Export-Korruption“ belegt Russland sogar vor China den letzten Platz: Russische Firmen zahlen Beamten demnach im Ausland am häufigsten Schmiergeld. Transparency International hatte in diesem Zusammenhang seine Besorgnis geäußert, da die finanzstarken Unternehmen aus Russland und China zunehmenden Einfluss auf dem Weltmarkt gewinnen: „Die Unternehmer sind an die russischen Marktbedingungen gewohnt und lösen ihre Probleme auch im Ausland mit ähnlichen Mitteln.“

2011 belegte Russland Rang 11 der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Die Importe aus Russland übertrafen dabei mit rund 41 Mrd. Euro allerdings die deutschen Exporte in Höhe von gut 34 Mrd. Euro. Der Handelsumsatz belief sich somit 2011 auf insgesamt knapp 75 Mrd. Euro.

(mb)

 

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