Schlammschlacht um Ölkatastrophe: Halliburton soll Beweise vernichtet haben

Die Natur im Golf von Mexiko hat sich von der zweitschlimmsten Ölkatastrophe der Menschheitsgeschichte, die im April 2010 durch den Untergang der Tiefseeplattform Deepwater Horizon ausgelöst worden war, wieder gut erholt (die schlimmste ist im Niger-Delta zu beobachten). Damals waren über drei Monate hinweg 780 Millionen Liter Öl ins Meer ausgelaufen. Dennoch haben die Fischereibetriebe bereits wieder geöffnet und auch die Hotels in der Region sind mittlerweile wieder gut gebucht – so dass sich hieraus keine Forderungen mehr ergeben würden. So zumindest die Darstellung des Plattform-Inhabers BP im Juli 2011. Der britische Öl-Multi fügte allerdings eilig hinzu, dass bereits dokumentierte Verluste durch die Ölkatastrophe davon nicht betroffen seien – BP fühle sich weiterhin verpflichtet, alle legitimen Ansprüche zu begleichen, auch wenn es der Natur mittlerweile wieder blendend geht.

Die entstanden Kosten und Forderungen treffen den Öl-Multi jedoch hart: Auf 40 Milliarden Dollar werden die Schäden geschätzt. Wird zudem grobe Fahrlässigkeit festgestellt, könnten es sogar 80 Milliarden Dollar werden. BP hat sich dank des hohen Ölpreises zwar wieder erholt – 40 Milliarden Dollar wurden bereits abgeschrieben und im zweiten Quartal 2011 wurde wieder ein Nettogewinn von 5,31 Milliarden Dollar eingefahren – dennoch tobt hinter den Kulissen ein erbitterter Kampf aller Beteiligten, wer wie hoch für die Schäden aufkommen muss. BP will nicht alleine dafür gerade stehen müssen und möchte seine ehemaligen Partner bei der havarierten Tiefseeplattform an den Kosten beteiligen:

Der Plattformbetreiber Transocean soll 40 Milliarden Dollar zahlen. BP wirft der Betreiberfirma vor, dass jedes Sicherheitssystem auf der Bohrplattform versagt habe. In der Klageschrift gegen Transocean heißt es: BP wirft Transocean vor, dass es ohne dessen „Fehlverhalten“ nicht zu der Katastrophe gekommen wäre – nicht zu der Explosion, dem Tod der Arbeiter und nicht zur Ölpest. „Die simple Tatsache ist, dass am 20. April 2010 jedes einzelne Sicherheitssystem und -Gerät sowie Mechanismen zur Quellen-Kontrolle auf der ‚Deepwater Horizon’ versagten.“

Beistand in Sachen Transocean erhielt BP von der britischen Zeitung „Sunday Times“. Sie hat von gravierenden Schlampereien auf der Ölplattform berichtet: Mehr als 390 fällige Wartungsarbeiten seien in den Monaten vor dem Untergang nicht erledigt worden, darunter auch so bedeutende, wie an dem wichtigen Sicherheitsventil am Meeresgrund, das beim Untergang der Bohrinsel versagte.

Transocean sieht das naturgemäß anders: Anfang April 2011 wurde ein firmeneigener Sicherheitsrekord für das Katastrophenjahr 2010 verkündet: „Das Jahr 2010 war das Beste in unserer Unternehmensgeschichte. Jedenfalls gemessen an der Sicherheit unserer eigenen Anlagen.“ Daran ändert auch die Deepwater-Katastrophe nichts: „Abgesehen von diesen tragischen Todesfällen [elf Menschen] haben wir einen statistischen Sicherheitsrekord aufgestellt.“ Das Unternehmen feierte sich selbst mit satten Boni für die Manager. Transocean-Chef Steve Newman erhielt für 2010 einen Bonus von 374.062 Dollar als Teil seiner Gesamtvergütung über 5,8 Millionen Dollar. Inzwischen hat der Konzern vor dem indischen Subkontinent einen neuen Tiefenrekord aufgestellt: Im April 2011 bohrte Transocean mit der Plattform „Dhirubhai Deepwater KG2“ 3.107 Meter unter dem Meeresspiegel, beinahe doppelt so tief wie bei Deepwater Horizon.

BP hat zudem auch Klage gegen Cameron International erhoben, den Hersteller des defekten Blowout-Preventer (Absperrventil), das damals das unkontrollierte Ausströmen des Öls nicht verhinderte.

Eine bemerkenswerte Wende hat nun aber die Klage gegen den Hersteller des Zements genommen, mit dem das Bohrloch ausgekleidet wurde: das Unternehmen Halliburton des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney unter George W. Bush. BP wirft Halliburton Betrug, Nachlässigkeit und das Verschweifen von Materialkennziffern vor. Halliburton habe für das Bohrloch minderwertigen Zement geliefert, entsprechende Beweise auf dessen geringe Qualität nun aber absichtlich vernichtet. Negative Testergebnisse seien „absichtlich“ zerstört worden, um „jedes Risiko zu vermeiden, dass die Beweise in diesem Verfahren gegen es verwendet werden.“ Halliburton habe zudem offenbar auch seine Computer-Daten zur Qualität des Zements verloren.

Das „Gesicht der Ölpest“, der geschasste ex-BP-Chef Tony Hayward, ist hingegen im September 2011 wieder ins Ölgeschäft eingestiegen. Er hatte die Katastrophe stets heruntergespielt und war dadurch international scharf kritisiert worden – auch wegen den Nachlässigkeiten, die sich auf der Tiefseeplattform im Vorfeld offenbar zugetragen hatten. Hayward hat im Sommer 2011 zusammen mit dem Multimilliardär Nathaniel Rothschild aus der gleichnamigen schillernden Bankiersfamilie, dem früheren Goldman-Sachs-Manager Julian Metherell und dem Unternehmer Tom Daniel die Investmentfirma Vallares PLC gegründet und an die Londoner Börse gebracht. Im September 2011 hat die Firma dann für 2,1 Milliarden Dollar den türkischen Ölförderer Genel Energy International gekauft, inklusive lukrativer Bohrrechte im nördlichen Irak. Genel Energy ist der größte Ölförderer in der kurdischen Region des Nordiraks. Nun sollen weitere Firmenteile von weltweit agierenden Öl- und Gaskonzernen folgen. Für Hayward heißt es somit wieder: „Drill Baby, drill!“
 

 

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